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Merkel verbietet Lieferengpässe Alexander Müller, 30.07.2016 07:49 Uhr

Berlin - 

Es ist schon jetzt der Satz ihrer Kanzlerschaft: „Wir schaffen das“, sagte Angela Merkel im Herbst zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. „Wir schaffen das“, bekräftigte sie unlängst. Was sich die Apotheker von ihrer Bundeskanzlerin wünschen, ist ein ähnlich unerschütterliches Bekenntnis zur Lieferkrise. Und tatsächlich: Im Sommerinterview ließ sich Merkel eine Dreiviertelstunde zu den andauernden Engpässen beim Betablocker Metoprolol aus. Ihr Versprechen: „Wir beschaffen das!“

Angelehnt an die Pläne im Anti-Terror-Kampf wird Merkel in den nächsten Tagen auch gegen Lieferengpässe einen 9-Punkte-Plan vorstellen. Dieser besteht aus einem besseren Frühwarnsystem (Punkt 1), damit künftig schneller bekannt ist, wenn die Produktion des Herstellers leerläuft. In jedem Werk will Mutti einen Mitarbeiter der Regierung mit am Band stehen haben. Die Überwachungsbehörden sollen mit besserem Personal und mehr Technik ausgestattet werden (2) – oder umgekehrt. Und die zentrale Stelle für Informationstechnik im Arzneimittelbereich (3) soll schnellstmöglich aufgebaut werden.

Es ist laut Merkel „jetzt an der Zeit“, dass bei anhaltenden Defekten auch die Bundeswehr eingebunden werden kann (4), um Wirkstoffe „notfalls direkt ab Werk“ zu besorgen. Dazu soll auch das europäische Waffenrecht angepasst (5) werden. Im zivilen Bereich sollen Forschungsvorhaben zur Prävention von Engpässen gestärkt (6) und Daten innerhalb Europas besser vernetzt (7) werden.

Die Regierung will die Kooperation mit Geheimdiensten anderer Länder verstärken (8), um die Kommunikation im Pharmahandel besser zu analysieren. Nicht zugelassene Arzneimittel sollen zurückgeführt werden (9). Und wenn das alles nicht klappt, hat Kanzlerin Merkel angekündigt, würde sie Lieferengpässe einfach gesetzlich verbieten.

Bis die Pläne umgesetzt sind, müssen sich Apotheker und Großhändler weiter mit Ausfällen herumschlagen. Und da sitzt der Hamster im Teufelsrad, wie es Fiebig-Geschäftsführer Andreas Sauer im Interview mit APOTHEKE ADHOC beschrieb. Jedenfalls so ähnlich. Bei Defekten gerät alles durcheinander, weil die Systeme beim Großhändler und in den Apotheken automatisch immer mehr bestellen. Die auf Sicherheitsbestände programmierte Technik läuft heiß. „Aus diesem Teufelskreis heraus entstehen Hamsterkäufe, die das Problem weiter anheizen“, so Fiebig. Eine bessere Kommunikation wünschen sich alle, aber Frau Merkel ist ja dran.

Wenn es in der Linden-Apotheke in Ludwigsburg mit der Beratung oder Lieferung mal etwas länger dauert, ist das für die Kunden nicht so schlimm. Dann haben sie mehr Zeit, die architektonisch ausgezeichnete Einrichtung zu bewundern. Paranoidere Zeitgenossen könnten allerdings in ihrer Befürchtung bestärkt werden, von Außerirdischen entführt zu werden.

Äußerst bodenständig hat sich dagegen ein AvP-Mitarbeiter verhalten: Als die volle Rezeptbox einer Bonner Apotheke aus Versehen im Altpapier landete, sagte er alle Termine ab und rettete die Kiste aus dem schon verladenen Container. Alle Rezepte haben die Quetschung unbeschadet überstanden und die Apotheke erhält ihre 80.000 Euro von den Kassen (vorbehaltlich Handwerker-Rechnungs-Check alias Retaxation). Der AvP-Mann bekam einen Bonus und Champagnertrüffel von seinen Chefs und von Frau Merkel sicher noch einen Verdienstorden – wenn sie davon erfährt.

