Verbraucherschützer

Geringere Hemmschwelle bei Versandapotheken

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Berlin -

Versandapotheken haben aus Sicht der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ein Beratungsproblem: Auch ein Jahr nach dem umfangreichen Test sehen die Verbraucherschützer Defizite bei der Arzneimittelsicherheit. Die Versender hätten zu selten ein Auge für drohenden Missbrauch, sagt die Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale, Regina Behrendt.

Im April 2013 hatten die Verbraucherschützer bei 50 Versandapotheken fünf Packungen Betadorm-D (Diphenhydramin) bestellt. Die falsche Kundin hatte in einer Mail zudem eine Abhängigkeit von Schlafmitteln zumindest nahegelegt. Die Bilanz: 90 Prozent der Versender verschickten das Präparat trotzdem, 60 Prozent sogar die komplette Menge. Lediglich 17 Versandapotheken hatten sich telefonisch bei der Kundin gemeldet.

Behrendt war von den Ergebnissen entsetzt: „Dieses Medikament sollte maximal zwei Wochen lang eingenommen werden. Dass davon fünf Packungen gleichzeitig abgegeben werden, geht gar nicht“, so Behrendt. Die Testkäuferin hätte eigentlich überhaupt keine Medikamente erhalten sollen.

Behrendt sieht beim Versandhandel ein strukturelles Problem: „Im Internet sind die Hemmschwellen geringer – und zwar auf beiden Seiten.“ So hätten einige Versandapotheken zwar Höchstbestellmengen. Diese beträfen aber oft nur ein konkretes Präparat, so dass sich ohne Weiteres ein Konkurrenzprodukt mit demselben Wirkstoff bestellen ließe.

In einer Apotheke vor Ort sei dies ohne Nachfrage des Personals kaum denkbar, so Behrendt. Dort hapere die Beratung auch oft, aber gerade in solchen Fällen sei es leichter, beim Kunden nachzuhaken: „Es ist schon ein anderes Setting, wenn man sich gegenübersteht.“

Gerade wegen der geringeren Hemmschwellen müssten Versandapotheken aus Sicht der Verbraucherzentrale auf eine drohende Abhängigkeit besonders achten. „Die Versandapotheken arbeiten daran, haben aber offenbar noch keine technische Lösung gefunden“, sagt die Verbraucherschützerin.

„Wir fordern von Versandapotheken, dass sie die Arzneimittelsicherheit voranstellen, vor allem, wenn der Verdacht auf Missbrauch besteht“, so Behrendt. Bei vielen Anbietern gebe es jedoch Anreize, mehr Arzneimittel als nötig zu bestellen, etwa über die Liefergebühren. Im Test hätten selbst Versender, die nur eine Teilmenge Betadorm-D ausliefern wollten, telefonisch auf Zusatzverkäufe gedrängt.

Grundsätzlich seien Versandapotheken eine gute Alternative als Bezugsweg, solange die Arzneimittelsicherheit gewährleistet sei, so Behrendt. Die Versender müssten aufgrund der gesetzlichen Vorgaben genauso streng beraten wie Apotheken vor Ort. „Das tun sie aus unserer Sicht noch nicht“, so Behrendt.

Mit Blick auf die Preise hatte die Verbraucherzentrale zuletzt noch für Versender geworben: Neben Drogeriemärkten wurden Internetapotheken als Alternative zur Apotheke vor Ort gepriesen, um „bittere Pillen beim Arzneimittelkauf“ zu vermeiden: „Die klassische Apotheke als einzige Bezugsquelle von Tabletten, Salben und Tinkturen hat ausgedient.“

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