Diabetes, Adipositas, Muskelschwund

Gefährliche Mangelernährung: „50.000 Todesfälle sind vermeidbar“

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Berlin -

Mangelernährung bei Übergewicht? Was sich zunächst wie ein Paradoxon anhört, bestätigen Expert:innen der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Mehr noch: 50.000 Todesfälle pro Jahr wären vermeidbar, wenn Menschen mit Adipositas oder Typ‑2‑Diabetes besser versorgt wären.

Eine Mangelernährung tritt nicht nur bei untergewichtigen Menschen auf. Auch ältere Menschen sowie Patientinnen und Patienten mit chronischen oder schweren Erkrankungen, sowie Menschen mit Adipositas oder Typ‑2‑Diabetes, weisen Defizite bezüglich der Nährstoffverteilung auf. Die DGEM macht deutlich: „50.000 Todesfälle pro Jahr wären vermeidbar.“

Muskelmasse wird abgebaut

Mit dem Älterwerden würden die körperlichen Reserven schrumpfen und die Verwundbarkeit nehme zu, erklärt Professor Dr. Jürgen Bauer, Zweiter Vizepräsident der DGEM und Ärztlicher Direktor des Geriatrischen Zentrums der Universitätsklinik Heidelberg. „Wenn Energie und Eiweiß fehlen, baut der Körper Muskelmasse ab.“ Die Folgen seien gravierend: Schwäche, Stürze, Verlust der Selbstständigkeit.

„Allein im Krankenhaus verliert ein älterer Patient innerhalb von drei Tagen bis zu ein Kilogramm Muskelmasse“, betont er. „Das entspricht etwa 4 Steaks – ein Bild, das man nicht vergisst“, so Bauer. „Und es zeigt, wie entscheidend Ernährung für Mobilität, Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter ist.“

Altersarmut verschärft Situation

Einen Gewichtsverlust im Alter sollte man daher nicht unterschätzen, warnt der Experte. „Ein Kilo weniger im Jahr wirkt harmlos – ist es aber nicht . Jede ungewollte Gewichtsabnahme im höheren Alter sollte medizinisch abgeklärt werden.“ Besonders gefährdet seien ältere Menschen mit Appetitverlust, Depression oder sozialer Isolation. „Auch die zunehmende Altersarmut wird die Situation weiter verschärfen“, stellt er klar.

Wie vielfältig die Erscheinungsformen sein können, weiß auch Professorin Dr. Julia Szendrödi, Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG): „Bis zu 30 Prozent der Menschen mit Adipositas oder Typ-2-Diabetes weisen trotz ausreichender Kalorienzufuhr einen ausgeprägten Mikronährstoffmangel auf.“ Man erwarte das nicht. „Aber selbst bei Menschen mit Überernährung fehlen oft Vitamine und Spurenelemente.“

Gezieltes Training bei Diabetes

In der Ernährungstherapie bei Typ-2-Diabetes liege der Fokus häufig auf einer strikten Kalorien- und Kohlenhydratreduktion. „Der Erhalt von Muskelmasse wird zu wenig berücksichtigt. Doch genau das kann gravierende Folgen haben“, betont Szendrödi. Denn. Muskelabbau schwächt den Körper, schränkt die Beweglichkeit ein und verschlechtert die Stoffwechsellage. Gezieltes Muskeltraining sollte in der Diabetesbehandlung verankert sein, betont die Expertin.

„Sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich. Andernfalls droht eine sogenannte sarkopene Adipositas, also ein gleichzeitiges Auftreten von Übergewicht und Muskelschwund.“ Diese verschärfe die Insulinresistenz und fördere die Gebrechlichkeit. „Diese paradoxe Form der Mangelernährung ist ein wachsendes Problem, das wir viel früher erkennen müssen“, so Szendrödi.

50.000 Todesfälle vermeidbar

Der DGEM-Präsident Dr. Gert Bischoff betont die gesundheitspolitische Dimension des Problems: „Wir wissen aus großen Studien, dass durch ein systematisches Screening und eine leitliniengerechte Ernährungstherapie jährlich über 50.000 Todesfälle verhindert werden könnten.“ Mangelernährung sei kein unausweichliches Schicksal, sondern vermeidbar, wenn die Strukturen stimmen.

Die DGEM fordert: „Verbindliche Ernährungsteams in allen Krankenhäusern, ein flächendeckendes Screening bei Aufnahme, eine angemessene Vergütung im ambulanten Bereich sowie die konsequente Umsetzung qualitätsgesicherter Standards. „Nur wenn Ernährung als zentraler Bestandteil der medizinischen Versorgung verstanden und finanziert wird, können wir die Versorgungslücke schließen – im Interesse von Millionen Betroffenen.“

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