Der Hausärzteverband hat vor einem Scheitern der elektronischen Patientenakte (ePA) gewarnt und die Krankenkassen zu einer besseren Aufklärung aufgefordert. „Die Zahl der aktiven Nutzer ist ernüchternd. Wenn die Verantwortlichen weiter machen wie bisher, dann wird eines der wichtigsten versorgungspolitischen Projekte der letzten Jahre langsam, aber sicher scheitern“, sagte der Bundesvorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Markus Beier, der Rheinischen Post.
Für Patienten wäre das aus seiner Sicht eine schlechte Nachricht, „denn eine gut umgesetzte ePA hätte zweifellos das Potenzial, die Versorgung spürbar zu verbessern und zu vereinfachen“. Beier verwies auf Probleme in der Praxis, etwa einen komplizierten Registrierungsprozess und eine störanfällige Technik. Die meisten Patienten hätten auch kaum etwas von der ePA mitbekommen.
„Die Krankenkassen sind aufgefordert, ihre riesigen Verwaltungsbudgets dafür zu nutzen, endlich eine vernünftige Aufklärung ihrer Versicherten sicherzustellen“, sagte er. Bislang hätten sich die Kassen darauf beschränkt, Briefe mit allgemeinen Informationen zu verschicken.
Millionen Versicherte nutzen ihre elektronische Patientenakte noch nicht für sich selbst, um Gesundheitsdaten anzusehen oder auch Inhalte zu sperren. Bei der Techniker Krankenkasse (TK) sind elf Millionen E-Akten angelegt – aktiv nutzen sie aktuell 750.000 Versicherte, wie die größte gesetzliche Kasse auf Anfrage mitteilte. Die Barmer hat nach eigenen Angaben 7,8 Millionen angelegte ePAs und etwa 250.000 aktive Nutzerinnen und Nutzer.
Zur ersten Verwendung der App muss man sich generell zunächst identifizieren und freischalten lassen. Bei den elf Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) mit 25,8 Millionen bestehenden E-Akten haben bisher 200.000 Versicherte dafür eine persönliche Gesundheits-ID angelegt, die ihnen den Zugriff ermöglicht.
„Kein Wunder“, dass die ePA kaum genutzt wird, findet der Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer (BLZK), Dr. Frank Wohl, „denn die Akte hat keinen Mehrwert.“ Er bemängelt das fehlende Ablagesystem sowie fehlende Kategorien, wie „Befund“, „Bericht“ oder „Arztbrief“ und dass keine Volltextsuche möglich ist. „Will sich der Arzt ein Bild von den Vorerkrankungen seines Patienten machen, muss er sich durch einen Wust an PDFs wühlen, die irgendwie bezeichnet sein können, zum Beispiel ‚Dokument17‘. Somit ist die ePA in ihrer jetzigen Form nichts weiter als ein elektronischer Schuhkarton voller Zettel. Smarte Lösungen sehen anders aus.“
Auf die Vollständigkeit der Daten könne man sich ebenfalls nicht verlassen. „Die Hoffnung, bei Bewusstlosigkeit könne der Notarzt über die ePA auf die Notfalldaten des Patienten zugreifen, ist ebenfalls eine Luftblase, da es bislang keine mobile Anbindung gibt. Vor dem Hintergrund, dass Sicherheitsforscher in den letzten Monaten mehrere Datenschutzlücken bei der ePA aufgedeckt haben, ist das Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko denkbar ungünstig“, so der BLZK-Präsident. „Keiner nutzt sie, weil sie mit dem jetzigen Konzept nutzlos ist.“
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, forderte Nachbesserungen: „Mich erreichen Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die Probleme bei der Einrichtung der ePA beklagen“, sagte der SPD-Politiker Ippen Media etwa mit Blick auf ungeeignete Smartphones oder andere Zugangsprobleme. „Das muss sich dringend verbessern.“ Die ePA müsse auch anwendungs- und patientenorientierter werden – für jede Altersgruppe.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz erklärte, für eine Bruchlandung der ePA wären niedergelassene Ärzte und Kliniken selbst verantwortlich. „Schließlich müssen sie die Daten der Patienten einpflegen“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Versicherte können nur Inhalte steuern, die da sind.“ Eine Informationspflicht liege außerdem auch bei den Leistungserbringern, nicht nur bei den Kassen.
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