Ende einer 500-Jahre-Apotheke

Schlussstrich nach 5 Jahren fast allein

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Berlin -

Auf der Insel in Lindau am Bodensee wird es ab Oktober nur noch eine Apotheke geben. Die zweite wird derzeit noch von Alina Rusu geführt, doch sie schließt die Türen ihrer Hirsch-Apotheke im September für immer. 2019 übernahm sie die Apotheke sozusagen in letzter Minute und bewahrte damit auch deren mehr als 500 Jahre alte Tradition. Doch am Ende hält diese keine Apotheke am Leben und auch keine Inhaberin, die dort tagein, tagaus allein arbeitet, während zu Hause die beiden Kinder warten.

Die Inhaberin wagte sich Ende 2019 in die Selbstständigkeit und hat seitdem viel gelernt, wie sie sagt. Trotzdem ist für sie klar: „Ich werde die kommenden drei Jahre keine Apotheke übernehmen.“ Verständlich, denn die vergangenen fast fünf Jahre haben viel Kraft gekostet. Zur Schließung haben am Ende private Gründe geführt. „Damals habe ich die Apotheke retten wollen. Ich habe mein Bestes getan. Dann kam Corona, dann kamen die Engpässe. Ich bin alleinerziehend mit zwei kleinen Kindern.“ Schließlich kam noch Streit mit Anwälten hinzu.

Diese Streitigkeiten, zu denen die Inhaberin nicht ins Detail gehen möchte waren für sie schwer zu ertragen. „Das war ärgerlich. Ich bin es nicht gewöhnt, Streit zu haben.“ Zudem stand Rusu viele Stunden allein in der Apotheke. Zumeist war sie ihre einzige Arbeitskraft, zwischenzeitlich unterstützte sie eine PTA, doch die meisten 70-Stunden-Wochen meisterte sie allein. Irgendwann führte sie daher auch eine Mittagspause ein, mittwochs war mittags Schluss, auch samstags war die Apotheke nicht immer offen.

„Jetzt darf ich auch mal krank sein.“

Inzwischen hat sie aber ihren Frieden mit der Schließung im September gemacht. „Im Nachhinein bin ich erleichtert, dass es jetzt so ist“, sagt sie. „Wenn ich jetzt sehe, dass ich bald mehr Zeit habe, auch mal krank sein darf, mir keine Sorgen mehr ums Personal machen muss“ – da gehe es ihr besser. Sie wird sich nachdem die Türen der Hirsch-Apotheke zu sind, eine kleine Auszeit nehmen. Im Januar wird es dann irgendwo als Angestellte weitergehen.

Über einen neuen Job macht sie sich keine Sorgen, Apotheker:innen sind immerhin Mangelware. Angebote habe sie genug. Nur in der Gegend möchte sie schon allein wegen der Kinder gerne bleiben. Der Personalmangel in Lindau sei groß. „Natürlich verdient man als Angestellte deutlich, deutlich weniger“, hier werde sie schauen müssen, wie das funktioniert. Dafür darf sie dann auch mal ausfallen. Als sie sich bei ihren Kindern mit Windpocken ansteckte, war die Apotheke eine Woche zu, da sie keine Vertretung fand. Auch in den Ski-Urlaub traute sie sich nicht, aus Angst, sich zu verletzen.

Die Arbeit als Apothekerin macht ihr aber nach wie vor Spaß, vor allem der Kontakt mit den Menschen vor Ort. „Es kommen wunderschöne Rückmeldungen, jetzt auch nach der Meldung zur Schließung. Viele Menschen kamen nur rein, um mir zu sagen, dass sie mich vermissen werden“, berichtet Rusu. Sie habe sehr viel Wertschätzung erfahren und liebt es, den Menschen mit ihrer Arbeit Geborgenheit und Sicherheit zu geben. Die Leute auf der Insel seien durch die andere Apotheke weiter versorgt, da mache sie sich keine Gedanken. Was aus der traditionsreichen Einrichtung der Offizin werde, weiß die Inhaberin noch nicht.

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