In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 5,3 Millionen Menschen an einer unipolaren Depression, die eine Behandlung erfordert. Dies führt leider bereits heute zu langen Wartezeiten bei Therapeuten und viel Bedürftigkeit, wenn es um Hilfestellung in der Behandlung solcher unipolaren Depressionen geht. Der deutsche IT-Dienstleister und Softwarehersteller adesso hat sich deshalb mit dem Institut für Angewandte Informatik, dem Institut für Wirtschaftsinformatik, der Universität Leipzig und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe zusammengeschlossen und eine umfassende langfristige IT-Lösung geschaffen. STEADY (Sensorbasiertes System zur Therapieunterstützung und zum Management von Depressionen) heißt das auf drei Jahre (bis Ende 2019) angelegte Forschungsprojekt, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Die App wird von Patienten der Universitätsklinik Leipzig, die an einer unipolaren Depression leiden, freiwillig getestet.
Was kann STEADY?
Die Hauptaufgabe der App ist die langfristige Erfassung von gesundheitsrelevanten Daten von Patienten. Diese werden ausgewertet und können dem Nutzer selbst Aufschluss darüber geben, ob er stabil ist oder erneut auf eine Depression zutreibt. In letzterem Falle schickt das System eine Frühwarnung und Behandlungstipps heraus.
Wie genau gelangt STEADY an meine Daten?
STEADY arbeitet mit mobilen Apps und Wearables, also technischen Geräten wie Fitnessarmbändern, Schrittzählern oder Pulsmessern, die die Hautleitfähigkeit, Herzfrequenz, Herzratenvariabilität und körperliche Aktivität messen, da sich diese meist drastisch verändern, wenn der Patient wieder in eine depressive Phase abrutscht. Der Nutzer ergänzt diese Parameter durch eigene Angaben in Form eines sogenannten Stimmungstagebuchs. Mit Hilfe der privaten Handynutzung werden per App außerdem Faktoren wie Schlafdauer, Schlafrhythmus und Kommunikationsverhalten ermittelt. Alle Daten zusammen ergeben ein ausführliches Gesamtbild zum täglichen Verhalten des Patienten. So können aus diesen Parametern über Algorithmen Bioindikationen berechnet werden, die dem Nutzer Aufschluss über seinen Gesundheitszustand und die Gefahr einer nahenden Depression geben. Dem Patienten kann also frühzeitig aufgezeigt werden, dass er Gefahr läuft, wieder depressiv zu werden, und gleichzeitig gibt die App medizinische Hinweise, was er dagegen tun kann, um es nicht so weit kommen zu lassen. Es gibt außerdem die Möglichkeit, einen Hausarzt in die technische Infrastruktur mit einzubeziehen und so eine erste medizinische Behandlung zu ermöglichen, auch wenn die Warteschlange in den psychologischen Warteräumen mal wieder zu lang für eine akute Behandlung ist.
Gefahren und Vorteile
Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Der Patient lernt sich und seinen Gesundheitszustand besser kennen, wird aufmerksamer in seiner Lebensweise, verbessert diese vielleicht sogar in eine gesündere Richtung und es werden lange Wartezeiten beim Psychologen oder Therapeuten vermieden. Besser noch: Psychologisches Fachpersonal wird entlastet, da die App langfristig dabei helfen soll, dass die Depression gar nicht erst wieder ausbricht, die Patienten nachhaltig geheilt werden und für die Nachversorgung gesorgt ist. Ein Nachteil kann in der Datensicherheit gesehen werden. Gesundheitsdaten sind sehr sensibel. Die Hersteller Dr. Stefan Buschner und Andreas Hitzbleck versichern jedoch, dass diese Daten nur verschlüsselt versendet werden und nur der Benutzer darauf Zugriff hat, es sei denn, dieser willigt darin ein, dass auch der Hausarzt Einblick bekommt. Auch weisen sie darauf hin, dass die App ein interessanter Anknüpfungspunkt in der Zusammenarbeit mit Krankenkassen sein könnte. STEADY soll dem Patienten ermöglichen, sich und seinen Gesundheitszustand besser kennen zu lernen und einschätzen zu können. Unter keinen Umständen heißt dies jedoch, dass eine medizinische Versorgung und eine ärztliche oder pharmazeutische Beratung dadurch wegfallen sollten.
Möglichkeiten und Chancen in der Apotheke
Sicher erhoffen wir uns gesündere, aktivere und besser aufgeklärte Patienten. Nutzlos wollen wir jedoch auch nicht werden. Keine Sorge: Eine Beratung vom gelernten Fachmann kann bisher kein technisches Gerät ersetzen und das soll auch so bleiben. Du kannst die technischen Hilfsmittel jedoch für Deine eigenen Zwecke nutzen. Deine Kunden haben hier die Gelegenheit, sich besser ihres Gesundheitszustands und somit auch ihrer Bedürfnisse bewusst zu werden, und sie haben die Daten dafür direkt bei sich. Ihr Einverständnis vorausgesetzt kannst auch Du als Apotheker diese Daten nutzen, um Deine Kunden optimal zu beraten. Es sind keine langen Fragespiele mehr nötig, um herauszufinden, welches Medikament oder welche Behandlung besser geeignet wäre, es steht ja schon alles im Handy. Bisher wird nur der Hausarzt in die technische Infrastruktur mit einbezogen, es wäre jedoch denkbar, dass auch Apotheken Einsicht in die relevanten Daten von Patienten bekommen – vorausgesetzt natürlich, dass diese einverstanden sind –, was Dir einiges an Recherche und Arbeit abnehmen kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass STEADY schon frühzeitig erkennt, wenn der Patient wieder auf eine Depression zusteuert. Das System selbst kann dies zwar nicht verhindern, es kann dem Nutzer aber eine Warnung schicken und ihn an Fachpersonal weiterleiten. Hier kommt Dein Einsatz. Eine drohende Depression zu behandeln ist einfacher und schöner, als eine bereits vorhandene Depression zu heilen. Nutze das Wissen, dass Deine Kunden durch STEADY bekommen, und arbeite mit ihnen zusammen daran, die Depression so früh wie möglich wieder in ihre dunkle Höhle zurückzuschicken. Dies erfordert natürlich auch Zusammenarbeit mit den Herstellern, die sicherstellen müssen, dass die App nur ergänzend und beratend wirkt und den Nutzern dies auch klargemacht wird. Ist dies der Fall, kann eine Zusammenarbeit von medizinischem Fachpersonal, einem aktiven Patienten und der technischen Infrastruktur jedoch zu massiven Verbesserungen in der Behandlung von Depressionen führen.
Apotheken Fachkreis
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