ApoRetrO

Lichtlein, Lichtlein geh nicht aus!

, Uhr
Berlin -

Der Kreativität sind beim richtigen Anreiz keine Grenzen gesetzt: Die Motivation, an Rabatten zu drehen, kurbelt bei den Großhändlern ungeahnten Ideenreichtum an und öffnet auch den Weg in Richtung Skonti, wie Apotheker in dieser Woche lernten. Weder Gerichte noch der Gesetzgeber haben beim Anti-Korruptionsgesetz wohl in solchen Bahnen gedacht, der Anreiz fehlte.

Großhändler allerdings finden einen Schwenk: Sie dürften keine Skonti mehr gewähren, weil der Preisnachlass als versteckter Rabatt gewertet werden könne. Schon früher hatte Noweda-Chef Wilfried Hollmann gewarnt, Skonto auf den Umsatz sei rabattgleich und verstoße eindeutig gegen die Preisspannverordnung. Jetzt bekommt er Schützenhilfe von Arzneimittelrechtsexperte Professor Dr. Elmar Mand.

Jedoch: Solange dem Skonto ein äquivalenter Gegenwert gegenüber steht, ist es kein Preisnachlass. Echte Skonti gelten eine vorfällige Zahlung des Kaufpreises angemessen ab. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung müsse dabei aber aquivalent sein, sagte Mand. Das sei bei Skonti von mehr als 1 Prozent problematisch und momentan schwer begründbar. Die Apotheker sind mäßig überrascht vor dem Vorstoß der Großhändler: Fast zwei Drittel einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC Umfrage hatten Kürzungen des Skonto erwartet.

Nur mäßig überrascht dürften Apotheker wohl auch über das rechtskräftige Urteil des Landessozialgerichts Darmstadt (LSG) sein: Demnach darf eine Kasse retaxieren, wenn der Arzt beim Übertragen der Daten vom Anforderungsschein auf das Rezept Fehler macht. Entscheidend sei, was auf dem Rezept stehe. Damit bleibt die betroffene Apothekerin auf einem Schaden von 15.000 Euro sitzen. In dem Verfahren ging es um die Kosten für eine Chemotherapie, die bei einer Patientin in elf Zyklen durchgeführt wurde.

Auch in Köln hat das Sozialgericht zugunsten der Krankenkassen entschieden: Geht ein Rezept verloren, müssen diese nicht zahlen – auch wenn der Patient versorgt wurde. In einer Schweriner Apotheke wurden bei einem Feuer knapp 1800 Kassenrezepte im Gesamtwert von 122.000 zerstört. Einbrecher hatten den Brand gelegt. Auf den Kosten bleibt nun die Versicherung des Apothekers sitzen. Nur eine Kasse, die AOK Nordost lenkte ein – nachdem das Rechenzentrum AvP nachweisen konnte, dass der Umsatz unter dem Durchschnittswert der vergangenen drei Monate lag.

Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) will jetzt vorsorgen und seine Mitglieder rüsten: Schulungen und Fortbildungsangebote sollen die Fehlerquote senken. Außerdem soll über typische Fälle informiert und die Beratung der Mitglieder ausgeweitet werden. Außerdem geht der Verband in die Offensive und will gegen unberechtigte Retaxationen seine Retaxstelle verstärken und öfter vor Gericht ziehen. Noch fehle eine sachgerechte Begrenzung von Retaxationen im Falle von nicht beachteten Rabattverträgen. Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz biete einen neuen Ansatz für eine Lösung mit den Kassen.

Ansonsten sieht es beim GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) eher mau für die Apotheker aus. Kassenabschlag und Nullretaxationen stehen drin, bei der Schiedsstellenregelung fehlt aber eine konkrete Fristsetzung, ebenso wie alle anderen Forderungen der Apotheker, etwa die Erhöhung der BtM- und Rezepturgebühren, Nachbesserungen beim Notdienstfonds, eine regelmäßige Überprüfung des Apothekerhonorars, die Abschaffung der Importquote, sowie höhere Arbeitspreise für parenterale Zubereitungen. Viel Redebedarf also.

Zu Wort kamen die Apotheker in dieser Woche im Bundesgesundheitsministerium (BMG) aber eher nicht. 89 Verbände waren zur Diskussion geladen. In der ersten Dezemberwoche soll ein Kabinettsentwurf vorliegen. Die erste Lesung im Bundestag für Januar geplant, der erste Durchgang im Bundesrat könnte im Februar folgen.

