Marketing

Apothekenvideos: Sex sells und Slapstick

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Berlin -

Kommunikation ohne Videos und Bewegtbild? Das war einmal. In Zeiten von Social Media führt kein Weg mehr daran vorbei. Studien zufolge führen Videos bei Mailings zu besseren Öffnungsraten, halten Besucher länger auf der Webseite und können Emotionen besser transportieren als jedes andere Marketinginstrument. In der Apothekerbranche sind gute Image-Filme allerdings noch eher Mangelware. Und doch gibt es Beispiele, die sich positiv von der grauen Masse beliebig austauschbarer Filme abheben.

„Ich habe mir eine Menge Imagevideos von Apotheken angeschaut“, berichtet Simon Nattler. Er und sein Bruder Gerrit Nattler betreiben insgesamt fünf Elisana-Apotheken in Dorsten und Gelsenkirchen. Zum Familienunternehmen gehört auch ein Versandhandel. „In den meisten Filmen werden die Leistungen der Apotheke, wie die Anzahl der vorrätigen Medikamente und der Botendienst, aufgezählt.“ Obligatorisch sei dabei der Spruch „Wir beraten Sie gern.“ Doch nach Auffassung des Apothekers interessiert es die Kunden gar nicht, „wie eine Schublade gezogen wird“. „Wenn ich sage, ich habe 8000 Medikamente auf Lager, können sie in der Regel gar nicht beurteilen, ob es viel oder wenig ist“, sagt er.

Solche Videos seien daher in erster Linie Informationsfilme, ist Nattler überzeugt. Zwar habe auch er überlegt, ein solches Videos zu produzieren. Am Ende habe man sich dafür entschieden, darauf zu verzichten und lieber ab und zu eine richtige Image-Kampagne durchzuführen. „Sie sollte dann unsere vorhandenen und potentiellen Kunden auf der emotionalen Ebene ansprechen“, erklärt der Apotheker.

Im Frühjahr 2017 haben die Elisana-Apotheken eine solche Imagekampagne für drei Monate lang lanciert. Ihr Herzstück war ein Video, das im Sommer 2016 produziert wurde. Von der Grundstimmung und der Bildsprache her erinnert es durchaus an den Imagespot „Danke, Apotheke“ vom Wort & Bild Verlag, der mit großem Erfolg Anfang 2017 lief. „Wir fanden das Video großartig und fühlten uns darin bestätigt, beim unserem Imagefilm den richtigen Ansatz gewählt zu haben“, sagt Nattler.

Der Elisana-Imagefilm zeigt ebenfalls Menschen, die sich in unterschiedlichen Lebenssituationen und -abschnitten befinden: die ersten Schritte, die ersten großen Abenteuer ohne Eltern, die Herausforderungen des Erwachsenseins samt Familiengründung, Umzügen, Belastungen im Berufsleben, und schließlich der Lebensabend mit körperlichen Beschwerden und Pflegebedürftigkeit. „Was auch immer kommen mag: Wir begleiten Sie. Ein Leben lang. Erfahren, kompetent, und genau da, wo Sie uns brauchen“, versprechen die Apotheker im Spot. „Leben Sie Ihr Leben - wir helfen Ihnen dabei. Mit allen Mitteln.“

Die Grundlage für den Elisana-Spot bildeten Video-Sequenzen von der Bilder- und Video-Plattform istock. „Die Profis von der Marketingagentur haben die Sequenzen ausgesucht und den Film zusammengeschnitten“, berichtet Nattler. Der letzte Spot-Abschnitt wurde dann in einer der Elisana-Apotheken gedreht. „Da wir als Premium-Anbieter einen gewissen Anspruch haben, kam es für uns nicht in Frage, einfach selbst irgendwie ein Video zu drehen “, führt er aus. Lieber sollte man „etwas Geld in die Hand“ nehmen. Die Apotheker-Brüder haben daher eine Marketingagentur mit der Kampagne beauftragt, Texte schreiben lassen, einen professionellen Sprecher engagiert und die Musik komponieren lassen.

Lanciert wurde der Imagefilm nach Angaben des Apothekers vor allem in sozialen Medien wie Facebook und Youtube. Auf Youtube wurde das Video als Werbung vor die bei der Zielgruppe gefragten Clips geschaltet. „Da wir besonders Eltern und Menschen mit Kinderwunsch ansprechen wollten, wurde unser Spot vor solchen Clips wie beispielsweise Zusammenbauanleitung eines Kinderwagens eingespielt“, so Nattler.

Will eine Apotheke sich ein Image aufbauen, sind Videos eines der Hauptwerkzeuge, meint der Pharmazeut. Sie würden öfter als Fotos angeschaut, geteilt und kommentiert. Und so teuer, wie viele denken, sei das auch nicht, so Nattler. Zwar habe er für das Video einen mittleren vierstelligen Betrag ausgegeben. Aber auch ein Flyer koste schnell mehrere Tausend Euro, sei aber in wenigen Tagen weg. „Guter Videocontent lässt sich dagegen immer wieder verwenden“, argumentiert der Apotheker und plant, den Imagefilm Ende des Jahres im lokalen Kino zu zeigen. „Zu Weihnachten sind Menschen emotional besonders offen“, meint er. „Da haben wir gute Chancen, sie mit unserem Film zu erreichen.“

Einen Image-Film hat auch Dr. Hannes Proeller für seine Apotheken drehen lassen. Er betreibt insgesamt vier Standorte in Augsburg, Friedberg und Affing sowie die Gudjons-Homöopathie-Manufaktur. „Apotheken haben weitgehend das gleiche Sortiment“, gibt er auch zu bedenken. „Damit kann man sich nicht profilieren.“ Deshalb müssen sich Apotheker ein Image aufbauen. Wie sein Kollege Nattler ist Proeller der festen Überzeugung, dass die Standard-Apothekenvideos, welche Standardleistungen anpreisen, „rausgeschmissenes Geld“ sind.

