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Bislang klingt es zwar noch nach einem übertriebenen Szenario, doch Apotheker bangen bereits um ihre Existenz. Sie fürchten, dass das Apothekennetz künftig dünn werden könnte. Der Grund: Seit dem Rx-Boni-Urteil, mit dem der Europäische Gerichtshof entschieden hat, dass Versandapotheken aus dem Ausland verschreibungspflichte Medikamente rabattieren dürfen, stehen stationäre Apotheken unter massivem Druck. Ein striktes Rx-Versandverbot sei laut Meinung einiger Apotheker aber gar nicht nötig, um das kundenfreundliche wohnortsnahe Versorgungsnetz langfristig zu sichern.
Preisbindung gekippt
Die günstigen Preise aus dem Ausland sind existenzbedrohend für die klassische Apotheke in Deutschland und die alternativen Versandhändler mit Sitz in der Bundesrepublik. Mit dem im Oktober 2016 gefällten Rx-Boni-Urteil wurde die zuvor geltende Preisbindung teilweise gekippt und die Situation für deutsche Apotheken verschärft. Seitens des Europäischen Gerichtshofs wurde die Preisbindung als „ungerechtfertigte Beschränkung des Warenverkehrs“ betrachtet, fasst SWR online in einer Newsmeldung zusammen. Seit dem Urteil ist es ausländischen Versandapotheken erlaubt verschreibungspflichtige Arzneimittel über Rabatte günstiger zu verkaufen. Deutschen Apotheken, egal ob stationär oder Versand, müssen sich jedoch weiterhin an die Preisbindung halten. Für Apotheker ein Unding. Sie rechnen damit, dass aufgrund der Rabatte künftig noch mehr Kunden in den E-Commerce Sektor abwandern und stationäre Apotheken schließen müssen.
Rx-Versandverbot als Lösung?
Das Berliner Gesundheitsministerium ist mit dem Urteil ebenfalls nicht einverstanden. Um Deutsche Apotheken und Versandapotheken zu schützen, will das Ministerium ein für verschreibungspflichtige Präparate geltendes Verbot für den Versandhandel durchsetzen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will Apotheker stärken. Wie unter lokalkompass.de berichtet wurde, legt Gröhe Wert darauf, „dass die Arzneimittelversorgung auf hohem Niveau durch ortsnahe Apotheken weiterhin gesichert bleibt". Sein Gesetzentwurf zum Versandverbot wurde bereits vorgelegt und geht nun durch die Gremien.
Der Apothekenverband ist für das Rx-Versandverbot. „Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober, das ausländischen Versandhändlern ein Unterlaufen der Arzneimittelpreisbindung erlaubt, hat eine extreme Schieflage im Wettbewerb erzeugt. Ein umgehendes Versandhandelsverbot ist die konsequente Lösung", wird der Vorsitzende des Apothekenverbands im Kreis Gütersloh Sven Buttler unter haller-kreisblatt.de zitiert.
Kritische Stimmen
Laut Branchenverband BVDVA, in dem rund 30 deutsche Versandapotheken organisiert sind, drohe Deutschland die Staatshaftung, sollte sich der Gesetzentwurf von Gröhe durchsetzen. Laut BVDVA würde ein Rx-Versandverbot den digitalen Fortschritt blockieren und ein Risiko in Bezug auf das EU-Recht mit sich bringen. Der Verband hat beim Zentrum für Europäische Integrationsforschung ein Gutachten in Auftrag gegeben. Laut Direktor Professor Dr. Christian Koenig könnte das Verbot zur Folge haben, dass Deutschland in Staatshaftung genommen wird. Internationale Mitbewerber könnten sich auf Europarecht berufen und Klage einreichen. Laut BVDVA seien immense Schadenersatzzahlungen zu erwarten. In Kürze sollen die Ergebnisse des Gutachtens dem Deutschen Bundestag präsentiert werden.
Auch anderweitig wird der Gesetzentwurf von Gröhe kritisch betrachtet. Lutz Heitland, Apotheker in Steinhagen bringt es auf den Punkt. Er weist auf den Rahmenvertrag zwischen Krankenkassen und Apotheken hin, der besagt, dass die deutschen Rabatt- und Preisbindungsbedingungen auch für ausländische Versandapotheken bindend seien. „Es würde ausreichen, wenn der Bundesgesundheitsminister die Krankenkassen zwingen würde, diese Regelung, die gegenwärtig oft missachtet wird, konsequent umzusetzen", so Heitland gegenüber dem Haller Kreisblatt.
Maßnahmen gegen das Apothekensterben
Dass eine Lösung für die Debatte dringend erforderlich ist, steht außer Frage. Der Apothekenverband ist sich sicher, dass stationäre Apotheken ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren, sollte die Entwicklung so weitergehen und ausländische Versandapotheken weiterhin mit satten Rabatten locken dürfen. Ein regelrechtes Apothekensterben sei absehbar. Derzeit kämpfen deutsche Apotheker mit individuellen Werbemaßnahmen gegen die Konkurrenz aus Holland, Tschechien und Co. Ein Beispiel aus dem deutschen Versandangebot: Mit einem unter gutscheine.bild.de erhältlichen Apotal Gutschein können Verbraucher beim Bestellen in der Versandapotheke im Vergleich zur stationären Apotheke derzeit 20 Prozent und mehr sparen. Bei Apotal handelt es sich um eine Marke einer Apotheke im niedersächsischen Bad Rothenfelde, bei der bereits seit über zwölf Jahren apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel im Internet bestellt werden können. Vom kostenlosen Versand, über Rabattaktionen für freiverkäufliche Arzneimittel bis hin zu Gratiszugaben reicht das Spektrum der Angebote, um möglichst wenig Kunden an die ausländischen Mitbewerber zu verlieren.
Rein stationäre Apotheker erweitern stattdessen das Sortiment oder optimieren ihre Beratungskompetenz. Zudem werden Kunden mit dem kurzfristigen Bereitstellen von Präparaten, die zum Zeitpunkt des Kundenbesuchs nicht vorrätig sind, überzeugt. Dank eines gut funktionierenden Systems und langjährigen Kooperationen mit Großhändlern können stationäre Apotheken Bestellungen innerhalb weniger Stunden beschaffen, sodass regionale Kunden deutlich schneller an benötigte Medikamente gelangen als beim Versandhandel. Dort muss mit mindestens 48 Stunden Lieferzeit gerechnet werden.
Viele stationäre Apotheken sammeln ergänzend Unterschiften. Mit ausgelegten Unterschriftenlisten möchten die Apotheken ihre Kunden auf die zahlreichen Vorteile hinweisen, die ihnen mit dem Wegfall des lokalen Apothekennetzes entgehen würden, wie individuelle Rezepturanfertigung, Nachtdienste, Beratung und vieles mehr.
Mit der Beratungsstärke hat sich auch das SAT.1 Frühstücksfernsehen beschäftigt und die Ergebnisse eines Tests in der Sendung zusammengefasst:
Online Apotheke VS. Filiale - wer berät besser? | SAT.1 Frühstücksfernsehen
Verantwortlich für den Inhalt ist Herr Torsten Kliewitsch.