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Kassen verwalten Rabattarzneimittel selbst Alexander Müller, 10.09.2016 08:02 Uhr

Berlin - 

Nullretax, doppelte Defektbelege und Lieferscheinkontrolle – die Krankenkassen haben doch schon alles versucht, um ihre Rabattverträge durchzusetzen. Es hilft nichts: Die Apotheker setzen immer noch frech ihr Sonderkennzeichen für Nichtverfügbarkeit. Besondere Engpässe verlangen besondere Maßnahmen: Die Kassen wollen ihre Rabattarzneimittel jetzt selbst verwalten.

Die Idee sieht so aus: Die Kassen schließen wie gewohnt ihre Rabattverträge. Mit Abschluss erhalten sie das Recht, die ausgeschriebene Menge direkt ab Werk zu beschlagnahmen und auf Kosten des Herstellers nach Deutschland zu importieren – sollte der Anbieter ausnahmsweise nicht in Deutschland produzieren.

Die Großhändler müssen die Ware – so der Vorschlag – dann direkt in den Geschäftsstellen der Kassen abholen und konfektioniert zu den Apotheken liefern. Der variable Teil der Großhandelsmarge fällt dabei selbstverständlich den Kassen zu – für den eigenen Aufwand. Die Apotheker müssen die Arzneimittel getrennt lagern und dann an die jeweiligen Kassenpatienten abgeben.

Wenn die Kiste einer Kasse leer ist, dürfen die Apotheker die Sonder-PZN zur Nichtverfügbarkeit auf das Rezept drucken. Allerdings muss der zuständige Betriebsleiter im Herstellwerk an Eides statt versichern, was er wann geliefert hat. Der Bundespräsident muss die Defektmeldungen unterschreiben. Sind die fertigen Belege aber innerhalb einer Woche bei der Kasse, droht auch keine Retaxierung. Man pflege schließlich ein partnerschaftliches Miteinander, heißt es im Kassenlager.

Bis diese Pläne umgesetzt werden können und der Gesetzgeber den GKV-Wunschzettel abgearbeitet hat, begnügen sich Kassen wie die AOK Rheinland/Hamburg mit doppelten Defektbelegen von zwei Großhändlern. Abgesehen davon seien die Hersteller doch jederzeit gerne bereit, einen Engpass zu quittieren. Ja natürlich, mit Freude! Als Warnschuss wird AOK-seitig daher vorerst nur schattenretaxiert. Die TK verhandelt noch mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV), was man bei Defekten sehen möchte. Und die DAK? Die ist zur Ausnahme genügsam und glaubt den Apothekern, wenn deren Großhändler sagt, dass er nichts hat und auch nichts kriegt. Soll's auch mal geben.

„Gibt es denn überhaupt Engpässe?“, fragen sich die Experten im Bundesgesundheitsministerium (BMG). Und fragen nicht nur sich, sondern auch andere. Zum Jour fixe traf man sich beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, wo der Engpass gewissermaßen zu Hause ist. Zumindest mal darüber reden – wenn wie neulich sogar schon die Tetanus-Impfung defekt ist. Ohne Zwang geht es nicht, ist jedoch Professor Dr. Hilko Meyer überzeugt: Der Medizinrechtler will die Hersteller mit Sanktionen dazu verpflichten, sich anständig zu bevorraten.

Ob lieferbar oder nicht, die Kassen finden jedenfalls, dass Apotheker viel zu viel an der Abgabe teurer Arzneimittel verdienen. Das muss weniger werden. Deckel drauf – schlägt und rechnet der GKV-Spitzenverband vor. Kreativ, mit welchem erstaunlichen Kniff er auf seine Zahlen kommt.

Mehr Geld bekommen sollen die Apotheker für Rezepturen. Die Kassen sind dagegen, aber Minister Gröhe bleibt in diesem Punkt bislang hart. Aber was nützt den Apothekern das, wenn der Kunde die hergestellte Salbe am Ende gar nicht will. Über den Sinn einer Plausibilitätsprüfung wurde sehr anschaulich vor dem Amtsgericht München gestritten und die Richter haben sehr plausibel entschieden: Der Kunde ist kein Sonnenkönig.

Das ist eigentlich auch bekannt. Absolutistische Herrschaft und Machtwillkür sind anderen in der Branche vorbehalten. Und selbst die fühlen sich mitunter machtlos. Wie die arme Chefermittlerin der KKH. Die nicht glaubt, dass sie noch ein sauberes und korruptionsfreies Gesundheitswesen erleben wird. Sie hält den Großteil der Leistungserbringer für recht gewissenlose Halunken.

Für zumindest rücksichtslos hält ein easy-Apotheker aus NRW den Generikahersteller TAD. Der hat ihm nämlich schon die zweite PTA aus der Offizin gemopst. Zumindest an der Finanzierung der PTA-Schule könnte sich TAD beteiligen, findet der Apotheker. Sein easy-Kollege aus Moers erweitert seine erste Parkplatz-Modul-Apotheke derweil um ein Drive-through – was ja irgendwie naheliegend ist. Andere Apotheken setzen auf mehr Nähe zum Kunden und verkaufen Intim-Aftershaves.

Aus der Welt der Hersteller: Die Strüngmanns haben sich von Neuraxpharm getrennt und setzen jetzt voll auf Aristo. Bayer hat mit seinem Johanniskrautpräparat Laif 900 ein Doppelproblem: Schwierigkeiten bei der Rohstoffqualität und Probleme mit aufgequollenen Tabletten. Der Konzern hat „Maßnahmen zur Minimierung der Feuchteempfindlichkeit“ eingeleitet.

Weiter gestritten wird um Zyto-Verträge. Die ABDA hat alle beteiligten Fachärzte um sich versammelt, um Ausschreibungen zu verhindern. Die TK findet das vernünftig – und will demnächst ausschreiben. Der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich will lieber Rabattverträge über die verwendeten Arzneimittel schließen lassen. Die AOK erklärt dagegen alle Kritik an ihren Verträgen für Märchen. Die meisten Ärzte würden nämlich seit Vertragsbeginn von derselben Apotheke versorgt wie vorher und oft sei es jetzt viel näher. Merkt ihr selber, oder?

Und bei der ABDA geht es für ABDA-Verhältnisse geradezu krawallig zu: Präsident Friedemann Schmidt möchte weitermachen, aber nur mit seinem Vize zusammen. Und jetzt wirft mit Kai-Peter Siemsen doch tatsächlich noch einer seinen Hut in den Ring. Eine Kampfkandidatur? Nein, eine Wahl. Schönes Wochenende!