Doch bierernste und grundsolide Videos sind nichts für Proeller. Seit sechs Jahren dreht der Apotheker in unregelmäßigen Abständen kurze Slapstick-Spots, die unterschiedliche Schwerpunkte, wie beispielsweise die Naturheilkunde, Homöopathie oder den Botendienst, setzen. Die Ideen zu den witzigen Filmchen entwickelt der Apotheker selbst. Auch sein Image-Film kommt nicht ohne Augenzwinkern aus. Er spielt mit Apothekenklischees und überträgt mithilfe einer aufreizenden PTA die ewig gültige Werbe-Maxime „Sex sells“ auf Apotheke. Das Ganze ist so überzeichnet, dass das Video süffisant und entlarvend daher kommt.

Im Sommer wurde das neue Image-Video veröffentlicht. Die Reaktionen der Kunden und Kollegen seien hauptsächlich positiv. Dennoch gibt es durchaus Kritiker, wie der Apotheker zugibt. „Wenn man ein Profil hat, dann gibt es eben auch Leute, die es nicht mögen“, sagt er dennoch selbstbewusst. „Diesen Menschen steht es natürlich frei, nicht in meine Apotheken zu kommen.“ Es sei nicht sein Ziel, es allen recht zu machen.

Für den Image-Film ist er von dem Low-Budget-Prinzip der Slapstick-Videos abgekommen und hat ein Profiteam engagiert. Ein Regisseur hat das Skript geschrieben. Ein Kamerateam drehte vor Ort. Nur bei den Protagonisten des Spots setzte Proeller auf das eigene Personal. Lediglich die Rolle der PTA wurde von einer Schauspielerin übernommen. Hilfreich war dabei, dass sowohl Proeller, der im Video den Apotheker spielt, als auch sein Mitarbeiter, der den älteren Kunden darstellt, über Schauspielerfahrung verfügen.

Will ein Apotheker Image-Videos drehen, sollte er sich am besten eine gute Story überlegen, empfiehlt der Pharmazeut. Eine klare Botschaft und guter Slogan seien ebenfalls sehr wichtig. Dabei sollte man aber authentisch bleiben. „Wenn man ein spießiger Apotheker ist, dann soll man sich so darstellen“, sagt er. Jeder müsse eben herausarbeiten, was seine Apotheke ausmacht.

Diesem Ansatz folgte auch Apothekerin Johanna Gemenetzi. Sie führt insgesamt vier Apotheken in Wörth am Rhein, Maximiliansau und Karlsruhe-Knielingen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg und hat das EuGH-Urteil zu Rx-Boni zum Anlass genommen, um ein eher klassisches Image-Video für ihre Apotheke zu produzieren. „Ich wollte einfach sowohl Kunden als auch anderen Geschäftspartnern zeigen, wie viele Kompetenzen unsere Apotheken haben“, sagt die Apothekerin. Auch wenn Gemenetzi in erster Linie internationale Versandapotheken und weniger ihre Kollegen als Konkurrenten empfindet, liegt der Pharmazeutin viel daran, ihre Standorte zu stärken, sich von der Konkurrenz abzuheben und sich als Marktführerin in der Region zu etablieren.

Deshalb sollte das Image-Video in drei Minuten und zehn Sekunden vor allem die besonderen Serviceleistungen ihrer Apotheken hervorheben, die so nur wenige Apotheken in Deutschland anbieten könnten, so Gemenetzi. „Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, was wir tagtäglich alles leisten.“ So beliefern die Apotheken von Gemenetzi eigenen Angaben nach Krankenhäuser, Senioren- und Reha-Zentren, Rettungsdienste in der Region und überregional. Im Sterillabor werden Zytostatika und spezielle Augenspritzen hergestellt, mit denen die Apotheken ambulante Operateure und große Augenkliniken bundesweit beliefern. Die Apotheken sind auch auf die Belieferung von werksärztlichen Abteilungen spezialisiert. „Wir verstehen uns als ganzheitlichen Gesundheitsdienstleister“, sagt Gemenetzi.

Die Apothekerin wollte mit dem Image-Film aber auch die Menschen aus ihren Apotheken vorstellen. Immerhin sind es ihren Angaben nach fast 70 Mitarbeiter aus 15 Ländern. Rund 30 Mitarbeiter, vor allem Vollzeitkräfte, tauchen dann im Video auf. „Manch einer von ihnen war am Anfang etwas schüchtern“, erinnert sich die Apothekerin. „Aber die Regisseurin hat schnell den Draht zu ihnen aufgebaut, sodass am Ende alle sehr viel Spaß beim Dreh hatten.“

Die Kosten für das Image-Video liegen nach Angaben der Apothekerin im mittleren vierstelligen Bereich. „Die Resonanz war jeden Euro wert“, so Gemenetzi. Der Film wurde nach einigen Wochen Vorbereitung in drei Tage abgedreht und Juni 2017 auf der Homepage der Apotheken und auf sozialen Kanälen veröffentlicht. In kürzester Zeit hätte das Video 10.000 Menschen das Video erreicht.

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