Apotheke an der Fanmeile

Fußballfans und Profidiebe

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Berlin -

Viele tausend Fußballbegeisterte werden heute wieder die Fanmeilen besuchen und die Partien der Europameisterschaft (EM) auf großen Leinwänden verfolgen. Bis in die Nacht wird ausgelassen gefeiert, gesungen und getrunken. Der Berliner Apotheker Dr. Roland Schmidt hingegen denkt an das Flaschensammeln vor seiner Tür am Morgen danach. Mit Fußballfans in der Offizin hat er keine Probleme. Sorge bereiten ihm dagegen die kriminellen Banden, die den Trubel ausnutzen.

300 Meter trennen die Apotheke in der Straße Unter den Linden und die Hauptbühne der größten Fanmeile in Deutschland voneinander. Während des Turniers treffen Schmidt und sein Team regelmäßig auf Fußballfans. Ab und an weckt Schmidt einen eingeschlafenen Zuschauer vor der Offizin. „Gerade der Absatz vor der Apotheke lade zu einem Schläfchen ein“, scherzt er. Das komme öfter vor, sei aber nicht so dramatisch. Sein Verhältnis zu den Fußballfans aus aller Welt ist in der Regel gut. Angeheiterte Kunden würden die Stimmung in der Offizin auflockern, sagt er.

Die Fanmeile erstreckt sich über zwei Kilometer vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule. „Sie ist an sich kaum bemerkbar“, sagt der 52-Jährige. Das Tor mit seinen sechs Steinsäulen bilde eine akustische Grenze, die fast keinen Lärm durchlässt. Den Trubel ist Schmidt gewöhnt – auch ohne EM. Das ganze Jahr gebe es zahlreiche Touristen, die in die Apotheke kämen.

Einen Unterschied bemerkt der Pharmazeut: Die Fanmeilen-Veranstalter kommen regelmäßig in die Offizin und bitten um Arznei- und Hilfsmittel: „Am häufigsten wird natürlich nach Alka-Seltzer gefragt“, so Schmidt. Pflaster gegen Schnittverletzungen und Medikamente gegen Blasen an den Füßen würden ebenfalls oft gekauft. „Ist ja eigentlich klar – die Leute stehen den ganzen Tag auf ihren Beinen.“

Bei Großveranstaltungen wie der Fußball-EM tritt aber ein anderes Problem auf: „Wenn der Laden voll ist, lockt das Gruppen an, die die Gelegenheit ausnutzen und die Regale ausrauben“, sagt Schmidt. Die Kriminellen würden den Apothekenbetrieb und das Personal von außen beobachten. Sie warteten auf den richtigen Moment und „fahren dann mit der Hand durch die Regale.“

„Das sind absolute Profis”, sagt Schmidt. Die Diebe würden zum Beispiel ihre Taschen mit Alufolie ausfüllen, um die Warensicherung zu umgehen. Die Langfinger würden sich zudem durch das Fenster Zeichen geben und nacheinander in die Apotheke kommen. Wechseltricks an der Kasse stünden ebenfalls auf der Tagesordnung: Die Täter gäben vor, Paracetamol mit 100- oder 200-Euro-Scheinen kaufen zu wollen und verwirrten Mitarbeiter. „Das geht so schnell, das kriegen sie gar nicht mit!“

Wegen der Diebstähle hat Schmidt gehandelt: Der Inhaber hat mehrere Kameras installiert. Für die Wochenenden hat er einen Wachmann eingestellt. Am Eingangsbereich hat er verhältnismäßig günstigere Präparate in die Regale gestellt. „Meist handelt es sich um Hygieneartikel – nichts über zehn Euro.“

Die Kriminalität hat seiner Meinung nach massiv zugenommen. „Vor fünf Jahren war das noch nicht so.“ Schmidt vermutet organisierte Strukturen dahinter. Die Berliner Polizei sei keine große Hilfe. Die meisten Verfahren würden eingestellt und die Täter auf freien Fuß gesetzt. Schmidt habe viele befreundete Apotheker, die Ähnliches berichteten.

Der Pharmazeut hat bereits die WM an dem Standort erlebt. 2012 erhielt er den Zuschlag für die Apothekenräume im Bundestag – zwischen dem Nobelhotel Adlon und der russischen Botschaft. „2014 war aber mehr los“, sagt Schmidt, „vor allem als der Mannschaftsbus der Deutschen Nationalelf zur Feier hier entlang fuhr.“ Und obwohl sich sein Interesse für die EM in Grenzen hält, würde er sich freuen, wenn Jogis Jungs im Turnier weit kommen.

In anderen Städten bekommen Apotheken den Trubel auf den Fanmeilen kaum mit. Vielerorts sind sie zu weit von den Massen entfernt. Angeheiterte Fußballfans kommen daher nicht spontan vorbei. Die Markt-Apotheke in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart liegt beispielsweise nur wenige Meter vom Public Viewing im Schwabengarten entfernt. Inhaber Dr. Rainer Hörnlein hatte bisher aber noch keine Fußballfans in der Offizin.

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