Hunderttausende Menschen haben in Frankreich gegen mögliche Sparmaßnahmen in dem hoch verschuldeten Land protestiert. Gut 500.000 Menschen beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums vom frühen Abend landesweit an Demonstrationen – auch viele Apothekenteams waren dabei. Die Gewerkschaft CGT sprach von mehr als einer Million Demonstranten. Behörden hatten zuvor mit etwa 700.000 bis 800.000 Teilnehmern gerechnet.
Etliche Menschen in Frankreich ließen aus Protest die Arbeit ruhen. Zahlreiche Apotheken blieben wegen des Streiks geschlossen, Lehrkräfte fehlten in den Schulen und bei Bussen und Bahnen gab es Ausfälle und Verzögerungen.
Besonders am Vormittag hatte es in verschiedenen Landesteilen Blockaden gegeben – etwa an Busdepots, Verkehrsachsen und weiterführenden Schulen. Kurzzeitig waren Dutzende Demonstranten in den Hof des Wirtschaftsministeriums eingedrungen. 309 Menschen wurden landesweit festgenommen nach Angaben des geschäftsführenden Innenministers Bruno Retailleau vom Donnerstagabend, 134 befänden sich in Polizeigewahrsam.
Der Streik richtet sich gegen Sparmaßnahmen, die auf die Menschen in Frankreich zukommen könnten. Das Land hat gemessen an der Wirtschaftsleistung mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU nach Griechenland und Italien. In absoluten Zahlen lastet auf Frankreich mit rund 3300 Milliarden Euro der höchste Schuldenberg in der Eurozone. Auch die Staatsausgaben gehören zu den höchsten in Europa. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.
Ein breites Gewerkschaftsbündnis hatte zu dem Arbeitsausstand aufgerufen. Sparpläne der mittlerweile zurückgetretenen Regierung erachten die Gewerkschaften als brutal. Sie kritisierten, dass vor allem die Arbeiterinnen und Arbeiter, Rentner, Kranke und Menschen in prekären Verhältnissen unter den Kürzungen zu leiden hätten. Besonders stark in der Kritik stand der Vorschlag, zwei Feiertage zu streichen.
Frankreichs neuer Premier Sébastien Lecornu kündigte an, diesen Plan nicht umzusetzen. Am Abend der Proteste teilte er zudem auf der Plattform X mit, dass die Forderungen der Gewerkschaftsvertreter, die von den Demonstranten in den Protestzügen vorgebracht wurden, im Mittelpunkt der von ihm eingeleiteten Gespräche stünden. Er werde die Gewerkschaften in den kommenden Tagen erneut empfangen.
Lecornu berät derzeit über einen neuen Aufschlag für einen Sparhaushalt. Noch ist sehr wenig darüber bekannt, wo der neue Regierungschef sparen will. Mit dem Protest wollen die Demonstranten auch Druck auf ihn ausüben.
Laut einer Vorab-Umfrage der Fachzeitschrift „Le Moniteur des Pharmacies“ beteiligen sich 98 Prozent der rund 20.000 Offizinen am Streik. Im Vorfeld zum Protesttag in Frankreich wurde dieser Tag in den Medien bereits als „Journée de fermeture nationale des pharmacies“ (Tag der landesweiten Apothekenschließungen) bezeichnet, oft auch als „Journée noire pour les officines“ (Schwarzer Tag für die Apotheken).
Auslöser des Apothekenstreiks sind Maßnahmen der Regierung. Ein Erlass vom 4. August legt die maximalen Rabatte fest, die Apotheken beim Einkauf von Medikamenten gewähren dürfen: 30 Prozent für Generika und 15 Prozent für Biosimilars. Die Regelung trat am 1. September 2025 in Kraft. Zudem ist vorgesehen, dass die Rabattobergrenzen bis Juli 2027 stufenweise auf 20 Prozent für beide Kategorien reduziert werden. Hinzu kommt eine Entscheidung des Comité économique des produits de santé (CEPS), einer französischen Behörde, die die Preise von erstattungsfähigen Medikamenten reguliert. Ab dem 1. Oktober 2025 sollen die Preise von 53 Generikagruppen sowie mehreren Originalpräparaten gesenkt werden. Beide Maßnahmen zusammen verringern die Einkaufsvorteile und Handelsspannen, von denen Apotheken in hohem Maße abhängig sind, insbesondere kleinere Apotheken. Die Umsetzung wird von den regionalen Gesundheitsbehörden überwacht.
Getragen wurde der Streik von USPO und FSPF, den beiden mitgliederstärksten Standesorganisationen der Apothekeninhaber. Guillaume Racle, Vorstandsmitglied der USPO, bezeichnete den Streik als „Reaktion der Überlebensnotwendigkeit“. Pierre-Olivier Variot, Präsident der USPO, warnte, das Apothekennetz werde unter den Maßnahmen „bluten“.
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