Östrogen wird umgewandelt

Testosteron: Je mehr Fettgewebe, desto größer der Mangel

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Berlin -

Testosteron erfährt aktuell einen regelrechten Hype – auch in den sozialen Medien. Das zeigt auch der drastische Anstieg an Verordnungen, die zunehmend auch Off-Label zum Einsatz kommen. Frauen sind hier nicht ausgenommen: Vor allem in den USA berichten menopausale Anwenderinnen, dass das Hormon wahre Wunder wirke. Ein Mangel steht eng in Verbindung mit dem Körperfettanteil. Wie lässt sich der Testosteron-Haushalt wieder in Schwung bringen? Ein Überblick.

Das Sexualhormon kommt zwar bei Männern und Frauen vor, es wirkt aber in unterschiedlicher Konzentration und Art und Weise. Während Testosteron beim Mann eher anabol, sprich aufbauend wirkt und so für Muskelmasse, Körperbehaarung und die Spermienproduktion sorgt, beeinflusst es bei der Frau eher die Stimmung, den Energiestoffwechsel und den Menstruationszyklus.

Frauen produzieren deutlich weniger Testosteron als Männer. Der Spiegel sinkt kontinuierlich, beginnend im jungen Erwachsenenalter. Ein Mangel macht sich bei beiden Geschlechtern durch Antriebslosigkeit und Muskelabbau bemerkbar. Um sich wieder vitaler und sexuell erfüllter zu fühlen, propagieren Influencer:innen in den sozialen Medien die Anwendung.

415 Prozent mehr Testosteron-Verordnungen

Als Anti-Aging-Methode, zur Leistungssteigerung oder bei altersbedingtem Libidoverlust erfreuen sich entsprechende Mittel aktuell großer Beliebtheit. Bereits vor zwei Jahren warnte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass Testosteronpräparate nicht zur Lifestyle-Anwendung genutzt werden sollten. Nun zeigen aktuelle Daten: Die Verordnungszahlen haben sich um 415 Prozent gesteigert. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schlägt Alarm und sieht einen Hinweis auf eine vermehrte Off-Label-Nutzung.

Testosteron wird zu Östrogen

Dabei haben Studien schon mehrfach belegt, dass ein klarer Zusammenhang zwischen einem erhöhten Körperfettgehalt und einem niedrigen Testosteronspiegel besteht. Zugrunde liegt hierbei eine erhöhte Aromastase-Aktivität. Aromatase – auch bekannt als CYP19A1 – ist ein Enzym, das eine Schlüsselrolle im Steroidhormonstoffwechsel spielt. Seine Hauptfunktion ist die Umsetzung von Testosteron zu Östradiol. Diese Aromatisierung von Androgenen ist der letzte Schritt bei der Biosynthese von Östrogenen.

Das Fettgewebe ist ein bedeutender Ort der Aromatase-Expression und -Aktivität außerhalb der Hoden oder der Eierstöcke. Bei Personen mit erhöhtem Körperfettanteil, insbesondere mit viszeraler Adipositas also vermehrtem Bauchfett, ist die Gesamtmenge des Fettgewebes und damit die Aktivität der Aromatase deutlich erhöht. Dies führt zu einer verstärkten Umwandlung von Testosteron in Östradiol.

Forschungsstand: Testosteronmangel bei Adipositas

Epidemiologische Studien, wie die australische „Obesity and low testosterone: mechanisms, morbidity and management“, belegen einen starken negativen Zusammenhang zwischen dem Body-Mass-Index (BMI), dem Gesamtkörperfettanteil und dem Testosteronspiegel bei Männern. Adipöse Männer leiden signifikant häufiger an Hypogonadismus, wie auch eine aktuelle Analyse aus China mit dem Titel „Percent body fat was negatively correlated with Testosterone levels in male“ unterstreicht.

Auch die neue amerikanische Erhebung „Effects of Weight Loss on Total and Free Testosterone in Overweight and Obese Men“, die eine dauerhafte Gewichtsabnahme (Diät und Bewegung) untersuchte, zeigte konsistent, dass eine Reduktion des Körperfetts zu einem Anstieg der Testosteronspiegel führt, was die Reversibilität des Mechanismus unterstreicht.

Östrogen-Exzess bei Frauen

Das Fettgewebe mit seiner Aromatase-Aktivität ist auch bei Frauen ein entscheidender Störfaktor. Aber anstatt nur einen Testosteronmangel zu verursachen, führt es typischerweise zu einem postmenopausalen Östrogen-Exzess. Dieser ist mit einem erhöhten Risiko für gynäkologische Erkrankungen verbunden.

Testosteron steigern

Der stärkste Effekt lässt sich mit einer Reduktion des Körperfettanteils erzielen. Intensives Krafttraining trägt ebenso dazu bei, das Gleichgewicht zwischen Testosteron und Östrogen wieder herzustellen. Die aufgebaute Muskelmasse kann dazu beitragen, das Körperfett zu reduzieren. Ebenso kann eine Umstellung der Ernährung auf natürliche Weise die Aktivität der Aromatase drosseln. Insbesondere Kreuzblütler, wie Brokkoli, aber auch das Bioflavonoid Chrysin und die Inhaltsstoffe von Beerenfrüchten zählen dazu.

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