Beim Thema Notdienst sind auch die Ärzte nicht ganz zufrieden mit dem Gesetzesentwurf. Sie wollen lieber können als müssen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) soll neben Krankenhäusern und Rettungsleitstellen auch mit den Apothekern kooperieren – will aber nicht, zumindest nicht müssen. Mit Rettungsleitstellen würde schon kooperiert, bezüglich der Krankenhäuser befürchten die Ärzte, dass eine Pflicht bereits gut funktionierende Notdienstvereinbarungen gefährden könnte. „Die neuen Regelungen greifen zu stark in die regional sehr unterschiedlich ausgestalteten Notdienstvereinbarungen ein“, hieß es.

Aus der Not des Einen macht der Andere eine Tugend: Den Dienst an der Not sozusagen. So sehen Einzelimporteure in Lieferengpässen eine Chance. Insgesamt rund ein Dutzend Anbieter gibt es, zu den Marktführern gehört der Münchener Spezialhändler Internationale Ludwigs-Arzneimittel (Ilapo). Lieferengpässe seien für das Geschäft auf jeden Fall zunehmend wichtig und sorgten im deutschen Markt für viel Absatz. Blockbuster sind etwa Benzetacil aus Spanien, das anstelle der deutschen Produkte Tardocillin und Pendysin (Benzylpenicillin-Benzathin) genutzt wird, sowie Homviotensin, Bepanthen Ampullen und besonders Tollwutimpfstoff. „Wir wissen aber, dass wir nicht der Heilsbringer für Lieferengpässe sind“, so Ilapo-Chefin Sabine Fuchsberger-Paukert.

Keine Lieferprobleme, dafür aber Abnehmerprobleme hatte Fresenius bei Zytostatika und will nun womöglich dem Geschäftsbereich den Rücken kehren. Die AOK hatte falsche Versprechungen gemacht: Bei der Ausschreibung war Fresenius der große Gewinner und sollte seit Dezember die Rezepturen für die Hälfte der Lose in Hessen liefern. Nur wollten die Ärzte ihre Patienten lieber über die gewohnte Apotheke versorgen. Selbst massive Retaxationen halfen nicht. Schlussendlich verlor die Kasse auch vor Gericht. Zweimal. Die Vertragspartner laufen davon. Dass sich jetzt auch Fresenius zurück zieht, zeigt, wie riskant die Fläche für Selektivverträge ist.

Einen schwierigen Start hat auch die Noweda in Hamburg. In der Führungsriege der Niederlassung gibt es offenbar schon wieder Lücken. Im Vorfeld der Hauptversammlung Ende November sucht die Genossenschaft nach neuen Kandidaten – inkognito. Zuletzt war die Lage zwischen Vertriebs- und Betriebsleiter gespannt. Weder Oliver Wackernagel, in dessen Zuständigkeit die Niederlassung fällt, noch die beiden Ressortchefs aus Essen, Udo Harneit und Karl Josef Paulweber, konnten den Streit schlichten. Beide Manager gingen. Zumindest nach einem Nachfolger wird offenbar gesucht: Auf Jobportalen im Internet hat die Personalberatung Hartkopf für einen namentlich nicht genannten Auftraggeber eine Stelle als „Vertriebsleiter/in Norddeutschland Gesundheitsbranche“ ausgeschrieben.

Auf riskanten Wegen schien sich der Großhändler Alliance Healthcare zu bewegen. Er sah sich unter Spaniens Sonne schweren Vorwürfen ausgesetzt. Laut einem Bericht der Tageszeitung „El País“ soll der Großhändler in illegale Arzneimittelexporte verwickelt sein. Über 200 spanische Apotheken und mehrere pharmazeutische Großhandlungen – darunter Alliance – sollen Medikamente im Gesamtwert von 50 Millionen Euro illegal nach Deutschland und in andere europäische Länder geliefert haben. Im Ausland seien die Medikamente bis zu 800 Prozent teurer verkauft worden sein. In Spanien habe dies zu Versorgungsengpässen bei den Arzneimitteln für die Behandlung von Krebs- und Immunkrankheiten geführt. Laut „El País“ hat ein Außendienstmitarbeiter von Alliance ausgepackt.

Alliance Healthcare dementierte die Vorwürfe. Weder sei man zu den laufenden Ermittlungen zu einer Aussage aufgefordert, noch von den Behörden wegen illegaler Handlungen angeklagt worden, so eine Sprecherin des britischen Mutterkonzerns Alliance Boots.

