Kinder massiv von psychischen Problemen betroffen

DAK fordert neues Schulfach

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Berlin -

Deutschlands Schulkinder sind massiv von psychischen Problemen betroffen: Fast zwei Drittel der Schulkinder der Klassen 5 bis 10 fühlen sich erschöpft, etwa jeder sechste junge Mensch ist traurig oder zeigt andere depressive Symptome. Bei den jugendlichen Mädchen mit niedrigem Sozialstatus sind es sogar über 40 Prozent.Das zeigt aktuelle DAK-Präventionsradar.Als Reaktion auf diese Ergebnisse fordert DAK-Chef Andreas Storm: „Eine deutliche Förderung der Gesundheitskompetenz junger Menschen durch ein Schulfach Gesundheit.“

Eine Befragung von mehr als 26.500 Schüler:innen in 14 Bundesländern zeigt: Die Gesundheitskompetenz von Kindern im Schulalter ist in Deutschland sehr niedrig. Heißt konkret: 84 Prozent verfügen über keine ausreichende Motivation für gesundheitsbewusstes Verhalten. Das sind die Ergebnissen des DAK-Präventionsradar, für den das IFT-Nord in Kiel im Schuljahr 2024/2025. So berichten Betroffene ohne diese Kompetenz deutlich häufiger von psychosomatischen Beschwerden, depressiven Symptomen und Einsamkeit.

Schulfach für Gesundheitskompetenz

Ein neues Schulfach soll die verheerenden Zustände verbessern. „Es ist erschreckend, wie stark junge Menschen psychisch belastet sind“, sagt Storm. „Unsere Studie zeigt, dass Mädchen und Jungen ohne eine ausgeprägte Gesundheitskompetenz häufiger erschöpft, traurig oder einsam sind. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen.“ Um die Kinder zu stärken und zu schützen, „ist Schule ein wichtiger Ort“, so Storm. „Wir müssen zwingend die Gesundheitskompetenz verbessern.“ Man brauche jetzt ein Schulfach „Gesundheit und Prävention“, um Kinder zu befähigen, im Alltag Entscheidungen für eine gesunde Zukunft zu treffen. „Das Thema duldet keinen Aufschub mehr, jetzt muss gehandelt werden.“

Die Zahlen rütteln auf: „Wir möchten, dass sich etwas ändert. Darum stärken wir Eltern, Pädagogen und Fachkräfte, denn sie können Gesundheitskompetenz vermitteln“, sagt auch Mareike Wulf, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. „Darum bündeln wir gesamtgesellschaftlich alle Kräfte in einer gemeinsamen Allianz gegen Einsamkeit. Darum entwickeln wir gemeinsam eine Strategie ‚Mentale Gesundheit für junge Menschen‘ und bauen auf wirksamen Maßnahmen auf.“

Auswirkungen des sozialen Hintergrunds

Die betroffenen Kinder schaffen es nicht, ausreichend Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. So besitzen nur 16 Prozent eine hohe Kompetenz und fühlen sich befähigt, aktiv Entscheidungen zu treffen und Initiative zu zeigen. „Sie interessieren sich sehr für Gesundheit und sind stark motiviert, ihr Wissen etwa über gesundes Essen, ausreichend Schlaf, Sport oder Bewegung zu erweitern“, heißt es im Report. Der soziale Hintergrund wirke sich hier deutlich aus: „Bei Schulkindern aus Familien mit einem niedrigen Sozialstatus sind es mit 12 Prozent noch weniger Jungen und Mädchen, die über eine hohe Gesundheitskompetenz verfügen.“

Der Report zeigt: Unter allen befragten Mädchen und Jungen sind psychosomatische Beschwerden stark verbreitet. So leiden 65 Prozent mindestens wöchentlich unter Erschöpfungszuständen. Hinzu kommt, dass fast ein Drittel der Schulkinder mehrmals pro Woche Schlafprobleme hat und etwa ein Sechstel Kopfschmerzen. Kinder und Jugendliche mit hoher Gesundheitskompetenz berichteten insgesamt seltener über solche Probleme.

Mädchen häufiger betroffen

Alarmierend sei vor allem die Situation der Mädchen: „Mehr als ein Viertel zeigt im Schuljahr 2024/2025 depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit und häufiges Weinen“, so die DAK. Mädchen sind mit 27 Prozent fast viermal so häufig betroffen wie Jungen (7 Prozent). „Das ist für Mädchen der höchste Wert der vergangenen Jahre.“ Am häufigsten berichten Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren mit niedrigem Sozialstatus von Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit – 43 Prozent sind betroffen. Insgesamt geben 18 Prozent aller Kinder und Jugendlichen solche Gefühle an, was 50 Prozent mehr sind als bei Gleichaltrigen mit hoher Kompetenz (12 Prozent).

Einsamkeit ist ebenfalls ein Problem: „41 Prozent der Schülerinnen fühlen sich oft allein und haben das Gefühl, keine Freunde zu haben“, heißt es in dem Bericht. Bei den Jungen seien es zum Vergleich 25 Prozent. Auch hier zeige sich wieder die Bedeutung der Gesundheitskompetenz: „Jungen und Mädchen mit hoher Gesundheitskompetenz haben seltener das Gefühl von Einsamkeit als weniger kompetente Schulgefährten (28 Prozent versus 34 Prozent).“

Frühe Warnsignale

Die vorliegenden Ergebnisse würden eine signifikante Belastung von Kindern und Jugendlichen durch emotionale Probleme und depressive Symptome verdeutlichen, erklärt Professor Reiner Hanewinkel als Studienleiter des DAK-Präventionsradar beim IFT-Nord in Kiel. „Sie können als frühe Warnsignale für Überforderung, Stress oder unerkannte psychische Erkrankungen dienen.“ Laut ihm gelte Gesundheitskompetenz als eine wichtige Voraussetzung, um mit psychischen und körperlichen Herausforderungen selbstbestimmt und gesund umzugehen.

„Kinder und Jugendliche sollten motiviert und in der Lage sein, sich gesundheitsbewusst zu verhalten und Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen“, sagt er. „Gesundheitskompetenz ist ein wichtiger Baustein in der Entwicklung junger Menschen – fehlt er, steigt das Risiko für langfristige gesundheitliche Probleme.“ Die Schule spiele dabei eine zentrale Rolle, „denn als alltäglicher Lebens- und Lernort bietet sie zahlreiche Gelegenheiten, Gesundheitskompetenz frühzeitig zu fördern“, so der Experte.

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