Wenn ein Kind kurz nach der oralen Einnahme eines Medikaments erbricht, stehen Eltern und medizinisches Personal oft vor der schwierigen Frage: Soll die Dosis wiederholt werden – oder nicht? Auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2024 in Mannheim wurde eine neue schwedische Leitlinie vorgestellt, die eine Entscheidungshilfe bietet.
Das Erbrechen nach oraler Medikamentengabe ist ein weit verbreitetes Problem in der Pädiatrie. Trotz seiner Häufigkeit mangelte es bislang an formalen Empfehlungen oder belastbaren Studien zu diesem Thema. Meist orientiert sich die Entscheidung, ob eine erneute Dosis notwendig ist, an der geschätzten Zeit zwischen Einnahme und Erbrechen – gestützt auf individuelle klinische Erfahrung.
Dr. Christiane Annette Garnemark aus Stockholm stellte im Rahmen einer Veranstaltung zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) eine neue Leitlinie des Königin Silvia Kinderkrankenhauses in Göteborg vor. Diese basiert auf einer umfassenden Literaturrecherche – „die allerdings nur wenig verwertbares Material ergab“, wie Garnemark einräumte. Um trotzdem eine fundierte Grundlage zu schaffen, wurden zusätzlich Ärztinnen und Ärzte aus verschiedenen Abteilungen nach Medikamenten gefragt, bei denen nach Erbrechen Unsicherheiten auftreten. So konnten 45 relevante Arzneimittel identifiziert werden.
Die Leitlinie wurde von zwei Kinderärzten und zwei klinischen Pharmakologen entwickelt. Sie formulierten drei wesentliche Aspekte, die bei der Entscheidung über eine erneute Gabe berücksichtigt werden sollten:
„Nur wenn das Medikament im Erbrochenen sichtbar ist, kann man sicher sein, dass der Patient das Arzneimittel erbrochen hat“, betont Garnemark.
Bei der Einnahme von Antibiotika komme es auf die bereits verstrichene Zeit an, so die Expertin. Erbricht die Person in einem Zeitraum von etwa 30 Minuten nach der Gabe, so soll eine neue Dosis gegeben werden. Denn: Orale Antibiotika sind in doppelter Dosis selten toxisch.
Seit drei Jahren kommt die Entscheidungshilfe im Göteborger Kinderkrankenhaus erfolgreich zum Einsatz. Inzwischen wurde sie bei einer Revision um weitere Wirkstoffe ergänzt. Besonders bei Medikamenten mit engem therapeutischem Fenster enthält die Leitlinie deutliche Warnhinweise, etwa bei Sedativa. „Wir haben keine wissenschaftliche Grundlage für diese Zeitintervalle gefunden“, so Garnemark offen, „wir glauben aber, dass sie klinisch empirisch fundiert sind.“
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