Abnehmmittel

DrSlym: Der Pleite-Coup der Klym-Familie

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Berlin -

Mit DrSlym ging es steil bergauf – und noch schneller bergab. Das große Werbegetöse, mit dem der Münchner Hersteller sein Diätmittel zu platzieren versuchte, finanzierte Firmenchef Julian Klym auf Pump. Im vergangenen Jahr kam die Pleite, jetzt wurde das Unternehmen aus der Insolvenzmasse verkauft. Neuer Eigentümer ist kein Geringerer als Klym selbst. Das wirft Fragen auf – denn in seinem Gutachten hatte der Insolvenzverwalter kein gutes Haar an Klym gelassen.

Im Februar 2014 in München gegründet, lief der Absatz von DrSlym nur langsam an. Als Klym aber die Apotheken als Vertriebskanal und die ProSiebenSat.1-Tochter SevenVentures als Medienpartner gewinnen konnte, kam das Geschäft in Schwung: Der Umsatz sprang auf 1,5 Millionen Euro, nach jeweils rund 100.000 Euro in den beiden Jahren zuvor.

Kurz darauf fuhr jedoch Konkurrent Lück Health in die Parade: Das Kölner Unternehmen warf DrSlym vor, ein Plagiat des eigenen Produkts Precursor zu vertreiben und erwirkte eine einstweilige Verfügung. DrSlym verschwand wieder aus den Regalen. Im September 2016 kehrte das Präparat mit leicht veränderter Rezeptur zurück – doch wie sich herausstellte, sollte das Unternehmen den Schlag ins Kontor nicht verkraften. Die Umsätze kamen 2017 nicht mehr über 320.000 Euro hinaus.

Am 1. Oktober 2017 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Matthias Hofmann von der Münchner Kanzlei PohlmannHofmann. Mitte Dezember stand dann fest, dass DrSlym an ein Unternehmen namens Leluna verkauft wird. Hinter der Firma steht Klym, Geschäftsführerin ist Gerline Otter – dem Vernehmen nach handelt es sich um die Mutter des Unternehmers. Einen anderen Interessenten gab es offenbar nicht.

Schaut man in das Gutachten des Insolvenzverwalters, stellt sich unweigerlich die Frage, wie DrSlym an den früheren Eigentümer verkauft werden konnte. Denn der Rechtsanwalt stellt nicht nur ein vernichtendes Zeugnis über das Verhalten des Firmenchefs während der Insolvenz aus, sondern erhebt schwere Vorwürfe gegen den Geschäftsmann, die das Zeug haben, vor der Staatsanwaltschaft zu landen.

Hofmann zufolge hat Klym seine Bemühungen als Insolvenzverwalter unterlaufen, ihn belogen, seine dringenden Ratschläge missachtet und den Betrieb fortgeführt, obwohl schon längst absehbar war, dass DrSlym zahlungsunfähig wird. Bei Eröffnung des Verfahrens hatte Klym seinen vormals elf Beschäftigten schon seit drei Monaten keinen Lohn mehr gezahlt, die Miete für die Geschäftsräumlichkeiten war ebenfalls im Rückstand. Sich selbst hingegen habe er auch während der Geschäftskrise „weiterhin – jedenfalls zeitweise – Gehälter in erheblicher Höhe ausgezahlt“, schreibt Hofmann.

Als er übernommen habe, seien „keinerlei liquide Mittel“ mehr vorhanden gewesen – auch deshalb, weil die Burda Magazine Holding, einer der Medienpartner Klyms, das Geschäftskonto hatte pfänden lassen. Doch selbst die 600.000 Euro, die Klym Burda schuldete, wirken wie Peanuts im Vergleich zum Betrag, der bei der ProSiebenSat.1-Tochter SevenVentures ausstand: Von Schulden in Höhe von 4.458.363,04 Euro spricht das Insolvenzgutachten. Für den großen Wurf, den Klym damals mit dem Werbevertrag gemacht hat, hat er offensichtlich niemals bezahlt. Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber den 150 Gläubigern auf knapp 7 Millionen Euro. Demgegenüber standen vernachlässigbare liquide Mittel.

Dass er das Unternehmen – das dem Gutachten zufolge „seit jeher über keine hinreichende Eigenkapitaldecke verfügte“ – an die Wand gefahren hat, hätte Klym laut Hofmann schon weit vor der Stellung des Insolvenzantrags sehen müssen. Seiner Einschätzung nach sei die Zahlungsunfähigkeit „spätestens im März 2017“ eingetreten, „gegebenenfalls sogar zu einem früheren Zeitpunkt“. Dennoch habe er „trotz Absehbarkeit der Liquiditätskrise keine hinreichende Maßnahmen zu deren Lösung oder zur Vorbereitung einer Insolvenzantragstellung in die Wege geleitet.“

Damit steht der Vorwurf der Insolvenzverschleppung im Raum. Und mehr noch: Nicht nur habe er die notwendigen Vorkehrungen nicht getroffen, „sondern vielmehr im Laufe des Jahres 2017 einzelne Gläubiger – trotz ohnehin stark eingeschränkter Liquidität – bevorzugt befriedigt“.

