Bei der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) ist der Haushalt derzeit eins der wichtigsten Themen. Denn nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) viel zu hohe Rücklagen moniert hatte, hatten zuletzt noch einmal mehr als 100 Mitglieder gegen ihre Bescheide geklagt. Bei der Kammerversammlung am morgigen Mittwoch will die Geschäftsstelle gemeinsam mit ihren Anwälten ein Update geben. Dr. Bernhard Bellinger, der die klagenden Apothekerinnen und Apotheker vertritt, hofft, dass der Haushalt nicht einfach durchgewunken wird.
Bellinger ist nicht nur Rechtsanwalt, sondern auch Steuerberater und Buchprüfer. Und so hat er sich seit Beginn der Prozesse tief in die Unterlagen der Kammer eingearbeitet. Immerhin geht es vor Gericht darum, nachzuweisen, dass den Rücklagen, die die Kammer in Millionenhöhe angesammelt hat, kein konkreter Bedarf zugrunde liegt. Im Vorfeld der Kammerversammlung hat er seine Mandanten jetzt noch einmal angeschrieben, die Positionen im Haushalt für dieses beziehungsweise kommendes Jahr kritisch zu hinterfragen.
Unter anderem sieht er die zuletzt veranschlagten Ausgaben für die Fassadensanierung am Bürogebäude der Kammer skeptisch: So seien für dieses Jahr Ausgaben in Höhe von 2,3 Millionen Euro veranschlagt, für die es laut Bellinger keine Notwendigkeit gibt: „Ich fahre interessehalber häufiger bei der Kammer vorbei, weil die bei mir um die Ecke ansässig ist. Ich habe im ganzen Jahr kein Gerüst gesehen. Gleichwohl soll laut Haushaltsplan für 2026 für Vorarbeiten in 2025 bereits ein Betrag von rund 550.000 Euro geflossen sein. Wofür denn eigentlich? In meinen Augen wurde nur der Haushalt der Kammer für 2025 ‚geradegezogen‘“, so seine Kritik.
Seiner Überzeugung nach hat sich Kammerpräsident Dr. Armin Hoffmann diese Ausgaben von der Kammerversammlung vor einem Jahr freigeben lassen, „um die vom Verwaltungsgericht Düsseldorf als zu hoch kritisierten Rücklagen der Kammer optisch zu rasieren“. Denn laut Bellinger war zum Zeitpunkt der Kammerversammlung im November 2024 noch gar kein Bauantrag eingereicht: „Das ergibt sich aus dem Beschlussprotokoll der Sondersitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 19. Februar 2025, wo davon die Rede ist, dass der Bauantrag eingereicht werden soll (Futur).“
Noch ein Punkt, der ihn stört und nach dem die Apothekerinnen und Apotheker fragen sollen: In den Haushaltsplänen für 2025 und 2026 seien insgesamt 450.000 Euro Anwaltshonorar für die Kanzlei Luther für die Vertretung in den Beitragsangelegenheiten ausgewiesen. „Handelt es sich wirklich um eine Schätzung oder vielmehr um eine Honorarvereinbarung“, fragt Bellinger.„Ich vermute, dass Letzteres tatsächlich der Fall ist, weil eine Kanzlei dieser Größenordnung ohne Honorarvereinbarung keinen einzigen Schriftsatz einreicht. Dann wäre das aber in meinen Augen eine Täuschung der Kammerversammlung und auch der Haushaltsplan wäre falsch.“ Denn eine Honorarvereinbarung wäre fest in den Ausgaben auszuweisen und zu begründen; nur bei einer bloßen Schätzung könne man die erwarteten Kosten in den Rücklagen „parken“.
Bellinger fragt sich, wie die Kammer eigentlich dazu kommt, eine solche Honorarabsprache über den Kopf der Kammerversammlung hinweg einzugehen. Die Organe der Kammer seien verpflichtet, „nach Maßgabe des Haushaltsplans und nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen“. Außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungen dürften dagegen laut Haushalts- und Kassenordnung nur geleistet oder eingegangen werden, wenn ein unabweisbares und unvorhergesehenes Bedürfnis besteht. „Sie bedürfen der Genehmigung der Kammerversammlung.“
Seiner Meinung nach sind die Beiträge eine „ureigenste Kammerangelegenheit“, die von den hauseigenen Anwältinnen bearbeitet werden könnten, gegebenenfalls unter Einholung eines Rechtsgutachtens. „Das hätte maximal 30.000 bis 50.000 Euro kosten dürfen. Stattdessen wird die Apothekerkammer mit völlig abstrusen Honorarverpflichtungen überzogen.“
Abgesehen davon findet Bellinger die Vergütung „geradezu absurd hoch“: Bei einem typischen Honorar von 350 Euro komme man auf knapp 1300 Stunden, also 160 Tage je acht Stunden ohne Pause, so Bellinger. „Ist als Aufwand einfach nur lächerlich. Da sollte sich die Kammerversammlung mal die ‚Schätzung‘ genauer erklären lassen, bevor sie das durchwinkt. Wäre ich Mitglied der Kammerversammlung, würde ich der Honorarvereinbarung nicht zustimmen.“
Bellinger weiter: „Ich gehe davon aus, dass Dr. Hoffmann die klagenden Apotheker beschimpfen wird, der Kammer und damit den Beitragszahlern solch hohe Kosten aufzubürden. Es sind aber nicht die, sondern Dr. Hoffmann selbst, der diese Kosten auslöst!“
Und noch eine Sache würde Bellinger gerne zur Sprache bringen: Ihm ist bei ausführlicher Durchsicht der Unterlagen aufgefallen, dass in der Vermögensrechnung der Kammer 2020 ein Festgeldkonto mit 1,5 Millionen Euro auftauchte, das in den beiden Folgejahren verschwunden war, um dann 2023 wieder auf 3 Millionen Euro hochzuschnellen. „Auf den ersten Blick könnte man denken, dieser Betrag sei quasi wieder aufgetaucht. Tatsächlich sind die 3 Millionen Euro aber vor allem gespeist aus der Auflösung des Wertpapierkontos von 2 Millionen Euro und aus dem Abschmelzen der Bankguthaben2
„Man kann natürlich nicht glauben, dass im Buchungswesen der AKNR 1,5 Millionen Euro einfach so verschwinden. Ich gehe auch davon aus, dass es eine Erklärung gibt, die sich allerdings nichtaus den Unterlagen ergibt, die dem Haushalts- und Finanzausschuss und der Kammerversammlung vorliegen, soweit sie mir ebenfalls vorliegen.“
Bellinger hat bereits die Geschäftsstelle angeschrieben und um Aufklärung gebeten. Dort habe man ihm aber nur lapidar mitgeteilt, dass die Anfrage geprüft werde. Daher fordert er die Mitglieder der Kammerversammlung auf sich zu erkundigen, ob dieses Geld der Kammer noch zur Verfügung steht und wenn ja in welcher Form. So oder so wird es spannend morgen in Neuss. Während Bellinger nicht dabei sein darf, hat die Kammer ihre Anwaltskanzlei vor Ort.