Nur Sigmar Gabriel hätte vermutlich keine Freude an der Aktion. Denn der Wirtschaftsminister, SPD-Chef, Vize-Kanzler und Tengelmann-Filialleiter beansprucht jede Änderung am Apothekeneinkommen für sich. Immerhin hat sein Ressort ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Und wenn jetzt irgendwer am Honorar schraubt, stimmt die Rechnung nicht mit dem Ergebnis überein. Und die Null steht nunmal schon für die Apotheker. Aber: Eine schwarze!

Wer sich nicht an Gabriels Ministererlaubnis hält, ist Kabinettskollege Hermann Gröhe (CDU). Der Bundesgesundheitsminister will den Apothekern doch tatsächlich mehr Geld für die Rezepturen und die BtM-Dokumentation zahlen. Insgesamt 100 Millionen Euro will der Minister in die Hand nehmen.

Aber da hat er die Rechnung ohne die „rote Hilde“ gemacht: Hilde Mattheis (SPD), gesundheitspolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, will ihren Deckel. Der Topf heißt Apothekenhonorar und das Einzukochende sind hochpreisige Arzneimittel. Mattheis will Gröhe im parlamentarischen Verfahren einheizen.

Dass Hochpreiser auch ohne Apothekenhonorar hochpreisig sind, daran musste sich Mattheis von ihrem Parteifreund Christian Brand erinnern lassen. Der Apotheker schickte ihr einen – ersparen wir uns das Wortspiel – Brief und rechnete ihr vor, wie viel er an einem Hepatitis-Medikament verdient und wieviel ihn die Beschaffung und Abgabe kostet. Sein Gegenvorschlag: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deckeln, also die Mehrwertsteuer bei den Innovationspräparaten. Gabriel wird hellhörig. Merkel sagt: Wir schaffen das!

Aufgebessert wird die Staatskasse vielleicht doch noch von DocMorris. Nicht, dass die Versandapotheke rechtskräftig gegen sie verhängte Ordnungsgelder freiwillig bezahlen würde, wo kämen wir denn da hin?! Nein, die klagende Kammer lässt das Geld jetzt eintreiben. Und wenn der Geldberg nicht zum Propheten kommt, muss der Gerichtsvollzieher eben in die berglosen Niederlande. Die ebenfalls angefragte Landesregierung in NRW hatte leider wenig Begeisterung dafür gezeigt, ihr zustehendes Geld zu vereinnahmen.

Wie aufs Stichwort hat das Landgericht Ravensburg DocMorris daran erinnert, dass ein ordentlicher Kaufmann den Betrag auf die Rechnung schreibt, den er wirklich verrechnet – in diesem Fall die Zuzahlung. Wird sich die Zur Rose-Tochter daran halten? Raten Sie mal. Ein Tipp: Es heißt gesetzliche Zuzahlung.

An der Grenze zu Rx-Boni segeln einige Guten-Tag-Apotheken. Sie erstatten Kunden die Parkgebühren ganz oder teilweise, wenn sie ein bisschen OTC kaufen – oder ein Rezept einlösen. Weil beides geht, ist es wohl in Ordnung, auch wenn das in der Werbung abgebildete Rezept etwas tendenziös daherkommt.

Weiter diskutiert wird über Sterilrezepturen und vor allem ihre Haltbarkeit. Nachdem sich zwei Apotheker über die Bedeutung der Fachinformation gestritten haben, hat der VZA ein Machtwort gesprochen. Nützt nur nichts, die Kassen machen einfach weiter. Die AOK Rheinland/Hamburg erklärte gegenüber dem NDR-Magazin Panorama auch geduldig ihre Zuschlagspolitik – nur um dann doch einen Rückzieher zu machen.

Eine schlechte Nachricht zum Schluss: Apotheker sind schlechte Liebhaber. Sagt jedenfalls Buchautor Clemens Beöthy. Sie sollen besonders beziehungsunfähig sein. Daran sind bestimmt die Kassen Schuld. Mit Frauen läuft es laut Beöthy eher „holprig“. Apotheker mögen nämlich eigentlich nur ihre Mutti. Na, ist doch wohl verständlich, wenn die Mutti endlich die Lieferengpässe verbietet. Schönes Wochenende!