Arzneimittelausgaben

Ludwig: Ärzte sollen besser verschreiben

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Berlin -

Mehr als 700 Euro für eine Tablette – der Preis des Hepatitis-Präparats Sovaldi (Sofosbuvir) hat die Diskussion um Arzneimittelkosten angefeuert. Vielfach wird debattiert, wie die Ausgaben beschränkt werden können. Bei einem Diskussionsforum der AOK Nordost sah man vor allem die Ärzte in der Pflicht, ihr Verordnungsverhalten anzupassen. Außerdem müsse es Regulierungsinstrumente geben, um Mondpreise zu verhindern, forderte Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WidO).

Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), kritisierte erhebliche Mängel bei den Zulassungen. Aus seiner Sicht kann im Umfeld der Markteinführung noch gar nicht bewertet werden, wie gut das Arzneimittel wirkt. Ludwig hält die frühe Nutzenbewertung daher nur für sinnvoll, wenn sie von einer späten Nutzenbewertung ergänzt wird.

Ludwig forderte, Arzneimittel rationaler einzusetzen, um Kosten zu vermeiden. Dafür müsse es mehr wissenschaftsinitiierte und unabhängige Studien geben, eine Kosten-Nutzen-Bewertung, eine verbesserte Evidenz nach der Zulassung und eine Qualitätsverbesserung anstelle neuer Wirkstoffe. Ludwig setzt sich außerdem dafür ein, innovative Arzneimittel gezielt einzusetzen. In der Schweiz beispielsweise werde Sovaldi erst ab einem bestimmten Fibrosegrad eingesetzt, so Ludwig.

Der Mediziner kritisierte, dass viele Kollegen Arzneimittel verordneten, obwohl der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine negative Bewertung abgegeben hätte. „Wir erreichen nur 10 bis 20 Prozent der Ärzte“, schätzt Ludwig, der auch Herausgeber des Arzneimittelbriefs ist. Er ist überzeugt, dass sich enorme Kosten allein dadurch sparen ließen, dass ein gutes Informationssystem für Ärzte aufgebaut würde – aus seiner Sicht vielleicht sogar ein Projekt für den Innovationsfonds. Schröder hält auch Qualitätsverträge mit Ärzten für einen Weg. Dafür würde man auch ein Beratungshonorar in Kauf nehmen.

Ursula Nonnemacher, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag Brandenburg, betonte: „Wir müssen uns klarmachen: Wir haben beschränkte Ressourcen und mit denen müssen wir klar kommen.“ Die Ärztin setzt dabei auf Verhaltensänderungen und Präventionsangebote, mit denen aus ihrer Sicht viele Kosten gespart werden könnten.

Aus Nonnemachers Sicht ist ein Mentalitätswechsel auf verschiedenen Ebenen nötig: bei der Politik, bei den Patienten mit ihrer Erwartungshaltung und bei Ärzten. Solange Mediziner in einem System mitspielten, in dem sie offen für Pharmareferenten seien und gesponserte Fortbildungen besuchten, seien sie „korrumpierbar“. Und solange müssten sich die Mediziner auch selbst in Frage stellen.

Schröder kritisierte, dass die Kassen der Preisgestaltung der Hersteller „machtlos“ gegenüberstehen. Daher brauche es Regulierungsinstrumente. Die Forderung, dass die ausgehandelten Preise rückwirkend gelten, sei dabei nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“: Für die 56 Wirkstoffe, für die Erstattungsbeträge ausgehandelt wurden, hätten damit lediglich rund 220 Millionen Euro eingespart werden können – allein für Sovaldi hätten die Kassen aber bereits 1,5 Milliarden Euro ausgegeben. Für die Hochpreiser sieht er allerdings keine Lösung.

Nonnemacher betonte, dass es durchaus einen Ausgleich für die Pharmaindustrie geben müsse. Diese sei immerhin ein wichtiger Arbeitgeber und solle nicht zum Nulltarif tätig sein, aber eine freie Preisfestsetzung ist aus ihrer Sicht auch problematisch. Sie fordert daher Transparenz über Forschungs- und Entwicklungskosten sowie zu den Gewinnerwartungen der Industrie. Auf dieser Basis könnten faire Preise ausgehandelt werden, meint auch Schröder.

Dem stimmte Ludwig zu. „Für echte Innovationen sollten vernünftige Preise gezahlt werden“, betonte er. Allerdings gibt es aus seiner Sicht zwei Unbekannte: den Nutzen zum Zeitpunkt der Zulassung und die Forschungs- und Entwicklungskosten. Er kritisiert, dass die Unternehmen nur 13 bis 14 Prozent dafür aufwenden, aber 30 Prozent für das Marketing.

Ludwig betont, dass man sich zunächst über die Evidenz klar werden müsse, um die Ressourcen gerecht zu verteilen. „Es ist ein Skandal, dass wir nicht in der Lage sind, Krebspatienten vernünftig mit Gesprächen zu betreuen“, sagte er. Stattdessen werde in den letzten Monaten der Krebstherapie so viel Geld verpulvert wie kaum woanders. „Wir brauchen eine gute palliativmedizinische Versorgung“, forderte Ludwig.

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