ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Spahn bekommt eigene TV-Show APOTHEKE ADHOC, 14.11.2020 07:47 Uhr

Jens Spahn könnte sich eigentlich selbst moderieren.
Berlin - 

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU/Google) bekommt seine eigene TV-Show! In „BMG-News by JS“ wird er jeden Abend zur Top-Sendezeit über gesundheits- und parteipolitische Themen informieren. Live, aus erster Hand und unbehelligt von jener düsteren vierten Gewalt im Staat, die seine lauteren Worte einordnend verklären könnte.

Der Platz an der Sonne bei Google reicht einem so ehrgeizigen Politiker wie Spahn natürlich nicht aus. Noch bevor die Digitaltinte unter dem Suchmaschinen-Deal trocken war, hatte der mitteilungsfreudige Münsterländer schon das Konzept für seine eigene Verkündigungssendung in die Pipeline: Direkt in die Wohnzimmer will er mit den BMG News. Spahn und nichts als die Spahnheit, 90 Minuten, nur er, echte Informationen! Denn in den Nachrichtensendungen der etablierten Medien werden seine Botschaften ja doch nur verkürzt, geschnitten und mit internationalen Krisen, Sport und Waldbränden vermischt. Das stiftet nur Verwirrung.

Spahn will Klarheit und gestaltete Transparenz. Am Anfang konzentriert er sich natürlich auf die Corona-Krise: Warum seine Verordnungen so sinnvoll sind, welche Befugnisse und Kompetenzen er jetzt noch unbedingt braucht – das muss doch erklärt werden. Ganz praktische Anleitungen soll es geben. Wie man eine Maske richtig aufsetzt, Aufzug fährt, neue Masken kauft. Denn in der Beschaffungs-Logistik gelten dieselben Gesetze wie in der Corona-Prävention: Eine Hand wäscht die andere.

Aber das ist nur der Anfang. Denn mit seinem eigenen Kanal muss sich Spahn endlich nicht mehr auf sein Ressort begrenzen. Diese inhaltliche Einengung seit Beginn der Corona-Krise nervt ihn schon lange. Wann immer es ihm geboten erscheint, wird er seine Sendezeit nutzen, um sich in aktuelle Debatten einzuschalten oder Dinge geradezurücken.

Zum Beispiel die vorerst und offenbar auf lange Sicht letzte Wahl eines CDU-Vorsitzenden. Spahn war am 7. Dezember 2018 bekanntlich gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz angetreten. Was nicht viele nicht wissen: Kurz nach dem Start des ersten Wahlgangs lag Spahn mit 15 Stimmen vor Merz (7) und Kramp-Karrenbauer (6). Hätte man die Auszählung da beendet und nicht die anderen 971 „illegal votes“ auch noch gezählt – Spahn wäre schon heute CDU-Chef. Und er wäre bestimmt auch nicht so bescheuert gewesen, mit DocMorris-Maske aufzutreten…

Aber jetzt ernsthaft: Stop-The-Count-Donald hat es etabliert, an den Medien vorbei zu kommunizieren. Das war selten schön, aber aus seiner Sicht sehr effektiv. Der Unterschied: Er hat seine Follower bei Twitter selbst eingesammelt und sich nicht – wie Spahn – eine Premiumplatz bei Google verschafft. Seriöse Quellen sollten sich im Google-Algorithmus durchsetzen, das wäre eine wünschenswerte Entwicklung, nicht aber eine „Kooperation“ mit Staatsorganen. Sehen Sie dazu auch einen Video-Kommentar von ADHOC-Herausgeber Thomas Bellartz.

Schon mit seinem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz hatte sich Spahn weitreichende Sonderrechte sichern wollen. „Corona-Kanzler“, titelte Bild zur Anhörung in dieser Woche. Angesichts des massiven Widerstands waren die Pläne bereits vorab gestrichen worden. Unter der Überschrift „Der Getriebene“ hatte sich erst vor Kurzem der Spiegel mit dem „rumpeligen Krisenmanagement“ des Ministers beschäftigt: Spahn zaudere lange und schieße dann über das Ziel hinaus. Und er profitiere oft vom Zufall oder von der Arbeit anderer. Kann man das so im Raum stehen lassen?

