Null Prävention durch moderates Trinken

Alkohol schützt nicht vor Demenz

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Berlin -

Neuste Forschung zeigt: Alkohol schützt das Gehirn nicht vor Demenz – selbst kleine Mengen erhöhen das Risiko. Beobachtungsdaten ließen zunächst einen Vorteil leichten Trinkens vermuten, doch genetische Analysen widerlegen diesen Effekt eindeutig. Jede Form von Alkoholkonsum kann das Demenzrisiko steigern, unabhängig von Alter oder Geschlecht.

Die Forschung zu Alkohol und Gehirngesundheit ist voller Widersprüche: Während einige Studien moderaten Alkoholkonsum als potenziell schützend gegen Demenz darstellen, warnen andere vor den schädlichen Auswirkungen selbst kleiner Mengen.

Vor diesem Hintergrund untersuchten Forschende aus Großbritannien und den USA, ob Alkoholkonsum tatsächlich das Risiko für Demenz beeinflusst und ob es eine „sichere“ Trinkmenge gibt, die das Gehirn nicht gefährdet.

Beobachtung trifft Genetik

Für die Untersuchung kombinierten die Forschenden klassische Beobachtungsstudien mit genetischen Analysen. Sie werteten Daten aus zwei großen Kohorten aus – dem US-amerikanischen Million Veteran Programme und dem UK Biobank – und nutzten zusätzlich Mendelsche Randomisierungsanalysen, bei denen genetische Varianten als Instrument dienen, um den kausalen Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Demenzrisiko zu prüfen. Ü

Über mehrere Jahre wurden mehr als eine halbe Million Erwachsene im Alter von 56 bis 72 Jahren beobachtet, in den USA durchschnittlich vier Jahre, in Großbritannien zwölf Jahre. Alkoholkonsum wurde über Selbstauskünfte und standardisierte Screening-Tools erfasst. Für die genetischen Analysen griffen die Forschenden auf Daten von rund 2,4 Millionen Menschen aus internationalen Forschungszusammenarbeiten zurück. Als Endpunkte dienten die Diagnose einer Demenz und genetische Risikoproxys, also Merkmale, die stellvertretend für ein erhöhtes Demenzrisiko stehen.

Alkohol steigert Demenzrisiko

Während der Beobachtungszeit entwickelten 14.540 Teilnehmende eine Demenz, über 48.000 starben. Die Analyse zeigte ein auffälliges Muster: Menschen mit moderatem Alkoholkonsum hatten das niedrigste Demenzrisiko, während sowohl Nichttrinker als auch starke Trinker oder Personen mit einer Alkoholgebrauchsstörung ein erhöhtes Risiko hatten.

Schwertrinker, die mehr als 40 Drinks pro Woche konsumierten, wiesen ein um 41 Prozent höheres Risiko auf, Personen mit einer Alkoholgebrauchsstörung ein um 51 Prozent höheres Risiko im Vergleich zu Leichttrinkern.

Genetische Analysen klärten dieses Bild schließlich auf: Je mehr Alkohol jemand genetisch bedingt konsumierte, desto höher war das Demenzrisiko, selbst geringe Mengen boten keinen Schutz. Ein Anstieg um eine Standardabweichung in der wöchentlichen Trinkmenge war mit 15 Prozent höherem Demenzrisiko verbunden, und eine Verdopplung der Prävalenz von Alkoholgebrauchsstörung erhöhte das Risiko um 16 Prozent.

Sensitivitätsanalysen, die Faktoren wie Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status, Rauchen und posttraumatische Belastung berücksichtigten, bestätigten diese Ergebnisse. Zudem identifizierten die Forschenden genetische Varianten, die das Demenzrisiko beeinflussen

Außerdem zeigten die Daten, dass viele Betroffene vor der Diagnose weniger Alkohol tranken, was den scheinbaren Vorteil moderaten Trinkens in den Beobachtungsdaten erklären könnte.

Jeder Schluck Alkohol zählt

Die Studienergebnisse legen nahe, dass jeglicher Alkoholkonsum das Demenzrisiko erhöhen kann. Dies hat wichtige öffentliche Gesundheitsimplikationen, da die Reduktion von Alkoholgebrauchsstörungen die Demenzrate potenziell um bis zu 16 Prozent senken könnte.

Künftige Forschung sollte die Mechanismen der alkoholbedingten neurodegenerativen Schäden genauer untersuchen und Präventionsstrategien entwickeln. „Die Ergebnisse liefern Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen allen Formen des Alkoholkonsums und einem erhöhten Demenzrisiko“, betonen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler abschließend.

„Während Beobachtungsdaten eine schützende Wirkung leichten Trinkens suggerierten, könnte dies teilweise auf die reduzierte Trinkmenge bei frühem Demenzbeginn zurückzuführen sein; genetische Analysen unterstützten keinen schützenden Effekt.“

Die Studie wurde in den USA und Großbritannien durchgeführt und in BMJ Evidence-Based Medicine veröffentlicht. Ihr Titel lautet „Alcohol use and risk of dementia in diverse populations: evidence from cohort, case–control and Mendelian randomisation approaches“.

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