Die Erkältungs- und Infektionszeit kommt. Und da dürfte auch der Bedarf an Medikamenten wieder deutlich anziehen – von Antibiotika bis zu Fiebersäften für Kinder. Die Apothekerschaft beklagt erneut unzureichende Vorkehrungen gegen Lieferengpässe, wenn Patienten bestimmte Präparate benötigen. Die zuständigen Behörden sehen für den Herbst und Winter aber eine insgesamt stabile Situation, Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) beruhigt. Doch Unsicherheitsfaktoren bleiben.
Warken sagte der dpa: „Ich kann die Sorgen der Menschen verstehen, angesichts der Situation in den vergangenen Jahren. Aber ich kann beruhigen: Die Versorgung mit Arzneimitteln ist gewährleistet.“ Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte mit, vor dem Hintergrund der vorliegenden Meldungen und Daten könne aktuell auch für den kommenden Herbst/Winter von einer stabilen Lage ausgegangen werden.
Nach amtlichen Daten gibt es derzeit gut 530 Lieferengpassmeldungen. Von Engpässen betroffen sind in der Regel Generika, wie ein BfArM-Sprecher erläuterte, und damit gebe es in der Regel Alternativen, die meist auch lieferbar sind.
Für die Infektionssaison sei davon auszugehen, dass die Versorgung mit Fiebersäften gewährleistet ist, teilte das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit. Bei Antibiotika gibt es demnach weiter eine angespannte Liefersituation bei den Wirkstoffen Cefuroxim, Clindamycin, Cotrimoxazol und Erythromycin – ebenso bei bestimmten Mitteln für Asthma, für Herzinfarkte oder starke Schmerzen. Das Ministerium stellte dazu jeweils einen Versorgungsmangel fest, was mehr Importe ermöglicht – und betont, die Entwicklung werde engmaschig verfolgt.
Ates Gürpinar, Sprecher für Gesundheitsökonomie der Fraktion Die Linke im Bundestag, sieht Warkens Aussagen kritisch: „Es ist eher ein Pfeifen im Walde, wenn die Gesundheitsministerin Warken meint, es gebe keinen Grund zur Sorge vor Engpässen insbesondere bei Kinderarzneimitteln. Die Bemühungen, Engpässe in der Pharmaindustrie zu vermeiden, waren und bleiben verfehlt: Statt die Herstellung von Arzneimitteln am Gemeinwohl auszurichten, bekommen Großkonzerne noch mehr Geld hinterhergeworfen und erzielen auf Kosten der Versichertengemeinschaft immer höhere Gewinne. Das kann besorgte Eltern nicht beruhigen und dreht außerdem weiter an der Preisspirale im Gesundheitsbereich. Erschreckend, dass die Ministerin hier außer warmen Worten nichts zu bieten hat.“
Abda-Präsident Thomas Preis bemängelte erst am vergangenen Sonntag in der „Bild“: „Auch in diesen Winter gehen wir sehr schlecht vorbereitet.“ Lieferengpässe seien „ein Dauerthema“ geworden. Dabei sorgt es bei Patienten für Frust, wenn sie ein Präparat in einer Apotheke nicht bekommen und dann womöglich noch andere danach abklappern. Für die Apotheken selbst bringt es mehr Aufwand, Alternativen zu suchen. Woche für Woche koste das 20 Stunden, kritisierte Preis. Honoriert werde das nicht. Warken plant künftig erleichterte Austauschregeln, wie sie in ihren Eckpunkten für eine Apothekenreform am Dienstag auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) erläuterte.
Pro Generika monierte, nötige Anreize für Investitionen in eine stabile und europäisch verankerte Produktion fehlten weiterhin. Auf Basis des Lieferengpassgesetz (ALBVVG) von 2023 habe kein Unternehmen auch nur einen Euro in den Ausbau von Antibiotika-Werken stecken können, sagte Geschäftsführer Bork Bretthauer. Auch die Regelung zur Vorratshaltung sei kontraproduktiv und eine erhebliche zusätzliche Belastung – sowohl logistisch als auch finanziell.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen betont, die reguläre Versorgung mit Arzneimitteln funktioniere. „Lieferengpässe bleiben die Ausnahme“, sagte die stellvertretende Verbandschefin Stefanie Stoff-Ahnis. Um im Sinne der Patientenversorgung besser reagieren zu können, brauche es aber „ein richtiges Frühwarnsystem“. Das sei die zentrale Komponente, um Engpässe rechtzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
APOTHEKE ADHOC Debatte