Kommentar

Gut gefälscht ist halb so schlimm

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Berlin -

Das Auftauchen von gefälschtem Omeprazol Ratiopharm in der regulären

Lieferkette markiert einen Wendepunkt in der deutschen

Arzneimittelversorgung: Kein teures Spezialpräparat, sondern ein

generischer Schnelldreher wurde von kriminellen Akteuren bis in die

Apotheken geschleust. Noch ist unklar, wer hinter dem Vorfall steht.

Peinlich ist aber, wie die unmittelbar betroffenen Akteure damit

umgehen. Denn während die Branche an einem Sicherheitssystem arbeitet,

wird der Fall einfach totgeschwiegen.

Nach Angaben von Staatsanwaltschaft Stuttgart und Regierungspräsidium Tübingen weisen die Fälschungen bezüglich des Wirkstoffs einen „hohen Standard“ auf und sind unbedenklich. Laut Ratiopharm bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für die Patienten.

Mittlerweile äußert sich überhaupt niemand mehr zu dem Vorfall – wegen der laufenden Ermittlungen. Es gibt also zwei Möglichkeiten, wie die illegale Ware in den legalen Vertriebsweg gekommen sein könnte: Entweder haben die Großhändler bei dubiosen Quellen eingekauft oder schon dem Hersteller wurden die Fälschungen untergeschoben.

Laut Staatsanwaltschaft sollen die Plagiate aus Spanien stammen – dort produziert ein Lohnhersteller des Ratiopharm-Mutterkonzerns Teva Omeprazol für ganz Europa. Auffällig ist auch, dass man ausgerechnet in Ulm im Zusammenhang mit den Fälschungen von „vergleichbarer, sehr guter industrieller Qualität“ spricht. Und dass die Fälschungen von der Abteilung Qualitätssicherung des Konzerns entdeckt wurden.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Neben den Patienten ist in erster Linie Ratiopharm Opfer der Fälscher. Der Konzern hat die gefälschte Ware umgehend gemeldet und die Rückrufaktion eingeleitet. Die Behörden haben sich dann dagegen entschieden, den Fall publik zu machen – und allen Beteiligten einen Maulkorb verpasst.

Aber ist es angebracht, die betroffenen Chargen still und heimlich zurückzurufen und zu hoffen, dass niemand von dem Vorfall etwas mitbekommt? Es den Apotheken zu überlassen, jetzt die verunsicherten Patienten zu informieren. Wenn Fälschungen erst gefährlich sein müssen, damit es zu einem Aufschrei kommt, dann wird Arzneimittelsicherheit zur Auslegungssache.

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