Kommentar

Apothekenpflicht als Auslegungssache

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Die Begründung für den Frühstart des Abtei-Produkts „Baldrian plus Passionsblume“ war ebenso interessant wie eigenwillig: Das Datum der Entlassung aus der Apothekenpflicht sei willkürlich festgesetzt. Hätte der Bundesrat früher zugestimmt, wäre die Kombination auch schon vor dem 1. Mai offiziell freiverkäuflich gewesen. GlaxoSmithKline war deshalb so frei, das eigentlich noch apothekenpflichtige Produkt schon ab Januar in Drogerien und Einzelhandel zu vertreiben.

Der Vertriebsstatus von Arzneimitteln richtet sich nach ihrem Risikopotenzial. Die Apothekenpflicht stellt sicher, dass die Anwendung nicht ohne fachmännischen Rat erfolgt. Die Sachverständigen haben dem Verbraucher die eigenverantwortliche Einnahme der Phytokombination von Baldrian und Passionsblume zugetraut - und deshalb die Entlassung aus der Apothekenpflicht empfohlen. Dennoch wird sie erst wirksam, wenn die Verordnung geändert ist.

Natürlich ist das Präparat am 1. Januar nicht gefährlicher oder harmloser als am 1. Mai. Dennoch: Fristen sind nicht dafür gemacht, interpretiert und am Ende ignoriert zu werden. Sie geben die Spielregeln für alle Beteiligten vor. Wer sich darüber hinwegsetzt, stellt die Gesetzgebung insgesamt in Frage.

Denn der Zeitpunkt, zu dem Gesetze und Verordnungen in Kraft treten, ist immer willkürlich festgesetzt und wird häufig von Verzögerungen im politischen Ablauf beeinflusst. Dennoch wäre wahrscheinlich kein Hersteller auf die Idee gekommen, schon vor dem 1. August vergangenen Jahres den Kassen einen erhöhten Rabatt zu bezahlen. Wäre die Koalition schneller gewesen, hatte das GKV-Änderungsgesetz schließlich theoretisch auch schon früher in Kraft treten können.

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