Im Alltag zeigen sich häufig Zusammenhänge zwischen Hunger, Energieempfinden und Stimmung. Vor diesem Hintergrund untersuchten Forschende aus Bonn und Tübingen, ob Schwankungen des Blutzuckers die Stimmung direkt beeinflussen – oder ob dieser Zusammenhang über das bewusste Erleben des eigenen metabolischen Zustands vermittelt wird.
In die Untersuchung wurden 90 gesunde Erwachsene einbezogen, darunter 46 Frauen und 44 Männer. Über vier Wochen trugen die Teilnehmenden kontinuierliche Glukosesensoren (Continuous Glucose Monitoring, CGM) und beantworteten mehrfach täglich über eine Smartphone-App Fragen zu ihrem momentanen Hunger, ihrer Sättigung und ihrer Stimmung (Ecological Momentary Assessment, EMA). Im Mittel ergaben sich rund 48 Bewertungen pro Person.
Das Ergebnis: „Wenn der Glukosewert sinkt, verschlechtert sich auch die Stimmung“, erklärt Erstautorin Dr. Kristin Kaduk, Postdoktorandin an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen. „Aber dieser Effekt entsteht nur, weil die Menschen sich dann auch hungriger fühlen.“
Niedrigere Glukosewerte waren mit einem schlechter wahrgenommenen metabolischen Zustand verknüpft, der wiederum eng mit der Stimmung zusammenhing. Der statistische Zusammenhang zwischen Glukosespiegel und Stimmung ließ sich vollständig über die subjektive Wahrnehmung des metabolischen Zustands erklären. Körperliche Parameter wie Body-Mass-Index oder Insulinresistenz spielten dabei keine Rolle.
Laut den Forschenden liefert die Studie damit neue Evidenz für die Bedeutung der sogenannten Interozeption – der bewussten Wahrnehmung innerer Körperzustände – bei der Regulation von Emotionen. Personen, die Veränderungen ihres Glukosespiegels besonders genau wahrnahmen, zeigten zudem weniger Stimmungsschwankungen.
„Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass das bewusste Spüren des eigenen Körpers eine Art Puffer für die Stimmung sein kann“, ergänzt Korrespondenzautor Professor Nils Kroemer. „Ein gutes Gespür für körpereigene Signale scheint dabei zu helfen, emotionale Stabilität zu bewahren – selbst wenn der Energiehaushalt schwankt.“
Die Befunde deuten laut der Wissenschaftler:innen darauf hin, dass Stimmungsschwankungen im Zusammenhang mit Hunger oder Glukoseschwankungen nicht primär durch biochemische Prozesse, sondern über die bewusste Wahrnehmung des eigenen Körpers vermittelt werden. Die Forschenden erkennen darin eine wichtige Grundlage für künftige Untersuchungen bei Patientinnen und Patienten mit Stoffwechsel- oder psychischen Störungen.
„Viele Erkrankungen wie Depression oder Adipositas gehen mit veränderten Stoffwechselprozessen einher“, erläutert Kroemer. „Ein besseres Verständnis dafür, wie Körperwahrnehmung und Stimmung zusammenhängen, kann langfristig helfen, Therapieansätze zu verbessern – etwa durch gezieltes Training der Interozeption oder nicht-invasive Stimulation des Vagusnervs, der die Organe mit dem Gehirn verbindet und die Interozeption beeinflusst.“
An der Studie „Glucose levels are associated with mood, but the association is mediated by ratings of metabolic state“ waren neben dem Universitätsklinikum Bonn, der Universität Bonn und dem Universitätsklinikum Tübingen auch das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) sowie das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD). Gefördert wurde die Erhebung von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG).
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