ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Apothekenschutz: Bürgerwehr im Notdienst

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Berlin -

Eingeschlagene Scheiben, herumlungernde Menschen oder obszöne Anrufe im Notdienst: In nächtlichen Bereitschaftsdiensten geht es nicht immer friedlich zu. Viele Inhaber:innen fühlen sich regelrecht im Stich gelassen – von der Stadt ebenso wie von der Standesvertretung. Doch damit soll jetzt Schluss sein. Es wird über einen Entwurf vom Innen- und Gesundheitsministerium gemunkelt, der beim Deutschen Apothekertag (DAT) vorgestellt werden soll. Bis dahin gründen genervte und verunsicherte Inhaber eine Apotheken-Bürgerwehr.

Eigentlich erklärten Regierungsvertreter auf Nachfrage stets, man wolle ein Gesamtpaket für die Apotheken schnüren. Scharf kritisiert wurde der Plan seitens der Apothekerschaft. Denn es brauche Soforthilfen, so Hessens Verbandschef Holger Seyfarth. Und sein Kollege aus Niedersachsen, Berend Groeneveld, stellt schon neue Proteste in den Raum.

Neues Gesetz

Doch nicht die Warnungen vor wirtschaftlicher Notlage, sondern die teils erschütternden Berichte von nacht- und notdienstleistenden Apothekern haben die Regierung nun doch zum schnellen Handeln motiviert. Am Rande der Klausurtagung in Augsburg steckten Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) und Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Eckpunkte für ein Apothekennotdienstsicherungsgesetz (ApoNoSiG) ab. „Es kann nicht sein, dass unser Fachpersonal im Gesundheitssektor solche Anfeindungen erlebt – ob in der Klinik, Praxis oder in der Apotheke“, stellt ein Ministeriumssprecher klar. Hier sei Eile geboten. Um den essentiellen Mitarbeitern den nötigen Schutz zu geben, greift das Ministerium auch zu unorthodoxen Maßnahmen.

So muss jede Apotheke ihr Schaufenster künftig mit kugelsicherem Glas versehen. Zusätzlich werden neue Regelungen hinsichtlich der Arbeitskleidung eingeführt: Ministeriumspläne sehen im Nacht- und Notdienst kugelsichere Westen, Handschuhe aus Kevlar sowie Schutzhelme vor. Für den Fall, dass der diensthabende Apotheker länger im Betrieb ausharren muss, müssen neben fließendem Wasser auch Nahrungsrationen für mindestens 48 Stunden vorgehalten werden. Außerdem wurde in einem Rutsch auch noch die Cybersicherheit mitgedacht: Jede Apotheke soll einen IT-Sicherheitsbeauftragten beschäftigen. Nur in seiner Anwesenheit vor Ort dürfen die Systeme genutzt werden.

Um die neuen Maßnahmen umzusetzen, soll es eine Übergangsfrist von sechs Monaten geben. Auch um die Apotheken finanziell bei der Umsetzung der neuen Maßnahmen zu unterstützen, gibt es bereits einen Plan: Die Rücklagen für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) sollen zur Hälfte aufgelöst und – als Ergänzung zum Notdienstfonds – in einen Notdienstsicherheitsfonds überführt werden. Daraus bekommt jede Apotheke die benötigten Mittel, um im Notdienst eine Security-Kraft anzustellen.

Bürgerwehr-Verein

Nicht jedem Approbierten geht das schnell genug. „Es reicht“, sagt etwa Eckberth Deubelbeiss. Ab sofort soll Schluss sein mit der nächtlichen Gewalt, der seine notdiensthabende Apotheke in Hohenstücken immer öfter ausgesetzt ist. „Menschen lungern vor der Notdienstklappe herum, werden aggresiv und laut oder schmeißen mir gar die Scheibe ein“, beklagt er. Weil er auch von der Stadt oder gar der Standesvertretung keine Hilfe erwarten kann und niemand seiner Angestellten einen solchen Dienst noch übernehmen will, packt er nun selbst an. Konkret: „Ich habe einen Bürgerwehr-Verein gegründet.“

Bis zum Inkrafttreten des ApoNoSiG setzt Deubelbeiss nun auf Kooperationen mit dem örtlichen Schützen- und Rentnerverein. „Ich habe bereits Zusagen von beiden Vereinen bekommen. Im nächsten Notdienst stehen mir Oma Erna und zur Not ein erster und zweiter Ritter der Bruderschaft zur Verfügung“, erklärt er. Zu Dienstbeginn werde dann eine stündliche Patrouille gestartet.

„Oma Erna kann nachts sowieso kaum schlafen, zudem wohnt sie direkt gegenüber meiner Apotheke.“ Sie werde sich ab 22 Uhr mit Nachtsichtgerät und Laserpointer hinter der Küchenfenstergardine positionieren und per Headset direkt mit der Polizei in Kontakt stehen, so Deubelbeiss. „Ich bastele gerade noch an einem Minikatapult zur ersten Abwehr.“

Schutzgraben und Fallgitter

Weil ihm das noch nicht rigoros genug ist, gräbt er seit zwei Tagen an einem zwei Meter breiten Graben rund um die Apotheke. „Ich werde die Kundschaft von der Notdienstklappe zunächst fernhalten. Erst wenn ich sicher sein kann, dass es sich um vernünftige Menschen handelt, lasse ich meine selbstgebaute Zugbrücke runter“, so der Apotheker stolz. „Es ist durchaus möglich, dass ich noch einen Eimer mit Glukoselösung fülle und Federn zum Werfen bereitstelle.“

Für den Notfall habe er noch Fallgitter besorgt: „Die Notdienstklappe und die Schaufensterscheiben, das sind die Schwachstellen, die müssen besonders geschützt werden“, so der Inhaber. Wenn ihm anders kein Beistand geleistet werde, greife er eben zur Selbstjustiz, ganz wie im Mittelalter. Eine Anfrage stehe aber noch aus: „Im Ort gibt es einen Hundezüchter“, so Deubelbeiss. „Am liebsten würde ich im Schauffenster einen Schäferhund plazieren, nur so zur Mahnung.“

Probleme im Notdienst sind zwar real, politisches Gegensteuern sieht man bisher aber nicht. So beobachtet Apotheker Joachim Kempa vor seiner Südermarkt-Apotheke in Flensburg seit Längerem einen Anstieg von Gewalttaten auf dem Platz vor seiner Apotheke – besonders nachts. Während seines Nachtdienstes habe ein Obdachloser vor dem Apothekeneingang geschlafen, Kempa bat ihn, sich einen anderen Platz zu suchen. Daraufhin sei der Mann ausgesastet und stieß mit seinem Kopf immer wieder gegen eine Scheibe der Apotheke. Im Inneren der Offizin wurde es Kempa mulmig zumute und er alarmierte die Polizei. Als diese eintraf, war das Glas bereits gesprungen.

Anstelle eines Gesetzesentwurfs gab das BMG diese Woche nun ein ePersonalentscheidung bekannt: Hanno Kautz hat seinen Rücktritt als Pressesprecher erklärt.Kautz war zuletzt in die Kritik geraten, nachdem er nach einem Hintergrundgespräch im Juli eine Drohmail an die teilnehmenden Journalisten schickte. Damals war ein Foto eines während des Gesprächs ausgeteilten Dokuments in Umlauf geraten. In der Mail rief Kautz die Journalisten zur Denunzierung auf und versprach im Gegenzug „Exklusiv-Informationen“.

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