Interview Barmer GEK

„Ausschreibung bringt Qualität und Geld“

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Ausschreibungen im Bereich der Zytorezepturen sind umstritten. Die Kassen hoffen auf hohe Einsparungen, die Apotheken warnen vor Marktkonzentration und Qualitätseinbußen. Mit der Barmer GEK hat die erste bundesweite Kasse entsprechende Verträge ausgeschrieben. Nach einem Test in Nordrhein-Westfalen soll es schon bald eine deutschlandweite Ausschreibung geben. Der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub, sprach mit APOTHEKE ADHOC über den Wettbewerb zwischen Apotheken, die Bedeutung des besten Preises und die Grenzen der Industrialisierung bei Rezepturen.

ADHOC: Bei Generika-Ausschreibungen hat sich die Barmer GEK lange zurück gehalten, bei der Zytostatika-Ausschreibung preschen Sie vor. Was ist der Grund?
STRAUB: Von Vorpreschen kann keine Rede sein, hier hat eine andere Kasse bereits mehr Erfahrungen als wir. Zudem haben wir auf der Suche nach einer vertraglichen Lösung im Vorfeld sehr lange, am Ende aber erfolglos Verhandlungen mit dem Verband der zytostatikaherstellenden Apotheker geführt. Wir sind ein innovatives Unternehmen und haben als Marktführer oft eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Vertragsstrukturen.

ADHOC: Was erwarten Sie von der Ausschreibung?
STRAUB: Wir brauchen einen fairen Preis- und Qualitätswettbewerb - auf Kassen wie auf Anbieterseite. Auch bei der aktuell laufenden Zytostatika-Ausschreibung geht es uns um eine bestmögliche Versorgung unserer Versicherten zu wirtschaftlichen Preisen. Natürlich ist dies auch immer ein Lernprozess. Wir starten mit der jetzigen Ausschreibung in drei Regionen und werden den Prozess und das Ergebnis sehr genau analysieren. Danach entscheiden wir alles weitere.

ADHOC: Welche Anforderungen müssen Apotheken erfüllen?
STRAUB: Wir werden ausschließlich Apotheken auswählen, die die hohen Qualitätsstandards erfüllen und die fachgerechte und rechtzeitige Auslieferung an die Arztpraxis innerhalb der vereinbarten Frist gewährleisten. Mit der Ausschreibung erschließen wir somit nicht nur Wirtschaftlichkeitspotenziale. Wir erreichen auch einen einheitlichen Versorgungsstandard, ohne dass den Ärzten organisatorische Nachteile entstehen. Insgesamt bringt das neue Verfahren mehr Transparenz in die Versorgungsstrukturen, von der alle Beteiligten profitieren.

ADHOC: Kann ein Anbieter bei der Barmer GEK-Ausschreibung alle Lose gewinnen?
STRAUB: Ein Anbieter oder auch eine Bietergemeinschaft kann Angebote für ein Los, mehrere oder auch alle Lose abgeben. Eine Obergrenze für die Zuschläge gibt es nicht.


ADHOC: Inwiefern ist eine Industrialisierung möglich und wünschenswert?
STRAUB: Die Industrialisierung hat unweigerlich auch im Berufsfeld der Apotheker Einzug gehalten. Die Hersteller von Fertigarzneimitteln sind nicht selten aus Apotheken hervorgegangen. Rezepturen sind und bleiben hiervon aber ausgenommen, da sie individuell für einen Patienten verordnet werden und es keine Alternativen im Fertigarzneimittelsegment gibt. Diese Tätigkeiten gehören zu den originären Aufgaben des Apothekers. Ich kann mir auch schwerlich vorstellen, dass sich daran etwas ändert.

ADHOC: Trotzdem drängen Private-Equity-Unternehmen in den Markt. Was bedeutet das?
STRAUB: Das ist zunächst ein weiterer Hinweis darauf, dass es in diesem Bereich tatsächlich noch erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven gibt. Private-Equity-Unternehmen tummeln sich üblicherweise in Segmenten, in denen Geld zu verdienen ist. Die Apotheker müssen feststellen, dass auch sie sich zunehmend in einem Wettbewerbsumfeld befinden, dessen Marktanteile umkämpft sind. Konkurrenz ist aber grundsätzlich die Triebfeder für einen vernünftigen Preis- und Qualitätswettbewerb. Wir werden selbstverständlich im Sinne unserer Versicherten darauf achten, dass die Qualität dabei im Vordergrund steht.

ADHOC: Wie kann die Qualität abgebildet werden?
STRAUB: Die Ausschreibungsgewinner sind verpflichtet, die Leitlinien zur Qualitätssicherung der Bundesapothekerkammer zum Umgang mit Zytostatika zu berücksichtigen, inklusive der dazugehörigen Kommentare der ABDA. Wir haben zudem festgeschrieben, dass die Apotheke im medizinischen Ausnahmefall die Abstimmung, Herstellung und Lieferung der anwendungsfertigen Zubereitung in die Betriebsstätte innerhalb von zwei Stunden sicherstellen muss. Sicher ist dies heute bereits Standard. Erstmals wird dies nun aber auch vertraglich und somit verbindlich für Versicherte der Barmer GEK festgeschrieben.

ADHOC: Ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium?
STRAUB: Die Gebote müssen alle in unseren Vertragsbedingungen und unserer Leistungsbeschreibung formulierten Qualitätskriterien erfüllen, um am Auswahlverfahren teilnehmen zu können. Anbieter, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden nicht zugelassen. Sind alle Voraussetzungen erfüllt, entscheidet das niedrigste Gesamtlosangebot über den Zuschlag.

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