Bei der Drogeriekette dm werden digitale Hautanalysen angeboten – der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) warnt vor den Risiken. Insbesondere bei auffälligen oder sich verändernden Hautstellen könnten Patientinnen und Patienten durch KI-basierte Schnelltests in Unsicherheit geraten. Fachärztliche Diagnostik, etwa mittels klassischer Dermatoskopie im persönlichen Kontakt, lasse sich durch Fotos oder Smartphone-Analysen nicht ersetzen. Kritisiert werden zudem unhaltbare Werbeversprechen des Anbieters Dermanostic sowie mögliche Verzögerungen bei der Versorgung ernsthafter Hauterkrankungen.
In ausgewählten Filialen bietet die Drogeriekette dm seit kurzem sogenannte „Gesundheitsdienstleistungen“ an, darunter auch KI-gestützte Hautanalysen und ein Online-Hautarzt-Angebot. Laut dm-Werbeversprechen solle dieser „schnell und unkompliziert bei Fragen zu Haut-, Haar- und Nagelveränderungen sowie zu Geschlechtskrankheiten“ weiterhelfen. Die beiden Hautuntersuchungen erfolgten in Kooperation mit dem Online-Hautcheck-Anbieter Dermanostic.Die Hautanalyse ist kostenlos, für das Hautarzt-Angebot fallen je nach Paket 28 bis 68 Euro an.
„Schon die vermeintlich KI-generierte Hautanalyse sollte mit großer Vorsicht betrachtet werden! Ein von mir selbst eingereichtes Foto ergab die KI-Diagnose ‚Xerosis cutis – trockene Haut‘ und eine umfangreiche vierfach dm-Produktempfehlung, die ich für etwas über 30 Euro gleich über die Warenkorb-Funktion hätte online bestellen können“, kritisiert BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski das Pilotprojekt der Drogeriekette. „So eine Werbe-Verkaufsmasche hat mit Dermatologie nichts zu tun, meine ‚Hautdiagnose‘ ist zudem falsch!“
Besonders Problematisch ist laut BVDD die Bewerbung des Teledermatologie-Angebots von Dermanostic. „Eine nicht unerhebliche Anzahl an Patientinnen und Patienten, die Online-Hautchecks nutzen, können gar nicht abschließend rein digital versorgt werden. Etwa 30 Prozent der Fälle benötigen eine rezeptpflichtige medizinische Behandlung und mindestens 8-10 Prozent der Anfragen sind überhaupt nicht für eine telemedizinische Konsultation geeignet. Den dann notwendigen Übergang in eine analoge Versorgung in einer dermatologischen Praxis vor Ort lässt das Angebot von dm beziehungsweise Dermanostic völlig offen“, kritisiert von Kiedrowski.
Bei den Diagnosen, die über eine einfache Hautanalyse hinausgehen, besteht nach Ansicht des BVDD bei auffälligen Ergebnissen auch das Risiko, dass Patientinnen und Patienten mit einer Diagnose und einem Privatrezept, die sie von Dermanostic gegen private Bezahlung erhalten könnten, anschließend in den vertragsärztlichen dermatologischen Praxen aufgrund der dortigen Terminknappheit nicht zeitnah weiterbehandelt werden können. Die Folge sind Verunsicherung und Unzufriedenheit bis hin zur Patientengefährdung. „Grundsätzlich stehen wir innovativen Versorgungsmodellen und digitalen Lösungen sehr offen gegenüber, aber dieses Projekt hilft nicht, die Versorgung Hautkranker zu verbessern“, betont der BVDD-Präsident.
Zudem dürfte nach einem Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf im April das Unternehmen Dermanostic nicht mehr behaupten, es habe Kooperationspraxen in jedem deutschen Bundesland. Ebenso untersage das Urteil dem Hautcheck-Anbieter, zu behaupten, er arbeite mit mehr als 300 niedergelassenen Hautärzten in Deutschland zusammen. Testanfragen eines Mitbewerbers hätten ergeben, dass die Behauptungen nicht haltbar waren. Stattdessen mehrten sich die Patientinnen und Patienten mit unklaren Diagnosen, unzureichender Wirkung oder gar Nebenwirkungen sowie Umschreibe-Wünschen der Privatrezepte in den Praxen, so der Verband.
„Das niedrigschwellige Angebot der Drogeriekette dm schafft Anreize für unkontrollierte Hautuntersuchungen außerhalb des GKV-Systems, das bei ernsten Hauterkrankungen dann aber für die Versorgung – unter budgetierten Bedingungen – bereitstehen soll, aber nicht kann. Dies führt schlimmstenfalls zu einer weiteren Verknappung der Zeitressourcen in unseren Praxen und verschärft die Wartezeitenproblematik. In Zeiten, in denen eine Patientensteuerung dringend notwendig ist, wird hier aus rein monetären Gründen eine neue Ebene eingeführt, über die Patientinnen und Patienten letztlich ins vertragsärztliche System kommen möchten“, so von Kiedrowski. Der BVDD werde sich auch an die Bundesärztekammer (BÄK) wenden, da er dieses ausschließliche Fernbehandlungsangebot nicht vom diesbezüglichen Beschluss des 121. Deutschen Ärztetages 2018 in Erfurt abgesichert sehe.
Darüber hinaus sieht der BVDD-Präsident auch die Qualität des Angebotes kritisch. So werde neben der Untersuchung von Haut-, Haar- und Nagelveränderungen sowie von Geschlechtskrankheiten wiederum die Untersuchung von Muttermalen per Foto beworben. Wenn diese neu auftreten oder sich verändern, bestehe ein Verdacht auf schwarzen Hautkrebs.„Hier reichen Fotos zur Beurteilung keinesfalls aus und unterschreiten den fachärztlichen Standard“, warnt der BVDD-Präsident. Bei verdächtigen Muttermalen gelte eine Untersuchung mit mindestens der klassischen Dermatoskopie im Live-Kontakt als leitliniengerechte Diagnostik.
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