Marketplace-Richtlinie

Höchstpreise: Kartellamt gegen Amazon

, Uhr
Berlin -

Händler, die ihre Angebote auf der Plattform von Amazon anbieten, sollen bestimmte vom Konzern vorgegebene Preisgrenzen nicht überschreiten. Darin könnte nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes ein Marktmissbrauch liegen. Amazon hat jetzt Gelegenheit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Rund 60 Prozent des Umsatzes im deutschen Onlinehandel mit Waren laufen laut Kartellamt über Amazon. Dabei können auch Dritthändler ihre Waren direkt an Endkundinnen und Endkunden verkaufen. Nach eigener Richtlinie zur angemessenen Preisgestaltung überprüft Amazon regelmäßig die Preise der Händler auf dem Marktplatz. Der Konzern nutzt hierfür verschiedene Algorithmen und statistische Modelle, die auf unterschiedliche Preise und Preisbestandteile von aktuellen oder früheren Angeboten auf Amazon und von externen Wettbewerbern zurückgreifen und dynamische, wechselnde Preisobergrenzen für Händlerangebote berechnen.

Wenn diese Kontrollmechanismen die Händlerpreise als zu hoch bewerten, werden die entsprechenden Angebote entweder ganz vom Marktplatz entfernt oder werden nicht im hervorgehobenen Einkaufsfeld angezeigt. Auch die Darstellung etwa in der Suchergebnisliste wird eingeschränkt.

Amazon nennt dabei drei verschiedene Kategorien. Die Kategorie sogenannter „Preisfehler“ führt zu einer Entfernung des Angebots vom Marktplatz. Die Kategorien „zu hohe Preise“ und „nicht wettbewerbsfähige Preise“ führen zu einem Ausschluss von der Darstellung im hervorgehobenen Einkaufsfeld („Buy Box“), zu weiteren Einschränkungen der Darstellung in der Suchergebnisliste sowie zum möglichen Ausschluss von Werbung auf Amazon.

Kommt es zu solchen Einschränkungen, erhalten die betroffenen Händler eine Nachricht, in der sie zu einer Anpassung der Preise an Referenzpreise aufgefordert werden, die Amazon für angemessen hält. Dabei ist es möglich, dass bei einem Produkt gar kein Einkaufsfeld erscheint, weil kein Händler die Preisobergrenzen von Amazon einhält.

Das Kartellamt sieht darin einen Verstoß gegen die Vorschriften für große Digitalunternehmen (§ 19a Abs. 2 GWB) sowie gegen die allgemeinen Missbrauchsvorschriften des § 19 GWB und Artikel 102 AEUV. Diese Mechanismen schränkten die Sichtbarkeit von Händlerangeboten ein und griffen auf der Grundlage von intransparenten Marktplatzregeln in die Preisgestaltungsfreiheit der Händler ein. Die Einschränkungen seien daher nach gegenwärtiger Einschätzung unangemessen und sachlich nicht gerechtfertigt.

„Der Wettbewerb im Onlinehandel in Deutschland wird zu einem großen Anteil durch Amazons Regeln für die Handelsplattform bestimmt. Da Amazon auf ihrer Plattform in den direkten Wettbewerb zu den übrigen Marktplatzhändlern tritt, ist eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung der Wettbewerber auch in Form von Preisobergrenzen grundsätzlich wettbewerblich bedenklich“, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes. „Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Händler ihre eigenen Kosten nicht mehr decken können und die Handelsplattform in kartellrechtswidriger Weise zur Behinderung des restlichen Onlinehandels eingesetzt wird.“

Eine Rolle gespielt habe auch die Tatsache, dass die Parameter der eingesetzten Preiskontrollmechanismen im freien Ermessen von Amazon stünden und die Preisgrenzen für Marktplatzhändler nicht transparent seien.

Als wettbewerblich problematisch sieht das Bundeskartellamt daher, dass die Beschränkungen keinen objektiven, überprüfbaren Grundsätzen folgten und nicht ausreichend transparent gemacht würden. Die Preiskontrollmechanismen könnten eine Konzentrationswirkung auf dem Marktplatz zur Folge haben: Denn durch strenge Preisgrenzen könnten Händler häufig ihre Kosten nicht mehr decken, sodass die Gefahr bestehe, dass sie vom Marktplatz verdrängt würden.

Andererseits könnte Amazon bei den Preisen seine eigenen, von anderen Onlinehändlern kaum nachzubildenden Preiskalkulationsgrundsätze und -vorstellungen zugrunde legen; diese einheitliche Preisstrategie könnte zulasten des übrigen Onlinehandels gehen. So könnte sich insbesondere die Praxis von Amazon, den niedrigsten beobachteten externen Preis im Onlinehandel auf der gesamten Handelsplattform systematisch nachzuvollziehen, als hohe Wechselhürde auswirken und den übrigen Onlinehandel von Preisvorstößen und damit niedrigeren Preisen abschrecken.

Im Juli 2022 hatte das Bundeskartellamt festgestellt, dass Amazon über eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb verfügt und deshalb der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB unterliegt. Diese Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof (BGH) vor einem Jahr bestätigt.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch

APOTHEKE ADHOC Debatte