Amazon Pharmacy stellt in den USA jetzt Terminals in Arztpraxen auf, damit Patienten ihre Medikamente direkt nach einem Termin erhalten. „An den Kiosken in der Praxis können Patienten ihre Rezepte direkt nach ihrem Arzttermin abholen“, wirbt der Konzern. „Sie erhalten denselben zuverlässigen klinischen Service wie an der Apothekentheke, jedoch ohne zusätzlichen Weg oder Wartezeiten – so wird das Apothekenerlebnis direkt dort angeboten, wo die Patienten bereits sind.“ Experten sind jedoch skeptisch, ob das Ganze nicht eher eine PR-Aktion ist.
„Wir wissen, dass viele Rezepte nicht eingelöst werden, wenn Patienten nach dem Arztbesuch zusätzlich in die Apotheke gehen müssen“, so Hannah McClellan, Vice President of Operations bei Amazon Pharmacy. „Indem wir die Apotheke direkt an den Behandlungsort bringen, beseitigen wir eine entscheidende Hürde und helfen Patienten, ihre Behandlung sofort zu beginnen, wenn es darauf ankommt.“
Ab Dezember stehen Amazon Pharmacy Kiosks zunächst im Großraum Los Angeles zur Verfügung – und zwar an Standorten von One Medical. Der Konzern hatte die Praxiskette 2022 gekauft, das damals rund 180 Praxen betrieb. Nach den ersten Erfahrungen in Downtown L.A., West L.A., Beverly Hills, Long Beach und West Hollywood sollen weitere Behandlungszentren von One Medical sowie weitere Standorte hinzukommen.
Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC nutzt der Konzern die Technologie von Medavail. Das kanadische Unternehmen hatte seine Automaten bereits in Kooperation mit Supermarktketten wie Sam‘s Club getestet, war aber offenbar nicht erfolgreich: Bevor die Geräte sich am Markt etablieren konnten, musste der Hersteller im vergangenen Jahr Konkurs anmelden.
Experten äußern Zweifel, dass Amazon die Schwachstellen gelöst hat. So bieten die Automaten nur beschränkte Kapazitäten, was eine durchgängige Versorgung eigentlich unmöglich macht. Hinzu kommt, dass in den USA die verordneten Arzneimittel in der Regel individuell für den Patienten oder die Patientin abgefüllt und die Dosen mit entsprechenden persönlichen Etiketten versehen werden. Entweder gelingt es dem Konzern, das Mini-Lager an das Verschreibungsmuster der jeweiligen Praxis zuzuschneiden – oder er muss die Ärztinnen und Ärzte anhalten, entsprechend zu verordnen. „Ich glaube, wir haben es hier eher mit einer Marketingaktion zu tun“, sagt ein Branchenkenner.
Der Konzern schlägt derweil martialische Töne an: Jedes dritte Rezept werde nicht eingelöst, jedes vierte Stadtviertel in den USA gelte als „Apothekenwüste“. Millionen Menschen hätten keinen einfachen Zugang zu wichtigen Medikamenten. „Und selbst wenn eine Apotheke in der Nähe ist, ist der Weg von der Arztpraxis zum Apothekenschalter seit langem ein Reibungspunkt – was zu Verzögerungen, Frustration und verpassten Behandlungsmöglichkeiten führt: Nur 51 Prozent der Kunden geben an, dass ihre Rezepte in Apotheken schnell eingelöst wurden.“
Mit den Amazon Pharmacy Kiosks würden diese Hürden beseitigt: Mit der Amazon-App könnten die Rezepte sofort eingelöst werden, am Kiosk seien Medikamente in der Regel innerhalb weniger Minuten verfügbar – ohne zusätzlichen Gang zur Apotheke. Nachdem man ein Konto bei Amazon Pharmacy erstellt und einen Termin in einer teilnehmenden Filiale von One Medical gebucht habe, müsse man nur den Arzt bitten, das Rezept an Amazon Pharmacy zu senden. Beim Checkout könne man in der App die Option „Abholung am Kiosk“ auswählen und direkt bezahlen. Dann erhält man einen QR-Code, den man am Kiosk scannen kann, um das Medikament abzuholen. Ein Amazon-Apotheker überprüfe den Auftrag und gebe ihn innerhalb weniger Minuten frei.
„Wir haben das Kiosk-Erlebnis einfach, schnell und patientenorientiert gestaltet“, so McClellan. „Wir wissen aber auch, dass Patienten manchmal Fragen zu ihren Medikamenten haben.“ Deshalb erhalte man bei jeder Transaktion am Kiosk auch Zugang zum Apothekerteam, das per Video oder Telefon berate – „genau wie an einem herkömmlichen Apothekenschalter“.
Die Amazon Pharmacy Kiosks schließen laut McCellan den Kreislauf zwischen Diagnose, Rezept und Behandlung: „Die Technologie hat das Potenzial, den Zugang zu Medikamenten in verschiedenen Gesundheitseinrichtungen deutlich zu verbessern und Apothekendienstleistungen direkt zu Patienten zu bringen, wann und wo sie sie am dringendsten benötigen.“
Der Konzern zitiert auch Dr. Andrew Diamond, Chief Medical Officer bei One Medical: „Als Ärzte erleben wir aus erster Hand, wie sich Verzögerungen bei der Medikamenteneinnahme auf die Behandlungsergebnisse auswirken können. Die Gewissheit, dass ein Patient unsere Praxis mit seinem Medikament verlässt – insbesondere bei Erkrankungen, die eine sofortige Behandlung erfordern, wie zum Beispiel Infektionen – kann seinen Behandlungsverlauf entscheidend verbessern.“
Prime-Mitgliedern bietet Amazon außerdem ein monatliches Medikamentenabonnement für 5 US-Dollar mit Zugang zu rund 50 gängigen Generika für chronische Erkrankungen mit kostenloser Lieferung bis an die Haustür.