Bei dem Pilotprojekt e-Medikation sollen Österreichs Ärzte und Apotheker Arzneimittel auf mögliche Wechselwirkungen überprüfen. Der Test läuft seit rund drei Monaten, eine Auswertung ist für Ende des Jahres geplant. Doch für die Ärzte ist das Projekt schon jetzt gescheitert. Die Mediziner fordern einen sofortigen Stopp und haben deshalb Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht.
In den drei Pilotregionen Wien, Tirol und Oberösterreich können Ärzte und Apotheker auf Datenbanken zugreifen, um die Medikamente der Patienten einzusehen. Nach langem Streit hatte man sich Anfang 2010 auf ein Modell geeinigt: Die Ärzte können neben Rx-Arzneimitteln nur ausgewählte OTC-Medikamente einsehen, den Pharmazeuten dagegen werden alle Präparate angezeigt.
Doch kurz nach Projektstart gab es erneut Ärger: Denn die Österreichische Sozialversicherung, die das Projekt leitet, hatte die Auswahl der Softwarefirmen der Pharmazeutischen Gehaltskasse übertragen - und damit in die Hände der Apotheker gelegt.
Die Ärzte kritisieren „fragwürdige Auftragsvergabepolitik“. Neben dem Vertrag der Sozialversicherung mit der pharmazeutischen Gehaltskasse stoßen sich die Ärzte vor allem daran, dass die drei Unternehmen Compugroup Österreich, Innomed Gesellschaft für medizinische Softwareanwendungen die IB-Informatik Beratung für die Umsetzung des Projekts zuständig sind.
Nun soll die EU-Kommission überprüfen, ob bei dem Pilotprojekt die vergaberechtlichen Bestimmungen der EU eingehalten wurden. Zuvor hatte sich ein Tiroler Arzt, der auch Arzneimitteldatenbanken anbietet, bereits beim österreichischen Bundesvergabeamt beschwert - aber nur teilweise Recht bekommen. Die Wettbewerbshüter verhängten eine Geldstrafe und verboten der Sozialversicherung, neue Verträge aufzusetzen.
Diese Entscheidung bedeutet den Ärzten zufolge der faktische Stillstand des Projekts: Seit Mitte Mai können sie keine neuen Patienten mehr aufnehmen und weigern sich zudem, die bestehenden Datensätze zu aktualisieren. Schuld sei die ungeklärte rechtliche Lage. Aber auch inhaltlich sind die Mediziner mit dem Projekt unzufrieden - obwohl sie das Projekt zusammen mit den Apothekern entwickelt haben. Neben unzureichender Datensicherheit und technischen Schwierigkeiten kritisieren sie überbordende Informationen: 2200 der 3000 Interaktionsmeldungen könnten im Alltag vernachlässigt werden.
Die Apotheker dagegen wollen an dem Pilot festhalten: „Das Projekt läuft ganz normal weiter“, sagte eine Kammersprecherin, Patienten könnten die verschriebenen Arzneimittel auch in der Apotheke nachtragen lassen.
Offiziell beteiligen sich an dem Projekt derzeit 87 Ärzte, 57 Apotheker und rund 6500 Patienten, ursprünglich sollten mehr als 60.000 Versicherte teilnehmen. Die Daten seien trotzdem ausreichend für eine wissenschaftliche Auswertung, betont man bei der Sozialversicherung.
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