„Ich habe in den letzten Jahren immer wieder Verfahren gehabt, wo ich sehe, dass wir mit den bestehenden Strukturen nicht weiterkommen“, erklärt Jörg Nolten, Inhaber der Glocken-Apotheke in Bottrop. Er hat deshalb einen Antrag für die nächste Kammerversammlung eingereicht, der vorsieht, dass die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) aus der Abda austreten soll. Er betont, dass trotz der klaren Botschaft im Koalitionsvertrag im Hinblick auf das Honorar keine Fortschritte erzielt worden seien. Man habe zwar die Pferde ausgetauscht, aber das Konstrukt sei immer noch dasselbe.
Seit 20 Jahren sei das Honorar bereits nicht mehr angepasst worden. Trotz der klaren Botschaft im Koalitionsvertrag sei man im Hinblick auf das Honorar heute auch nicht weiter als vor einem Jahr. Er sehe mit den aktuellen Strukturen auch zukünftig wenig Hoffnung.
Nolten betont, dass sein Antrag in keinster Weise als Rachefeldzug zu verstehen sei. „Ich sehe inhaltliche Probleme und möchte diese inhaltlich bewertet wissen“, erklärt er. Der Antrag sei eine Chance für die politische Debatte – ob er durchkomme oder nicht, spiele nicht die Rolle. Seine Haltung fasst er auch im Hinblick auf seinen Pharmazie studierenden Sohn zusammen: „Was soll ich meinem Sohn hinterlassen? Dass ich weggeguckt habe?“
Die Standesvertretung würde zentrale Dinge nicht bearbeiten und Chancen verschenken. Dabei stört den Apotheker auch die Vielzahl der Organisationen und die nicht geregelten Zuständigkeiten. „Jeder beschäftigt sich mit allem“, kritisiert er. Es brauche mehr Freiheiten und weniger Überschneidungen. „Alles, was wir machen, machen wir untereinander aus.“
Ein Beispiel seien die Streiks im vergangenen Jahr. Der Landesapothekerverband Hessen (LAV) rufe zum Streik auf, die Kammer sei dagegen. Was wäre denn, wenn die Kammer tatsächlich gegen Streikvorhaben klagen würde? Dann müsste ein Gericht die Verhältnismäßigkeit prüfen. Diese Kleinteiligkeit und Überschneidungen gebe es bei anderen Berufsständen nicht. Er vergleicht die Situation: „Wenn die Kassenärztliche Bundesvereinigung zum Streik aufruft, dann ist die Bundesärztekammer da raus.“
Als weiteres Beispiel nennt er die Mounjaro-Fälschung. Wenn am Freitagnachmittag ein Patient mit einer Verordnung ohne grobe offensichtliche Fehler auftauche, bestehe aus seiner Sicht Kontrahierungszwang. Man könne dort nicht prüfen, ob der Patient tatsächlich existiere, oder vorsichtshalber noch bis Montag oder Dienstag mit der Belieferung warten. Retaxationen gebe es in der Fläche – bundesweit. Dennoch werde die Abda nicht aktiv, um für eine bundeseinheitliche Bewertung zu sorgen.
Nolten schildert auch einen persönlichen Fall, der die vertane Chance der Standesvertretung aufzeige: Vor Jahren sei er wegen eines ärztlichen Kunstfehlers ausgefallen. Er habe im anschließenden Verfahren Recht bekommen, und alle ihm durch den Ausfall entstandenen Kosten seien ihm zugesprochen worden – außer die Kosten für die Vertretung in dieser Zeit. Die Entscheidung gründete wohl auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Erstattung des Verdienstausfalls Selbstständiger, erklärt er.
Dagegen habe er in Teilen weiter vorgehen wollen, denn im Gegensatz zu anderen selbstständigen Berufen wie Rechtsanwälten oder Steuerberatern hätten Apotheken eine Dienstverpflichtung. So habe er wenigstens die Kosten für die Vertretung im Notdienst zurückerhalten wollen. Mit dem Verfahren hätte man auch Wertigkeit in den Beruf bringen können – mit einem Stundensatz für den Notdienst, argumentiert der Apotheker. Denn Apotheker seien „keine Selbstständigen im klassischen Sinne“.
Ihm wurde vom Landgericht geraten, die Dienstvorschrift beim Oberlandesgericht (OLG) in Münster prüfen zu lassen. Er habe die Abda informiert und eine Beiladung geschickt, weil ein berufsständisches Interesse bestehe. Die Abda habe sich nicht einmal zurückgemeldet. Für ihn sei dies ein weiteres Beispiel einer vertanen Chance der Standesvertretung.
Außerdem vermisse er Anpassung und Veränderung der Strukturen an die veränderte Apothekenlandschaft. So hätten sich Beschäftigungsstrukturen geändert: Früher habe man den Apotheker in der Apotheke gehabt, heute seien dagegen viele angestellt – doch diese strukturellen Veränderungen hätten nicht zu einer Änderung im Abda-Konstrukt geführt.
Er betont abschließend die Verantwortung der Funktionäre: „Sie sind gewählt, um für den Berufsstand da draußen was zu erreichen. Auch die Apotheken, denen das Wasser bis zum Hals steht, brauchen eine Vertretung“, fügt er an.