Kontrazeptiva

Desogestrel: OTC-Switch überfällig?

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Berlin -

In wenigen Wochen steht die Entscheidung über einen OTC-Switch für Desogestrel 75 µg auf der Agenda des Sachverständigenausschusses für Verschreibungspflicht (SVA). Die Minipille könnte damit bald rezeptfrei werden – zu (Un)recht?

Während die „Pille danach“ hierzulande inzwischen ohne Rezept erhältlich ist, sind orale Kontrazeptiva weiterhin rezeptpflichtig. Das gilt sowohl für Kombi-Präparate mit Östrogen- und Gestagenkomponente als auch für die Minipille, die lediglich auf Gestagene setzt. Für letztere könnte mit der Verschreibungspflicht bald Schluss sein. Denn am 23. Januar beraten die Expert:innen des SVA über einen OTC-Switch für Desogestrel 75 µg. Zu Recht, heißt es von verschiedenen Expert:innen.

Minipille mit weniger Nebenwirkungen als Kombipräparate

Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Pille nicht mehr das Verhütungsmittel Nummer eins ist, sondern vom Kondom abgelöst wurde. Einen möglichen Grund dafür sehen Expert:innen auch in der bestehenden Verschreibungspflicht. Denn: Laut einer Studie gab mehr als die Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter an, dass die mit der Verschreibungspflicht einhergehenden Probleme wie lange Wartezeiten in der Arztpraxis, Zeitmangel für das Wahrnehmen von Terminen, Aufwand für die Beschaffung von Verhütungsmitteln und Co. den Zugang zu oralen Verhütungsmitteln behindern.

Hinzu kommen die möglichen Nebenwirkungen, die oralen Kontrazeptiva zugesprochen werden. Stichwort Thromboserisiko. Hauptverantwortlich dafür sind die enthaltenen Östrogene, wie Professor Dr. Thomas Herdegen vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel in einem Pressegespräch betont: „Monopräparate nur mit Gestagenen wie die Minipille sind risikofreier und ohne die estrogenen Nebenwirkungen.“ Und hier komme Desogestrel 75 µg ins Spiel.

Ja zum OTC-Switch für Desogestrel 75 µg?

Desogestrel gehört zu den Gestagenen der dritten Generation und wird in der Leber durch das Cytochrom P450 (CYP3A)-Isoenzym umgewandelt, um seine Funktion ausüben zu können. Die Bioverfügbarkeit liegt bei 81 Prozent, die Halbwertszeit bei zwölf Stunden. Im Gegensatz zu anderen Gestagenen ist bei Desogestrel eine durchgehende Einnahme – sprich ohne Pillenpause – möglich. Der Einnahmezeitraum sollte immer innerhalb desselben Zwölf-Stunden-Fensters erfolgen.

Die Hauptwirkung von Desogestrel basiert auf der Hemmung der Ovulation. Hinzu kommen eine Hemmung der Uterusschleimhaut und der follikularen Entwicklung, sowie eine Verdickung des Zervixschleims. Eine Spermien-Penetration bleibt dagegen aus. Der Pearl-Index von Desogestrel 75 µg wird auf 0,14 beziffert. Außerdem kann das Gestagen laut Studien dazu beitragen, die Beschwerden von Dysmenorrhoe zu lindern. Ein Zusammenhang zu einem vermeintlich erhöhten Brustkrebsrisiko unter der Anwendung ist bisher nicht bestätigt.

Kontraindiziert ist Desogestrel bei schweren Leberfunktionsstörungen und akuten Thromboembolien. Eine Kombination mit Johanniskraut ist zu vermeiden.

Aus pharmakologischer Sicht sei Desogestrel ein sicheres Kontrazeptivum, so Herdegen, der sich für einen OTC-Switch von Desogestrel 75 µg ausspricht. „Die Entlassung von Desogestrel aus der Rezeptpflicht ist ein längst fälliger Schritt der Autonomie von Frauen, der vom guten pharmakologischen Sicherheitsprofil unterstützt wird“, lautet seine Schlussfolgerung.

Auch Apotheken sprechen sich mehrheitlich für eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht für die Minipille aus. Der Hauptgrund: Frauen brauchen einen einfachen Zugang zu hormonellen Verhütungsmitteln. Kommt es zu einem OTC-Switch für Desogestrel 75 µg, sollten jedoch entsprechende Schulungen stattfinden, zeigen die Ergebnisse einer im „European Journal of Contraception & Reproductive Health Care“ veröffentlichten Studie.

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