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Notdienst-Anrufe: Chatbot leitet zu Versandapotheke

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Berlin -

Nach vielen Jahren des Grübelns und des Programmierens ist es einer findigen Apothekerin mit einem IT-Profi gelungen, eine Telefonumleitung für unsinnige Anrufe im Notdienst zu entwickeln. Wer sich dem neuen Verbund anschließt, muss Anfragen nach Taschentüchern, Schwangerschaftstests und Wechselgeld nicht mehr selbst beantworten. Der Clou: Die Anrufe werden zentral gesammelt und per Chatbot an Versender wie Shop Apotheke, DocMorris und perspektivisch auch dm weitergeleitet. Denn diese rühmen sich ja immerhin mit ihrem Beratungsservice.

Entstanden ist die neue Software aus einer Spinnerei heraus. Uta Trautmann hatte die Anrufe wegen unrelevanten Produkten im Notdienst satt. Zu oft fragte jemand nach Vitamin D, Hornhautsalbe oder Gummibärchen. Gemeinsam mit ihrem Cousin dritten Grades, der ein umtriebiger IT-Profi eines renommierten Softwareunternehmens ist, entwickelte sie eine KI-Lösung für den Apothekennotdienst.

Die Software filtert in telefonischen Anfragen die Produktwünsche heraus, bei denen es sich nicht um einen Notfall handelt. Ein Chatbot informiert die potenziellen Kundinnen und Kunden über die Möglichkeit, bei einer Versandapotheke anzurufen. Fällt die Anfrage montags bis samstags in die Zeit zwischen 8 und 20 Uhr, wird etwa an Shop Apotheke oder DocMorris weitergeleitet. Bei dm geht es nur werktags von 9 bis 15 Uhr, denn nur in dieser Zeit hat die Apotheke in Tschechien geöffnet (kein Witz!).

Apotheken-KI für Notdienst-Anrufe

Sonstige Anfragen werden von dem Sprachassistenten der KI verschriftlich und gleichzeitig per Mail und Fax an einen der Versender geschickt. Als Extra-Service darf der Anrufende entscheiden, welcher Versender der Empfänger sein soll.

Bei Apothekerin Trautmann läuft das System bereits fast reibungslos. Ihr Telefon klingelt viel weniger und sie hat Zeit für echte Notfälle oder ihren wohlverdienten Schlaf. Gewissensbisse, den Kundenservice von Shop Apotheke & Co. unnötig zu strapazieren, hat die langjährige Inhaberin nicht. Vor allem deshalb nicht, weil die Versender ja immer wieder ihren Kundenservice und den Kontakt zur Kundschaft betonen. Die Chefapothekerin von Shop Apotheke etwa ließ unlängst verlauten: „Gute Beratung beginnt immer mit Zuhören. Online-Apotheke bedeutet nicht: keine persönliche Betreuung. Im Gegenteil. Bei Redcare Pharmacy ist unser pharmazeutisches Team täglich für unsere Kund:innen erreichbar – telefonisch, per App oder im Chat.“

Für Trautmann ein klares Signal, dass solche Anfragen aus dem Notdienst dort genau richtig sind. Sollen doch die Versender mit Taschentüchern ihre Marge machen. Die Notdienst-KI befindet sich noch in der Testung, die Apothekerin will sie aber bald auch Kolleginnen und Kollegen anbieten. Denn Approbierte mit Notdiensterfahrungen kennen die unerwünschten Anrufe nur zu gut.

Notdienst-Video wird TikTok-Hit

Natürlich gibt es eine solche KI nicht. Real sind aber die unzähligen Anrufe, die keine Notfälle darstellen. Auch Ricarda Spielvogel erlebte in ihrem ersten Notdienst solche Telefonate. Kurzerhand entschloss sich die 28-Jährige die Highlights in einem TikTok-Video festzuhalten und landete einen Internethit.

Weniger erfreulich war eine Durchsuchung bei einem Arzt in Bayern. Dem Mediziner wird vorgeworfen, sich selbst Arzneimittel verschrieben und die Rezepte mit nachgeahmten Stempeln und Abrechnungsdaten zweier Apotheken versehen, und sie dann bei seiner privaten Krankenversicherung eingereicht zu haben. Die Vorwürfe räumte der 71-Jährige teilweise ein.

Nachforschungen gibt es auch Richtung DocMorris. Denn die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) will nachweisen, dass der Versender den apothekenrechtlichen Anforderungen nicht genügt. Hintergrund ist der Bundesgerichtshof (BGH), der überraschend Zweifel angemeldet hat, ob der niederländische Versender Pakete nach Deutschland schicken darf, ohne eine echte Präsenzapotheke zu haben.

In diesem Sinne: Schönes Wochenende!

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