ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Impfende Apotheker? Ein Arzt schlägt zurück Alexander Müller, 05.09.2020 07:55 Uhr

Berlin - 

Ärzte fühlen sich nicht per se als etwas Besseres. Natürlich kann das jeder – wenn er es denn gelernt hat. Spritzen setzen zum Beispiel. Wenn die Apotheker jetzt meinen, sie könnten Grippeimpfungen in ihrem Beratungszimmer setzen, dann müssen sie mit einer Reaktion rechnen. Allgemeinmediziner René Schulz bietet jetzt verschiedene apothekentypische Dienstleistungen in seiner Praxis an.

Als er las, dass der benachbarte Apotheker Matthies künftig SEINE Patienten gegen die Grippe impfen wollte, war Arzt Schulz als erstes in den Sinn gekommen: Gut, dann eben österreichische Verhältnisse und ich richte mir eine schöne Hausapotheke ein. Verordnen, abgeben, doppelt kassieren. Doch Salerno erinnerte ihn daran, dass das nun doch nicht geht.

Wie aber dem übergriffigen Apothekarius beikommen? René Schulz studiert den Alltag des ungeliebten heilberuflichen Vetters und schmiedet Vergeltungspläne. Er ruft nachts im Notdienst an, aber die Freundlichkeit auf der anderen Seite will einfach nicht abreißen. Außerdem ist ein Streich weniger witzig, der für beide Seiten gleich aufwändig ist.

René verordnet die übelsten Rezepturen, aber auch das funktioniert nicht. PTA Katrin ist eine leidenschaftliche „Rezeptionistin“ und rührt alles weg, was der Doc verordnet. Schlimmer noch: Er muss sich immer öfter entwürdigender Plausibilitäts-Vernehmungen unterziehen. Das macht es nicht wirklich besser.

Aber dann kommt unser Mediziner die zündende Idee: Er klaut einfach alle Dienstleistungen! Erstes Ziel: Der Medikationscheck. Wenn nur diese verfluchte Praxissoftware ein bisschen mehr up to date wäre… Aber Arzt Schulz hat schon einen neuen Plan: Am nächsten Morgen hängt ein großes Schild in seinem Wartezimmer: „Stützstrümpfe abmessen gleich hier in der Praxis. Unser Team berät sie gern!“ Ha, da wird der Herr Pharmazeut aber ein langes Gesicht machen…

Jetzt mal im Ernst: Warum machen die Ärzte immer gleich so ein Geschrei, wenn es um das Thema Impfung in der Apotheke geht? Und warum zieren sich die Apotheker „wie `ne Zicke im Milcheimer” (wie passend: aus „Zwei außer Rand und Band“)? Es geht um Infektionsschutz, nicht um Grabenkämpfe oder unmittelbare Rendite. Das wird sich sicher auch noch herumsprechen.

Vor allem aber: Es muss genug Impfstoff da sein. Die Wochen der Entscheidung stehen an, die Vorbestellungen laufen. Und es steht die Frage im Raum: Was macht Minister Spahn mit seiner nationalen Reserve? Und wenn irgendwann ein Corona-Impfstoff da ist, kommt auf die Logistikbranche eine besondere Herausforderung zu: Die neuen RNA-Impfstoffe müssen tiefgekühlt gelagert und transportiert werden. Die Hersteller fordern Temperaturen von minus 20 bis minus 80 Grad, um die chemische Stabilität zu gewährleisten.

Lassen wir die bösen Spritzen mal beiseite: Wie wäre es denn mit Corona-Tests aus der Apotheke? Ja? Nein? Mit AProof ist jetzt wieder ein Test auf dem Markt. Der primäre Verkauf soll über die Apotheke laufen, aber nur als Vertriebspartner. Die Probe soll der Patient zu Hause selbst durchführen, die Analyse das firmeneigene Labor von Adversis Pharma.

Doch aus den Reihen der Apothekerverbände erklingen die Warnrufe. Auch die Abda warbt, das Angebot sei unzulässig, da es sich um eine „nicht apothekenübliche Dienstleistung“ handele, so wie Ohrlochstechen. Das ändere sich, so die Abda, auch dann nicht, wenn der Inhaber einen Arzt oder eine medizinische Fachangestellte in die Offizin bestellt. Kollegin Alexandra Negt meint in ihrem Kommentar: „Lasst die Apotheken testen!“ Was meinen Sie?

Ein anderer Kollege aus der Schlussredaktion hat den Nagel auf den Kopf getroffen, als er für den Newsletter-Betreff getextet hat: Politiker dementiert Blamage. Eigentlich ist damit alles gesagt. Hier ist trotzdem die Notdienst-Posse in ihrer ganzen Schönheit, inklusive des schon angesprochenen Zitats des SPD-Politikers.

Wenn Sie bei Hämophilie-Rezepten lieber auf Nummer Sicher gehen wollen, empfehle ich Ihnen unseren Faktencheck. Und wenn Sie der eher abwägende Typ sind, gibt es hier ein Pro und Contra zu Hämophilie-Präparaten in der Apotheke.

Eine gute Nachricht zum Abschluss: Apotheker Wolfram Schmidt hat erfolgreich Einspruch gegen eine Retaxation eingelegt. Das soll ja hin und wieder vorkommen, aber in diesem Fall hat die Kasse in ihrem ausführlichen Antwortschreiben sogar Fehler eingestanden und Besserung gelobt. Na bitte. Schönes Wochenende!