Hofmann ließ schon zu Beginn des Verfahrens keinen Zweifel an seiner Einschätzung aufkommen, dass ein Verkauf des Unternehmens der einzige Weg war, noch etwas zu retten. Einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung konnte er Klym ausreden, doch das war es wohl auch schon mit der Kooperationsbereitschaft.

Entgegen Hofmanns ausdrücklicher Aufforderung, dass er „zwingend in die entsprechenden Gespräche einzubinden“ sei, habe sich Klym – erfolglos – allein auf die Suche nach Investoren gemacht. Und denen gegenüber sei er wohl nicht gerade aufrichtig gewesen. Zumindest „befürchte“ Hofmann, dass Klym sie über die Rahmenbedingungen und die technische Abwicklung der Investments „nicht hinreichend informiert“ habe. Statt einer ernsthaften Suche nach Rettern des Unternehmens bestand bei Hofmann deshalb „der Eindruck, dass Herrn Klym vorrangig daran gelegen war, sich jeglicher Lösung zu verschließen, welche nicht auch seine Person zukünftig eingebunden hätte“. Dieses Verhalten habe den beabsichtigten Verkaufsprozess „deutlich erschwert, erheblich verzögert und gegebenenfalls sogar vereitelt“.

Laut Hofmann hatte Klym mit seinem Mediapartner Seven Ventures sowie dem Lohnhersteller Symrise gesprochen – beide hätten seiner Meinung nach aber zu keinem Zeitpunkt ein konkretes Interesse an einer Übernahme gehabt. Ende September nannte Klym dem Insolvenzverwalter auf „wiederholte Nachfragen zu potentiellen Investoren“ weitere Interessenten, mit denen er angeblich in Verhandlungen stand. Doch laut Hofmann handelte es sich weitgehend um Finanzierungsvermittler. Auch ein Angebot aus Dubai, 500.000 Euro zu einem Zinssatz von 12 Prozent zur Verfügung zu stellen, lehnte der Insolvenzverwalter ab.

Denn aus seiner Sicht war noch nicht einmal abschließend geklärt, ob DrSlym seine Produkte überhaupt vertreiben darf. Der Rechtsstreit mit der Firma Lück war nämlich keineswegs vom Tisch: Das OLG München hatte die ursprüngliche Rezeptur für rechtswidrig erklärt, doch auch gegen die geänderte Zusammensetzung war der Konkurrent vorgegangen und hatte beim Landgericht München ein Ordnungsgeld von 50.000 Euro gegen DrSlym erwirkt. Die Entscheidung über die modifzierte Variante war zwar noch nicht rechtskräftig, aber offenbar keineswegs so unangreifbar, wie Klym behauptet hatte.

Erst die Rücksprache mit Lück und dem Gericht habe ans Licht gebracht, dass Klym ihn belogen habe, schreibt Hofmann. Daraufhin habe er ihm „dringend angeraten“, den Vertrieb angesichts der ungeklärten Rechtslage „sofort einzustellen“. Doch Klym ignorierte den Rat; stattdessen habe er sich „ausdrücklich gegen eine Einstellung“ und insbesondere gegen eine Abschaltung des Online-Shops entschieden.

Für Klym war der Rechtsstreit einer der Gründe für den Einbruch des Umsatzes; als das neue Produkt auf den Markt gekommen sei, sei die Saison im Bereich Diät und Abnehmen vorbei gewesen. Auch sei es ein Fehler gewesen, sich auf die Apotheken als einzigen Absatzkanal zu konzentrieren. Klym wollte sein Produkt daher laut Hofmann in die Drogerien und in den Lebensmitteleinzelhandel bringen; geplant waren Listungen unter anderem bei Rewe und Edeka.

Hofmann teilte weder die Analyse noch die Perspektive: Eine Fortführung des Unternehmens unter Vollkostengesichtspunkten sei „nicht einmal für wenige Tage denkbar“, so sein Fazit. Immerhin standen bislang Umsätzen von 2 Millionen Euro Verluste von 3,7 Millionen Euro gegenüber. Die Liquiditätslage sei „völlig prekär“, Auftragseingänge so gut wie nicht zu verzeichnen.

Die einzig in Betracht kommende Lösung sei der Unternehmensverkauf, so Hofmann. Dass Klym jetzt quasi durch die Hintertür wieder zu DrSlym gekommen ist, muss dem Insolvenzverwalter bewusst gewesen sein. Er kannte die Familie bereits, die seit Anfang der 2000er Jahre mit einer Reihe von Unternehmen in die Insolvenz geraten war.

Hofmann wollte sich auf Nachfrage nicht zu den Hintergründen und Konditionen äußern. Mit der Insolvenz dürfte Klym sich der Schulden gegenüber seinen bisherigen Geschäftspartnern weitgehend entledigt haben, die die Marke für ihn groß gemacht haben. Ob DrSlym das Zeug für ein Comeback hat, hängt jetzt wohl davon ab, dass er neue Partner findet. Der Webshop ist derzeit noch nicht zu erreichen, in den Apotheken ist aber bereits ein Nachfolgeprodukt gelistet. Lieferant ist die Vertriebsfirma Apozen.

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