Abda gegen Lauterbach

Honorarreform: Die Ruhe vor dem Sturm

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Berlin -

Dafür, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Apothekenmarkt liberalisieren und das Honorar neu regeln will, ist es derzeit bei der Abda und ihren Mitgliedsorganisationen erstaunlich ruhig. Zu ruhig. Wird im Hintergrund an eigenen Vorschlägen gefeilt oder an einem strategischen Konzept, um den Angriff zu parieren? Die Ruhe vor dem Sturm lässt nichts Gutes erahnen.

Die Apotheken fordern eine Honorarerhöhung und sind bereit, dafür ein weiteres Mal auf die Straße zu gehen. Doch Lauterbach will nicht über Geld reden, sondern über eine weitreichende Apothekenreform. Bei den Standesvertretern gibt es teilweise die Auffassung, dass man sich darauf überhaupt nicht einlassen sollte: Am besten gar nicht erst mit den Vorschlägen beschäftigen, sondern weiter konsequent eigene Themen spielen, lautet die Auffassung der Hardliner. Immerhin habe man lange genug auf eine Anpassung der Vergütung gewartet und sei jetzt endlich an der Reihe. Oder als sportliche Metapher: Die Apothekerschaft wolle Fußball spielen, da brauche Lauterbach nicht mit dem Tischtennisschläger anzukommen.

Nun ist allerdings bei näherer Betrachtung der Minister derjenige, der über die Sportart und den Austragungsort entscheidet. Das hat Lauterbach nicht nur vor und auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) klargemacht, sondern auch bei dem offensichtlich äußert angespannten Gespräch mit Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening am 13. Oktober: „BMG plant eine Verbesserung der Apothekenversorgung auf dem Land und in unterversorgten Regionen. Das Ziel scheint geeint. Aber bei den Honorarvorstellungen bleiben Konflikte. Trotzdem gutes Gespräch“, kommentierte er das Treffen vielsagend bei X (ehemals Twitter).

Wenn man Lauterbach also auflaufen lassen will, bliebe im Grunde nur ein direktes Kräftemessen. Und tatsächlich haben Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft dem Minister in der vorvergangenen Woche den offenen Kampf angesagt: Lauterbach zerstöre bestehende Strukturen, um seine Vision einer Staatsmedizin durchzusetzen, so die Kritik. Dabei werde man nicht tatenlos zusehen, so die Ankündigung. Welche gemeinsamen Protestmaßnahmen es geben soll, ließen die Standesvertreter allerdings auf Nachfrage offen. Zunächst werde es einen Brief an Kanzler Olaf Scholz (SPD) geben – der sei „in der Planungsphase“ und werde voraussichtlich im Laufe der Woche „reisefähig“ gemacht, heißt es von der KBV auf Nachfrage. Klingt nicht nach ausgeprägter Kampfeslust.

Darauf zu hoffen, dass Lauterbach kurzfristig aus dem Amt entfernt wird, braucht also niemand. Womit man wieder bei der Frage wäre, ob und wie die Abda in die Gespräche gehen soll. Verschiedene Gesundheitspolitiker haben die Apothekenvertreter schon aufgefordert, sich jetzt noch auf Arbeitsebene mit eigenen Vorschlägen einzubringen und so Einfluss zu nehmen. Das sagen die doch immer, so wiederum die Meinung der Poker-Fraktion in den Mitgliedsorganisationen. Bloß nicht austricksen lassen, bloß keine schlafenden Hunde wecken.

Auf den Referentenentwurf zu warten und diesen dann im parlamentarischen Verfahren anzugreifen, wie von Teilen der Standesvertretung gefordert, ist eine überaus riskante Option: Wenn Lauterbachs Ideen erst einmal zu Papier gebracht sind, werden sie sich wohl kaum so einfach wieder streichen lassen. Und überhaupt: Wer soll Lauterbach eigentlich stoppen? Die FDP? Die Grünen? Die SPD?

Mehrfach schon haben die Gesundheitspolitiker der Ampel zu Protokoll gegebenen, dass es nicht mehr Geld für die Leistungserbringer geben wird. Zuletzt der in der SPD-Fraktion für Apotheken zuständige Berichterstatter Dirk Heidenblut: Auf keinen Fall werde man Honorarerhöhungen auf die Versicherten abwälzen.

Doch auch innerhalb der Branche gärt es. Bei der Elac-Tagung fragte Phoenix-Vorstand Marcus Freitag vor zwei Wochen nach der Positionierung der Abda. Und die großen Apotheken haben schon zu Protokoll gegeben, dass sie keine Umverteilung wollen. Andere Kolleginnen und Kollegen wollen die Brosamen nicht, die ihnen hingeworfen werden: Gegen alles zu impfen, Checkups anzubieten, pharmazeutische Dienstleistungen durchzuführen – „wenn ich das wollte, hätte ich Medizin studiert“, so eine Stimme. Und so bunkert mittlerweile ein dreistelliger Millionenbetrag beim NNF, der nicht abgerufen wird.

Aufschlussreich war aber auch der Einwurf aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte sich der Vorstand der Apothekerkammer mit möglichen Modellen für einen Umbau des Apothekenhonorars beschäftigt; einen Vorschlag hatte man Overwiening in die Hand gedrückt. Das kam weder bei ihr gut an, noch bei anderen Standesvertretern: jetzt bloß keine Alleingänge!

In Wirklichkeit zeigt der Vorgang aber wohl auch, dass es intern noch gar keine Meinungsbildung zu dem Thema gegeben hat. Welche Vorschläge könnte die Abda machen, welche Kompromisse könnte man mittragen, wo sind die roten Linien? All das offenbar unbeantwortet – und das, obwohl die Reformpläne schon vor zwei Jahren in den Koalitionsvertrag geschrieben wurden.

Von Klausuren, Arbeitskreisen oder außerordentlichen Sitzungen hört man derzeit nichts. Man könne ja auch außerhalb der Gremien beraten, heißt es aus einer Mitgliedsorganisation. Und es fänden zahlreiche Gespräche mit Landes- und Bundespolitikern statt.

Auch die Abda versichert, dass hinter den Kulissen gerade viel gearbeitet wird: „Sowohl auf haupt- als auch auf ehrenamtlicher Ebene beschäftigen sich derzeit verschiedene Gremien der Abda mit den BMG-Plänen“, so ein Sprecher auf Nachfrage. Bislang habe das Ministerium noch keine detaillierteren Pläne vorgelegt, konkretere Eckpunkte oder gar ein Entwurf für ein Gesetz lägen also noch nicht vor. „Trotzdem arbeiten wir auf Basis der noch sehr oberflächlichen Planungen aus dem BMG derzeit mit Hochdruck daran, Einfluss auf das kommende Gesetzgebungsverfahren zu nehmen. Die Präsidentin hat seit dem DAT zahlreiche Einzelgespräche mit Abgeordneten des Bundestages geführt, um auch dort auf die Gefahren der BMG-Pläne hinzuweisen. Einzelheiten zu diesen vertraulichen Gesprächen geben wir nicht bekannt.“

Overwiening hatte in ihrem Präsidentinnenbrief vor zwei Wochen einen „apothekenpolitischen Marathonlauf“ in Aussicht gestellt. Bis in den Frühling hinein werde man auf allen Ebenen versuchen, Einfluss zu nehmen. Am Ende zählt das Ergebnis. Bleibt zu hoffen, dass keinem der Beteiligten die Puste ausgeht.

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