Digitalpolitiker besucht Apotheke

EUDI-Wallet: Chance für die Apotheken?

, Uhr
Berlin -

Das European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet) könne zum „Gamechanger“ für Apotheken werden, davon ist der Bundestagsabgeordnete Dr. Markus Reichel (CDU) überzeugt. Bei einem Besuch in der Knut Apotheke von Apotheker Michael Gäbe in Dresden machte sich der Politiker vor Ort ein Bild. Im Gespräch seien unter anderem die Telematikinfrastruktur (TI), der Stand der Digitalisierung in den Apotheken und die zukünftig nötigen Verbesserungen besprochen worden.

Gerade im Punkt Digitalisierung habe sich der Abgeordnete sehr gut ausgekannt, erklärte Gäbe nach dem etwa einstündigen Besuch. Laut Gäbe existieren insbesondere zwei zentrale Herausforderungen im Umgang mit der Telematikinfrastruktur (TI): „Die derzeitigen TI-Systeme entsprechen nicht den Ansprüchen, die Heilberufler für ihre Arbeit vor Ort haben“, erklärte er. So wäre beispielsweise das Kommunikationssystem KIM zwar „super sicher“, biete aber kaum mehr Austauschmöglichkeiten als ein Faxgerät. „Das löst keine strukturellen Kommunikationsprobleme“, kritisierte er.

Die Apotheke vor Ort brauche stattdessen eine Möglichkeit zum strukturellen, patientenbezogenen Austausch „wie einen Chat, den alle relevanten Stellen einsehen könnten“. Darüber müsse auch der Behandlungsstand vermerkt sein – und zwar so, dass alle wichtigen Stellen informiert seien und Dopplungen oder unnötige Rückfragen vermeiden könnten.

Zwar verspreche die Politik, dass die elektronische Patientenakte (ePA) später einmal so funktionieren solle, doch sei sie gerade noch nicht auf diesem Stand. Auch die Unzuverlässigkeit des E-Rezepts stelle eine Belastung für die Branche dar.

Chancen durch EUDI-Wallet

Das Kernthema im Rahmen der Digitalisierung sei allerdings das EUDI-Wallet gewesen. Mit diesem könnten Patientinnen und Patienten beispielsweise einzelne Zustimmungen erteilen. Die Apotheke könne die Berechtigung in Sekunden prüfen. So könnten beispielsweise Pflegekräfte und Angehörige Botendienste und die Heimversorgung besser organisieren, und Apotheken würden die Abgabe- und Lieferlogistik beschleunigen. „Das EUDI-Wallet würde beispielsweise auch die Einlösung des E-Rezepts durch Pflegekräfte ermöglichen“, erklärte Gäbe.

Aktuell sei die Versorgung von Pflegeheimen immer noch ein logistischer Aufwand, bei dem Gesundheitskarten „hin und her“ gefahren werden müssten. Reichel wolle sich dafür einsetzen, einen rechtssicheren Rahmen für das EUDI-Wallet zu schaffen.

Prävention und Honorar

Auch allgemeine Probleme der Branche seien während des Besuchs zur Sprache gekommen. „Mir war es wichtig, neben dem Honorar auch aufzuzeigen, welchen Mehrwert die inhabergeführte Apotheke alles leistet“, erklärte der Apotheker. „Viele Politiker erleben die Apotheken nur, wenn sie ein Rezept einlösen oder sich beispielsweise Aspirin holen.“ Es fehle die Klarheit über die Leistungen, die Apotheken erbringen. Die Offizin dürfe nicht nur als reine Abgabestelle für Medikamente gesehen werden. „Die Apotheken sind eine unverzichtbare primäre Anlaufstelle für Patienten und ein essenzieller Partner in der Gesundheitsversorgung“, betonte er.

„Auch heute schon sparen Apotheken dem System einiges ein“, erklärte Gäbe. Zum Beispiel in der Pflegeversorgung, indem durch Medikationsanalysen und Wechselwirkungschecks sogar Krankenhauseinweisungen verhindert werden könnten. In Zukunft könnte die Branche das Gesundheitssystem noch stärker durch Präventionsleistungen, pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) und als niedrigschwellige Anlaufstelle fürs Impfen entlasten.

Gäbe kritisiert auch die fehlende Honoraranpassung. Er betonte zudem die wachsende Konkurrenz durch ausländische Versender und hob im Gespräch hervor, dass in einem Großteil der EU kein Rx-Versandhandel existieren würde.

„Digitalisierung ist kein Selbstzweck“

Was in der Apotheke bereits ablaufe, sei beeindruckend, so der Politiker: „Digital gesteuerte Warenprozesse, sichere Anbindung an die Telematikinfrastruktur, E-Rezept-Abläufe ohne Papier, transparente Kommunikation mit Arztpraxen und Pflege. Ergebnis: weniger Wartezeit, weniger Fehlerquellen, mehr Zeit für Beratung am Menschen“, postete Reichel nach dem Apothekenbesuch auf LinkedIn.

Besonders hätten ihn im Gespräch die Anwendungsmöglichkeiten des EUDI-Wallets interessiert. „Sie kann zum Gamechanger für Apotheken werden – gerade dann, wenn Dritte (Angehörige, Pflegedienste, Betreuer) Rezepte rechts- und datensicher einlösen sollen“, so Reichel.

Das EUDI-Wallet ermögliche digitale Vollmachten und Delegationen, die in Apotheken schnell und papierfrei geprüft werden könnten. Das entspreche auch einem hohen Sicherheitsschutz durch starke Identitätsprüfung und schütze vor Missbrauch sowie entlaste das Personal. Ein weiterer Vorteil sei die Nachvollziehbarkeit. „Jede Einlösung ist mit Einwilligung und Rolle verknüpft – transparent, revisionsfähig, DSGVO-konform“, erklärt Reichel.

Klare Rechtsgrundlagen

Politisch brauche es im nächsten Schritt klare Rechtsgrundlagen für die digitale Vertretung bei Rezepteinlösungen. Außerdem bundesweit einheitliche, standardisierte Schnittstellen zwischen EUDI-Wallet, E-Rezept, TI/KIM und Warenwirtschaft, damit alles „out of the box“ zusammenspiele. Auch Offline- und Fallback-Konzepte müssten erarbeitet werden, damit die Versorgung auch ohne stabile Verbindung sicher bleibe.

Zudem müssten Schulung und Support für Teams in Apotheke, Pflege und Praxen – mit Fokus auf Datenschutz und Bedienbarkeit – angeboten werden. „Und zu guter letzt: eine Pilotierung in der Fläche; die Landeshauptstadt Dresden bietet sich mit starken mittelständischen Strukturen und engagierten Apotheken an“, so der Abgeordnete.

„Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wenn sie so umgesetzt wird wie in der Knut Apotheke, schafft sie spürbare Entlastung und mehr Qualität in der Versorgung“, resümierte Reichel. Die Anliegen und konkreten Hürden wolle er mit nach Berlin nehmen, versicherte er.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
„Nur 5 Prozent pharmazeutisches Personal“
Wirtschaftsrat: Apothekerinnen kontern Redcare-CEO
Ausgaben wachsen schneller als Einnahmen
GKV-Statistik: Kassen mit Überschuss, aber ...
Mehr aus Ressort
Anrufung des Vermittlungsausschusses
Spar-Paket-Stopp gefährdet GKV-Entlastung