Aktuelle Forschung

Kommt die Pille für den Mann doch noch?

, Uhr
Berlin -

Verhütung ist nach wie vor Frauensache – doch das könnte sich bald ändern: Mit YCT-529 wird erstmals ein nicht-hormoneller Wirkstoff für Männer klinisch geprüft, der die Spermienproduktion vorübergehend stoppt. Die Ergebnisse markieren einen möglichen Wendepunkt in der Entwicklung moderner, gerechter Verhütungsmethoden.

In der Regel tragen Frauen die Verantwortung für die Verhütung. Viele Methoden bedeuten erhebliche körperliche und psychische Belastungen – von Thromboserisiken bis zu Libidoverlust. Für Männer gibt es bislang kaum Verhütungsmittel, eine Pille für den Mann existiert nicht.

Erst seit 2022 kommt wieder Bewegung in die Entwicklung von Kontrazeptiva für Männer: Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten an neuen nicht-hormonellen Ansätzen und bringen sie in klinische Prüfungen. Auch die US-Arzneimittelbehörde FDA genehmigt wieder vermehrt First-in-Human-Studien zu reversiblen Wirkstoffen – so viele wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr.

Reversible Unfruchtbarkeit durch RAR-α

Eines dieser Projekte ist der Wirkstoffkandidat YCT-529. Der oral einzunehmende, nicht-hormonelle Wirkstoff blockiert gezielt den Retinsäure-Rezeptor-α (RAR-α). Dieser ist ein Schlüsselmolekül im Vitamin-A-Stoffwechsel der Hoden. Wird der Signalweg gehemmt, kommt die Spermienproduktion vorübergehend zum Erliegen – ohne den Hormonhaushalt zu beeinflussen.

In Tierversuchen an Mäusen und nicht-menschlichen Primaten führte die Blockade von RAR-α zu einer reversiblen Unfruchtbarkeit. Nach Absetzen der Behandlung normalisierte sich die Spermienzahl vollständig. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde YCT-529 erstmals am Menschen getestet.

Pille für den Mann nur alle zwei bis drei Tage

In einer doppelblinden, randomisierten und placebokontrollierten Phase-1a-Studie erhielten 16 gesunde, vasektomierte Männer im Alter zwischen 32 und 59 Jahren Einzeldosen von 10 bis 180 Milligramm YCT-529.

Die Wahl vasektomierter Teilnehmer diente dazu, das Risiko unbeabsichtigter Schwangerschaften auszuschließen, da in dieser frühen Studienphase ausschließlich Sicherheit und Verträglichkeit geprüft wurden, nicht die kontrazeptive Wirkung – ein entscheidender Schritt, weil frühere Wirkstoffkandidaten zwar wirksam, aber aufgrund schwerer Nebenwirkungen nicht weiterentwickelt worden waren.

Der Wirkstoffkandidat wurde in allen Dosierungen gut vertragen; Hormonspiegel, Stimmung und Sexualtrieb blieben stabil. Schwere Nebenwirkungen traten nicht auf, lediglich ein asymptomatischer Fall von leichter Arrhythmie wurde als möglicherweise arzneibedingt bewertet. Die mittlere Halbwertszeit lag bei 51 bis 76 Stunden, was theoretisch eine Einnahme alle zwei bis drei Tage erlauben würde.

Die Forschenden begründen ihre Arbeit mit dem Mangel an sicheren und reversiblen Optionen für Männer. Frühere Ansätze mit Substanzen wie Bis(dichloracetyl)-Diaminen oder Gossypol seien wegen schwerer Nebenwirkungen eingestellt worden. „Nach einer rund ein halbes Jahrhundert währenden Pause in der Entwicklung nicht-hormoneller männlicher Kontrazeptiva wird YCT-529 gezielt als orale, nicht-hormonelle Verhütung für Männer entwickelt.“

Eine Folgestudie untersucht derzeit, ob eine längere Einnahme die Spermienzahl tatsächlich verringert.

Weitere Wirkstoffansätze in der Pipeline

Parallel dazu werden weitere Ansätze geprüft. Ein hormonelles Kombigel aus Testosteron und Segesteronacetat erreichte in Phase-2-Studien 2024 eine schnelle und zuverlässige Unterdrückung der Spermienproduktion.

Das US-Start-up Contraline testet ein injizierbares Hydrogel, das den Samenleiter blockiert und bis zu zwei Jahre wirksam sein könnte. Erste Daten aus einer laufenden Phase-1-Studie deuten auf ein gutes Sicherheitsprofil hin.

Ebenfalls in präklinischer Entwicklung befinden sich sogenannte On-Demand-Wirkstoffe, die die Beweglichkeit der Spermien kurzfristig hemmen, sowie epigenetische Modulatoren , die die Spermatogenese vorübergehend stoppen – reversibel und ohne Einfluss auf den Testosteronspiegel.

Die Studie mit dem Titel „Safety and pharmacokinetics of the non-hormonal male contraceptive YCT-529“ wurde von der Arbeitsgruppe YourChoice Therapeutics in Zusammenarbeit mit Quotient Sciences in Nottingham durchgeführt und 2025 im Fachjournal Communications Medicine (Nature Portfolio) veröffentlicht.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte