Mit den neuen Erkenntnissen zu gefälschten HIV-Medikamenten in der regulären Lieferkette ist auch die Debatte um die Importquote für Apotheken neu entflammt. Während Apotheker die intransparenten Warenströme bei Importen kritisieren, vermuten die Krankenkassen ein Täuschungsmanöver. Die Regierung nimmt die Probleme wahr, hält aber grundsätzlich an der Importquote fest.
Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn will in puncto Arzneimittelsicherheit nicht zwischen importierten und nicht importierten Arzneimitteln unterscheiden. „Sie muss für beide Bereiche gleichermaßen sichergestellt sein“, sagte Spahn gegenüber APOTHEKE ADHOC. Ziel von Importen seien Einsparungen für die Krankenkassen und Versicherten. Solange viele Medikamente im Ausland günstiger seien, sei auch deshalb auch die Quote sinnvoll, gerade im patentgeschützten Bereich, so der gesundheitspolitische Sprecher der Union.
Der GKV-Spitzenverband vermutet eine Kampagne gegen das Sparinstrument: „Die Importquote für kriminelles Handeln verantwortlich zu machen, erscheint als leicht durchschaubarer Versuch, dieses bei den Apothekern unbeliebte Instrument anzugreifen“, so ein Sprecher. Die Apothekerverbände seien aufgefordert, gegenüber den Großhändlern auf die Einhaltung der Qualitätsstandards zu drängen. „Importe an sich sind kein Sicherheitsproblem“, so der Sprecher.
Eine besondere Herausforderung ist die Importquote für Apotheken, die auf meist sehr teure Krebs- oder HIV-Präparate spezialisiert sind. Gerade bei diesen Medikamenten bestehe die Gefahr, dass nicht vertriebsfähige Ware im Umlauf sei, sagte Magdalene Linz gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die ehemalige Präsidentin der Bundesapothekerkammer und Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen hatte 2009 selbst gefälschtes Viramune über den Großhandel erhalten. Linz stellte Strafanzeige.
Seither setzt sie lieber auf Direktbezug beim Hersteller, was sich aber negativ auf die Importquote auswirkt. Linz und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) fordern deshalb, dass in Verdachtsfällen die betroffenen Indikationen von der Berechnung der Importquote ausgeschlossen werden, bis die Vorwürfe gegen den Lieferanten geklärt sind. Dies müsse für alle Hersteller gelten, weil es sonst zusätzliche Probleme mit der Lieferfähigkeit entstehen könnten.
Die Verbände der Arzneimittelimporteure BAI und VAD sehen keinen Bedarf für Ausnahmen. Die Importquote sei mit realisierten 11 Prozent deutlich überfüllt. Vorgeschrieben sind für Apotheken nur 5 Prozent des GKV-Umsatzes.
Zudem seien Importe von einer Vielzahl verschiedener Firmen beziehbar, sei es direkt oder über den Großhandel, sagte BAI-Vorstand Andreas Mohringer. Gezielte „Entlassungen“ aus der Importquote seien daher nicht sinnvoll. Mohringer lehnt auch Ausnahmeregelungen für bestimmte Apotheken oder Einzelindikationen ab, weil die Krankenkassen dann mit einem Domino-Effekt rechnen müssten. Apotheken hätten das Recht, Lieferanten systematisch zu bewerten; die Reimporteure würden sich dem nicht verschließen.
Im politischen Berlin ist man für Diskussionen offen: „Die Importquote kann natürlich nur funktionieren, wenn auch die Lieferfähigkeit sichergestellt ist. Wenn sie wegen Lieferproblemen nicht umsetzbar ist, muss man entweder über Ausnahmeregelungen nachdenken oder wie die Lieferfähigkeit gewährleistet werden kann“, sagt Spahn.
Auf die Spareffekte will man nicht verzichten: In den Verhandlungen zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) war sogar eine Erhöhung des Mindestabstands diskutiert worden. Eine Änderung wurde aber nicht beschlossen. „Im Gespräch waren ein Preisabstand von 15 Prozent oder 60 Euro oder auch nur 15 Prozent. Wir haben uns entschieden, den Importbereich erst noch einmal zu beobachten und dann zu entscheiden“, so Spahn. „Sollte sich zeigen, dass eine Vergrößerung des Preisabstandes vertretbar ist, sollten wir das zu Gunsten der Versicherten nutzen.“
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