Pilzbestimmung

Eingeschlafene Apothekertradition

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Berlin -

Bei Pilzen kann der Apotheker beraten. Das bedeutete früher aber nicht unbedingt, eine Salbe gegen Fußpilz abzugeben: Noch vor wenigen Jahrzehnten war es üblich, den Apotheker zu fragen, ob die im Wald gesammelten Pilze genießbar sind. Dr. Ralph Bültmann, Inhaber der Bergischen Apotheke im nordrhein-westfälischen Radevormwald, lässt die Tradition mit einem Aktionstag aufleben. Dafür holt er eine Expertin in die Offizin.

Bültmann selbst traut sich eine einwandfreie Pilzbestimmung nicht zu. Doch Melanie Schoppe, geprüfte Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM), bot ihm an, einen kleinen Workshop in seiner Apotheke zu veranstalten. Zwischen 10 und 13 Uhr wird sie am Samstag Tipps geben, worauf man beim Pilze sammeln im Wald und auf der Wiese achten sollte.

„Schon in meiner Kindheit habe ich gerne Pilze gesammelt“, erzählt Schoppe. Daher habe sie dann immer wieder Seminare besucht. Irgendwann ergab es sich, dass sie sich zur Sachverständigen weiterbilden ließ; im vergangenen Jahr hat sie schließlich ihre Prüfung bei der DGfM abgelegt. Die Beratung in der Apotheke ist ihre erste öffentliche Veranstaltung. „Öffentliche Aufklärung ist ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit als Pilzsachverständige“, sagt Schoppe.

Dass sie für ihren ersten Vortrag eine Apotheke ausgewählt hat, ist kein Zufall: „Früher war es üblich, mit gesammelten Pilzen zum Apotheker zu gehen, um sie bestimmen zu lassen“, erklärt Schoppe. „Als ich vor etwa 20 Jahren angefangen habe, in der Apotheke zu arbeiten, kamen durchaus öfter Kunden, um ihre Pilze bestimmen zu lassen“, erinnert sich Bültmann. Inzwischen sei das seltener geworden; die Tradition sei etwas eingeschlafen. „Sicher gibt es aber unter den Apothekern noch Hobbypilzesammler, die sich sehr gut auskennen“, meint Schoppe.

Heute übernimmt eine Sachverständige wie Schoppe die einstige Apothekerleistung. Auf der Webseite der DGfM ist eine Liste von Experten veröffentlicht, die nach Postleitzahlen gefiltert werden kann. Mit einem Sachverständigen kann dann ein Termin ausgemacht werden, um eigene Funde bestimmen zu lassen.

In Vorbereitung auf den Vortrag in der Bergischen Apotheke werde sie Frischpilze sammeln und mit Zetteln beschriften. „Im Frühling hat es wenig geregnet, deshalb wachsen die Pilze etwas zögerlicher“, weiß Schoppe. In diesem Jahr sei die Saison erst jetzt richtig gestartet. Sie wisse deshalb noch nicht genau, wie viel sie finden werde. „Ideal wäre es, wenn Besucher auch selbst gesammelte Pilze mitbringen würden; die könnten dann gemeinsam bestimmt werden“, sagt Schoppe.

Denn es besteht hohe Verwechslungsgefahr: „Das ist nicht immer schlimm. Viele halten zum Beispiel Maronen für Steinpilze. Beide sind aber glücklicherweise essbar“, erklärt sie. Anders sehe es aus, wenn statt leckerer Stockschwämmchen Gifthäublinge in der Pfanne landeten. „Darüber hinaus müssen Pilzesammler auch erkennen können, ob ein Pilz schon verdorben ist“, betont Schoppe. Von matschigen Pilzen etwa solle man die Finger lassen. Ebenso wichtig sei die korrekte Zubereitung der Funde: „Viele Speisepilze müssen lange garen, damit sie keine Beschwerden hervorrufen“, warnt sie.

Magen-Darm-Erkrankungen würden bei Pilzvergiftungen besonders häufig auftreten, berichtet Schoppe. „Giftige Pilze enthalten unterschiedliche Gifte. Nicht jeder ist tödlich“, beruhigt sie. So sei der bekannte Fliegenpilz bei weitem nicht so gefährlich wie ein Knollenblätterpilz, an dem in diesem Monat bereits zwei Personen starben. Auch Nieren- oder Lebertransplantationen können in Extremfällen notwendig sein.

Wird eine Pilzvergiftung vermutet, sollte daher schnell gehandelt werden: „Sofort den Notarzt rufen“, sagt Schoppe. Auch die Giftnotrufzentrale sollte hinzugezogen werden. Sie empfiehlt zudem, Reste der Pilzmahlzeit, unter Umständen auch Erbrochenes, mitzunehmen, damit Experten die verzehrte Art bestimmen können. Denn nach der Pilzsorte richte sich auch die anschließende Behandlung. „Die kann teuer werden, wenn zum Beispiel bei Vergiftungen mit dem grünen Knollenblätterpilz oder anderen Amanitinhaltigen Giftpilzen das aus der Mariendistel gewonnene Silibinin zum Einsatz kommt um die Leber zu schützen“, sagt Schoppe.

Trotz der Risiken ermutigt die Expertin Laien dazu, Pilze sammeln zu gehen. „Es macht einfach viel Spaß. Selbstverständlich muss man gut informiert sein. Anfänger können sich auch Pilzlehrwanderungen anschließen“, sagt Schoppe. Dort würden die Funde der Teilnehmer gemeinsam durchgesprochen.

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