64.500 Euro fehlen

So dreist klaute mein Filialleiter

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Berlin -

Als im November 2022 gleich die gesamte Belegschaft seiner Filialapotheke in Pirmasens an Corona erkrankte, machte sich Apotheker Christian Engel mit etwas Unterstützung aus der Hauptapotheke in Blieskastel auf den Weg, um das Alltagsgeschäft zu vertreten. Die Apotheke war schon damals unwirtschaftlich, doch bisher hatte Engel keine kriminellen Absichten dahinter vermutet. Doch dann überprüfte er die Bücher: In 158 Fällen stimmte die Kasse nicht, der fehlende Betrag summiert sich auf schlappe 64.500 Euro.  

Die Kassenabrechnungen jedes Tages wurden immer einzeln mit dem Geld in Tüten verpackt, die der Filialleiter prüfen und anschließend zur Einzahlung der Bank übergeben sollte. Als Engel kurz nach seinem Antreffen den Tresor überprüfte, fiel ihm auf, dass die letzte Abrechnung – also eine Tüte – fehlte. Er fragte daher im Mitarbeiterchat nach, ob jemand diese vielleicht in seinem Spind vergessen hatte oder so. Sein Filialleiter verhielt sich komisch. „Er wollte sofort kommen und suchen helfen, dabei hatte ich ihm gesagt, dass er ohnehin nur noch zwei Tage krankgeschrieben sei und wir das auch dann machen könnten.“ Als der Angestellte allerdings trotzdem wenig später auf der Matte stand und die Apotheke auf den Kopf stellte, wurde Engel misstrauisch.

158 falsche Einträge

Er überprüfte das elektronische Kassenbuch und die Einzahlungsbelege und fand Unstimmigkeiten – in 158 Fällen im Zeitraum vom Februar 2021 bis November 2022. Insgesamt fehlte ein Betrag von 64.500 Euro. Allein im Oktober 2022 fehlten laut Engel rund 8500 Euro. Das Warenwirtschaftssystem Awinta, das in der Apotheke genutzt wird, mache am Ende jedes Tages automatisch eine Abschöpfung, jeder neue Tag beginne dann mit 0 Euro. Aber auch auf die gesamte Woche gerechnet stimmten die Beträge nicht.

„Er hat sich nicht einmal Mühe gegeben, den Diebstahl zu verschleiern“, so Engel. Einzahlungsbelege bei der Bank seien einfach an die entsprechenden elektronischen Kassenabrechnungen geheftet worden, obwohl die Geldbeträge nicht passten.

Auch sein Steuerberater hatte sich allem Anschein nach nicht die Mühe gemacht, die Einzahlungen mit den Tagesabschlüssen zu vergleichen. „Ich habe natürlich dann auch sofort den Steuerberater gewechselt“, sagt Engel. Sollte es im laufenden Prozess zur Verurteilung kommen und er auch seine Ansprüche durchsetzen können, aber trotzdem keine Rückzahlung vom ehemaligen Filialleiter erhalten, will Engel auch eine Schadenersatzklage gegenüber seinem ehemaligen Steuerberater nicht ausschließen.

Apotheke macht dicht

Seinem Filialleiter kündigte Engel fristlos. Dieser wehrte sich sogar noch gegen die Kündigung in einem Gerichtsverfahren; als er mit den Unstimmigkeiten in der Buchhaltung konfrontiert wurde, plädierte er auf unschuldig: Die Boten hätten weniger eingezahlt als er ihnen gegeben hätte. Trotzdem musste er nach der Verhandlung rund 22.000 Euro in Monatsraten von 500 Euro zurückzahlen. „Nicht, weil es ein Schuldeingeständnis gegeben hätte. Er argumentierte, dass ihm als Filialleiter hätte auffallen müssen, dass die Apotheke beklaut worden sei“, erklärt Engel.

Prozessbeginn

Wegen des Diebstahls ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den Filialleiter und kam auf insgesamt 48 Fällen und eine Summe von 36.000 Euro – weniger also als Engel an Unstimmigkeiten in den Büchern festgestellt hat. „Sie haben mir gesagt, dass sie wohl nicht den gesamten Zeitraum betrachtet haben“, so Engel einen Tag nach dem ersten Gerichtstermin. Jeder einzelne Zugriff gelte als eigene Straftat. Beim ersten Termin seien nur die Sachverhalte beleuchtet und Zeugen vernommen worden. Anklage und Verteidigung konnten ihren Fall erläutern. Der Filialleiter, so Engel, weise weiterhin jede Schuld von sich.

Man habe aber wohl ein Konto seiner Frau in Luxemburg entdeckt und würde mit den dortigen Behörden zusammen an dem Fall arbeiten. „Wenn ich unschuldig bin, warum soll ich ein Konto in einem anderen Land haben, in dem ich gar keine Einnahmen habe?“, fragt sich Engel.

Nach den Enthüllungen wurde die Filialapotheke in Pirmasens direkt Ende November 2022 geschlossen. Trotz seiner Erfahrung hat Engel der Idee einer weiteren Filialapotheke noch nicht abgeschworen. Es muss nur der richtige Filialleiter sein.

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