Ähnlich lief es auch beim Grippeimpfstoff. Spahn hatte im Frühjahr erkannt, dass er für den Herbst zusätzliche Vorräte würde anschaffen müssen. Nur über die Logistik hatte er sich offenbar keine Gedanken gemacht – dabei weiß doch „jeder, der vom Fach ist“ (O-Ton Spahn), wie schnell es da ruckelig werden kann. Nachdem Spahn bei diesem Thema eine Weile nicht auf Sendung war, ist er nun da, der Reserveimpfstoff. Und er wird sogar von den Kassen bezahlt, auch wenn er viermal so viel kostet. Eine spezielle Verordnung des BMG macht‘s möglich. Aber: Richtig abrechnen.

Masken sind auch so ein Thema, beim dem Spahn der Wahrheit noch einmal auf die Sprünge helfen könnte. Erst war angeblich genug von allem da, dann bestellte er viel zu große Mengen – auch bei Parteifreunden. Bei einigen Lieferanten verweigerte das BMG aber plötzlich die Annahme – aufgrund von „Platzmangel“ mussten 69 von 70 LKW eines Unternehmens aus Düsseldorf umkehren, wie der Focus aktuell berichtet. Ach ja, und bezahlt wurde auch nicht, weshalb nun eine Klagewelle droht. Hat damit nichts zu tun, ist aber trotzdem sehenswert: In Bremen dürfen die Apotheken jetzt gratis Masken verteilen, was zu einigen Tumulten führt.

Spahns Ministerium hatte sich in der Vergangenheit gerechtfertigt, dass nicht alle Lieferungen den Qualitätsstandards entsprochen hätten. Auch das wäre noch einmal ein Fall für „Spahn-TV“. Die Kollegen vom Öffentlichen-Rechtlichen sind da schon weiter: ZDF Wiso hat herausgefunden, dass auch Apotheker beim Thema allzu oft überfordert sind und dass man Masken ohne entsprechende Dokumente nicht kaufen, sondern wegwerfen sollte.

Damit nun nicht auch noch bei Antigentests Wild-West ausbricht, will Spahn die Spannen für Großhändler und Apotheken deckeln. Nanu? Da ging es in Sachen Preisbindung definitiv schneller als bei Rx-Medikamenten. Aber die Sache lag ja auch anders: Hier hatte man es ja nicht mit Apothekern zu tun, denen als Heilberufler persönlich das Wohl ihrer Kunden am Herzen liegt, sondern offenbar mit raffgierigen Glücksrittern auf der Ebene der Zwischenhändler. Die Abda versucht noch nachzuverhandeln, viel Glück.

Die Nachricht der Woche kam freilich von BionTech. Das Mainzer Unternehmen scheint tatsächlich einen Impfstoff entwickelt zu haben, der einen bemerkenswerten Schutz vor Sars-CoV2 bietet. Spahn ist vorsichtig optimistisch, Karl Lauterbach ist vorsichtig elektrisiert. Und die EU hat schon einen Deal. Apotheker, die sich gerne impfen lassen würden, müssen sich aber gedulden. Sie gehören (noch) nicht zur ersten Gruppe. Aber das kann sich ja noch ändern, wenn der Minister ein Machtwort einlegt. Vielleicht sogar „on air“?

Zu einer Sondersendung ins Studio würden die Krankenkassen gerne eingeladen, denn die machen sich große Sorgen um ihre Finanzen. Bis zu 17 Milliarden Euro werden demnach fehlen zuzüglich Corona-Impfprojekt. Was steht also an? Die nächste Sparrunde – hoffentlich ohne Apotheken. Die hat es zuletzt auch hart genug getroffen, zumindest die AvP-Kunden. Aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters geht hervor, dass die Kassen auch ihren Beitrag zur Pleite geleistet haben. Jetzt müssen die Apotheker auf die Kassen hoffen – und das fühlt sich nie gut an. Trotzdem: Schönes Wochenende!