Scheinbar großzügig zeigt sich Stada-Chef Hartmut Retzlaff: Er will etwas zurück geben. Im Sommer wollte er mit seinen Mitarbeitern noch über unbezahlte Mehrarbeit sprechen, aber der Gewerkschaft gefielen die Pensionsansprüche des Konzernchefs nicht. Jetzt verzichtet Retzlaff auf 40 Prozent der Summe – 15,9 Millionen Euro. Das sei jawohl selbstverständlich. Immerhin habe er seine entscheidenden Berufsjahre bei der Stada verbringen dürfen, nun wolle er dem Unternehmen, dem Standort Deutschland und den Aktionären einen Gefallen tun. Als er 1993 den Vorstandsvorsitz bei der Stada übernommen habe, sei das Unternehmen ein „besserer Hasenstall“ gewesen, so Retzlaff. Er habe die Firma zu einem renommierten MDAX-Konzern ausgebaut. Die Erlöse hätten sich verzwanzigfacht, insgesamt arbeiteten 10.000 Mitarbeiter für Stada.

Große Pläne hat AEP und wirbt für ein neues Konzept: DTP (Direct-to-pharmacy). So neu ist es allerdings nicht: Vor sieben Jahren war schon einmal Pfizer in Deutschland damit auf offene Ohren, aber am Ende ablehnende Hände gestoßen. Statt Ware an- und weiterzuverkaufen, sollten exklusive Vertriebspartner das gesamte Sortiment gegen eine Gebühr im Namen des Herstellers vertreiben. Die Branche hielt der Versuchung stand. Der Großhandelsverband Phagro hatte sich seinen Belieferungsanspruch ins Gesetz schreiben lassen, exklusive Vertriebsvereinbarungen sind seitdem weitgehend ausgeschlossen.

Auch durch die Umstellung der Großhandelsvergütung sind im Hochpreissegment keine besonderen Rosinen mehr zu holen. Stattdessen ist das Direktgeschäft für die Generikahersteller attraktiv, weil sie die Handelsmargen bei besonders preiswerten Produkten vervielfachen können. Nur die Rabattverträge verhindern bislang, dass die Schnelldreher am Großhandel vorbei gehen.

AEP denkt, den Herstellern ein zugeschnittenes Angebot machen zu können: Man sei mehrkundenfähig, weil im Kern Logistiker und nicht Händler, so Geschäftsführer Jens Graefe bei der Inspirato-Konferenz „Zukunft Apotheke“ in Frankfurt. Nur mit DTP könne man als lokaler Player gegen die Übermacht der globalen Konzerne bestehen. „Wir sind der einzige Großhändler, der morgen jede Apotheke in Deutschland beliefern könnte.“

Auf der gleichen Konferenz wurde über die Vor- und Nachteile des deutschen Apothekenmarkts philosophiert: Die Industrie bemängelte, dass sie keinen Zugriff auf den Point-of-Sale (POS) habe und begrüßte, das die Verhandlungen deutlich entspannter seien als in den Jahresgesprächen mit großen Handelskonzernen. Beides liege daran, dass es keine Apothekenketten gebe und OTC-Produkte apothekenpflichtig seien. Dieses Dilemma müsse gelöst werden.

Der deutsche Markt sei experimentierfreudig und verlange keine großen Investments, sagte Thomas Golly, Partner bei der Unternehmensberatung Sempora. In Deutschland komme man über den Außendienst in die Regale, in anderen Ländern nur durch deutlich größere Teams, die professionelle Marketingaktivitäten stringent umsetzten. Außerdem sei der deutsche Markt ethischer, mit viel mehr kleineren Produkte und Nischen. Wenn die Liberalisierung irgendwann käme, müssten sich gerade viele Mittelständler anstrengen, damit sie nicht aus dem Markt gespült werden.

Novartis bemängelte den Sand im Getriebe: Viele Chancen würden vertan, weil Konzepte der Hersteller in den Apotheken nicht nachhaltig umgesetzt würden. Der Versandhandel sei der „absolute Angstgegner“. Stattdessen solle man vom Versandhandel lernen, und genau hinsehen, was das Erfolgsrezept ist – auch in der Beratungs- und Betreuung.

Thorsten Kujath, Vertriebsleiter bei Bayer Vital, kritisierte die tauben Ohren der Apotheker in Bezug auf Kooperationen mit der Industrie: „Viele Apotheker wissen im Grunde gar nicht, warum sie in ihrer jeweiligen Kooperation sind. Unser Außendienst muss den Mitgliedern permanent erklären, was vereinbart wurde.“

Protestrufe holte er sich mit der Kritik ab, dass die Industrie Zahlteller und Aufsteller produziere, die dann in den Apotheken nicht eingesetzt würden. Denn schrullig oder dämlich seien Apotheker keineswegs. Die Industrie solle doch bitte vor ihrer eigenen Haustür kehren. Für alle, die nicht am Samstag putzen müssen, ein schönes Wochenende.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Weniger Bürokratie, mehr Entscheidungsfreiheit
Overwiening lobt Engpass-Initiative
Kasse kennt eigene Vertragspreise nicht
Weniger als EK: DAK feilscht mit Apotheker

APOTHEKE ADHOC Debatte