Pharmakonzerne

Der umstrittene Bayer-Deal

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Frankfurt/Main/Leverkusen -

Es ist eine historische Übernahme – mit großen Chancen, aber auch mit Risiken und Nebenwirkungen. Bayer rüstet sich für die gewaltigen Umwälzungen beim Geschäft rund um Saatgut und Pflanzenschutzmittel mit dem Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto. Die Gesamtbewertung von Monsanto beträgt 66 Milliarden Dollar (knapp 59 Milliarden Euro). Mit der Übernahme erhöht sich das Fusionstempo in der weltweiten Branche noch einmal drastisch. Bayer und Monsanto sind nicht allein: Am Ende könnten sich nur noch vier Konzerne den rund 85 Milliarden Euro schweren Markt teilen.

Der Handlungsdruck in der Branche ist angesichts des Preisverfalls wichtiger Agrargüter wie etwa Weizen und des Spardrucks, unter dem Landwirte stehen, enorm. Gleichzeitig steht die Industrie angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums und des Klimawandels vor großen Herausforderungen. So wächst die Zahl der Menschen auf der Erde bis zum Jahr 2050 laut Experten um rund drei auf zehn Milliarden. Gleichzeitig nimmt die bebaubare Fläche kaum noch zu. Der Markt verspricht also langfristig Wachstum.

Bayer-Chef Werner Baumann hatte unmittelbar nach seinem Amtsantritt im Mai überraschend bekanntgegeben, Monsanto übernehmen zu wollen. Gemeinsam mit dem US-Konzern katapultiert sich Bayer als Anbieter von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln an die Weltspitze. Noch nie hat ein deutscher Konzern so viel für eine Übernahme gezahlt wie Bayer für Monsanto.

Der Deal war jedoch von Anfang an umstritten. Monsanto steht in Europa seit Jahren wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte in der Kritik. Dem Konzern wird zudem ruppiges Verhalten im Umgang mit seinen Kunden vorgeworfen. Außerdem vertreibt Monsanto den Unkrautvernichter Glyphosat. Dieser steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Die EU hatte im Juni den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters in Europa für die nächsten 18 Monate zugelassen.

„Monsanto steht für viele der Missstände der Agroindustrie“, kritisiert etwa der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter. „Gentechnik und Pestizide sind keine Zukunfts-, sondern Risikotechnologien. Während die Skepsis der Menschen gegenüber der Agroindustrie zunimmt, will Bayer ausgerechnet in diese verbraucher- und umweltfeindliche Richtung investieren.“ Der Deal konzentriere Marktmacht in wenigen Händen zum Schaden der Bauern und Verbraucher.

Allerdings ist die Bayer-Konkurrenz ebenfalls extrem aktiv. So hatten zuletzt die US-Behörden der geplanten Übernahme des schweizerischen Agrarchemie-Konzerns Syngenta durch das chinesische Staatsunternehmen ChemChina zugestimmt – Kostenpunkt: 43 Milliarden Dollar. Zuvor war Monsanto bei den Schweizern mit seinen Kauf-Offerten abgeblitzt.

Im Dezember hatten außerdem Dow Chemical und Dupont ihren Zusammenschluss angekündigt. Sie würden damit erst einmal den Branchenprimus BASF vom Thron stoßen. Allerdings wollen sich die beiden US-Konzerne nach der geplanten Fusion in drei börsennotierte Unternehmen aufspalten – darunter ein Spezialist für Agrarchemikalien. Die EU-Wettbewerbshüter haben eine eingehende Prüfung des Deals angekündigt.

Im Zuge der Umwälzungen in der Branche will auch der Chemiekonzern BASF sein Pflanzenschutzgeschäft ausbauen. Der Konzern werde sich alle Verkäufe aus Agrochemie-Fusionen anschauen, sagte Spartenchef Markus Heldt jüngst. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux geht in einer Studie davon aus, dass bei den Zusammenschlüssen in der Branche aufgrund kartellrechtlicher Gründe Unternehmensteile mit einem Wert von mindestens 11,5 Milliarden Euro auf den Markt kommen werden. „Wir werden auch wegen unserer Pipeline für neue Produkte einer der wichtigen Player bleiben“, sagte BASF-Vorstand Harald Schwager. Pflanzenschutz sei ein Teil des Konzerns.

Welche Folgen die Umwälzungen langfristig für die Landwirte haben, ist offen. Derzeit halten sich viele Bauern angesichts des Preisdrucks bei wichtigen Agrargütern wie etwa Weizen und den Währungsturbulenzen in zahlreichen Schwellenländern mit dem Kauf von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln eher zurück. Auch die Wirtschaftskrise in Brasilien belastet den Markt. Zudem hat sich auch das Wachstum in den asiatischen Schwellenländern deutlich abgeschwächt. Der Druck zu Zusammenschlüssen ist damit gewachsen.

Darüber hinaus sind die Bedingungen zur Finanzierung von Zusammenschlüssen für die Konzerne angesichts der anhaltenden Geldflut der Zentralbanken nahezu paradiesisch. Selten zuvor konnten sich Konzerne am Anleihenmarkt so günstig finanzieren wie derzeit. Rund um den Globus haben die Notenbanken im Kampf gegen eine zu niedrige Inflation die Geldschleusen weit geöffnet und die Märkte mit Liquidität geflutet.

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