Interview Christoph Hinnenberg (GSK)

„Die Freiwahl wird sträflich vernachlässigt“

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Berlin -

GlaxoSmithKline (GSK) ist nicht nur Pharma- und Impfstoffhersteller, sondern auch Marktführer im Bereich Mundhygiene und künftiger globaler Branchenprimus in der Selbstmedikation. Hierzulande ist das OTC-Geschäft in der Apotheke nach dem Verkauf verschiedener Marken zwar auf rund 60 Millionen Euro eingebrochen, von denen die Hälfte auf Chlorhexamed entfällt. Doch in Hamburg hat man große Pläne. Im Interview erklärt Vertriebsleiter Christoph Hinnenberg, warum in der Freiwahl Potenzial schlummert und warum die Apotheker clevere Marketingaktionen der Hersteller belohnen.

ADHOC: Vermissen Sie Granufink & Co.?
HINNENBERG: Der Verkauf war für uns als deutsches Team sehr schmerzhaft. Wir sind im Ranking der OTC-Hersteller von Platz 11 auf Platz 19 abgestürzt. Aber die Entscheidung hatte strategische Hintergründe: Der Konzern wollte sich von Marken trennen, für die es auf internationaler Ebene kein Gegenstück gibt. Das müssen wir akzeptieren.

ADHOC: Haben Sie es jetzt schwerer am Markt?
HINNENBERG: Es ist sicher nicht einfacher geworden. Wir haben unsere kritische Masse und damit auch an Aufmerksamkeit beim Kunden verloren. Unser großer Vorteil ist aber, dass wir in unserem Portfolio Marktführer wie Chlorhexamed oder Zovirax haben. Viele Mitbewerber tun sich deutlich schwerer. Nur Ladenhüter anzubieten, funktioniert nicht.

ADHOC: Was sind denn Ihre Ladenhüter?
HINNENBERG: Wir haben keine Ladenhüter. Aber es ist kein Geheimnis, dass beispielsweise NiQuitin nicht im Fokus steht. Der Markt war schon verteilt, bevor wir aktiv geworden sind. Je seltener die Mitarbeiter in den Apotheken mit einem Produkt konfrontiert werden, desto schneller vergessen sie, es aktiv zu empfehlen. Sie müssen als Hersteller in die Köpfe des Personals kommen.

ADHOC: Auch um Alli und Breathe right ist es still geworden.
HINNENBERG: Alli ist auf Konzernebene depriorisiert worden. Breathe right haben wir lange aktiv vermarktet. Das Produkt ist gut, die Kunden haben es probiert und waren zufrieden. Aber es ist kein Arzneimittel – deshalb ist das Geschäft in der Apotheke schwierig.

ADHOC: Wo liegt Ihr Fokus?
HINNENBERG: Derzeit ganz klar auf Physiogel. Die Serie hat ein bombastisches Renommee: Wir sind weltweit die Nummer 1 in der Empfehlung durch Dermatologen. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Marke für den täglichen Einsatz bei trockener Haut zu positionieren. Der Markt ist dreimal so groß wie beispielsweise der der Zahnpflege.

ADHOC: Dieser Markt ist aber ebenfalls bereits verteilt.
HINNENBERG: Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir haben eines der besten Produkte bei problematischer Haut, so gesehen sind wir fit für den Verdrängungswettbewerb – durch den dieses Segment übrigens seit Jahren geprägt ist: Noch vor zehn Jahren waren in den Apotheken ganz andere Marken von Bedeutung als heute. Wir sehen gute Chancen, in Zukunft ganz vorne mitzuspielen.

ADHOC: Bleibt Physiogel apothekenexklusiv?
HINNENBERG: Definitiv. Wenn Sie eine Marke groß machen wollen, brauchen Sie Apothekenexklusivität.

ADHOC: Inwiefern?
HINNENBERG: Apotheken sind perfekte Partner für Neueinführungen: Wenn Sie ein gutes Produkt haben, wird es auch aktiv empfohlen. Das gibt es in anderen Handelskanälen nicht. Dafür erwarten Apotheker Exklusivität. Ich kann diese Haltung gut verstehen und stehe auch intern dafür ein. Generell gibt es aber bei GSK ein klares Bekenntnis zur Apotheke. Wir sind schließlich ein pharmazeutisches Unternehmen.

ADHOC: Im Bereich Mundhygiene setzt GSK auf den Mass Market.
HINNENBERG: Hier finden nun einmal 99 Prozent des Geschäfts statt. Marken wie Odol med-3 spielen in der Apotheke keine allzu große Rolle, weil sie nur bedingt über die Empfehlung durch Fachpersonal funktionieren. Andererseits gibt es Produkte wie Parodontax, die in beiden Kanälen erfolgreich sind. Hier gibt es bei den Apothekern auch keine Berührungsängste, obwohl die Zahncreme schon seit dem Erwerb von Madaus Mitte der 90er Jahre auch in Drogerien und Supermärkten erhältlich ist.

ADHOC: Haben Apotheken eine Chance gegen Drogerien und Supermärkte?
HINNENBERG: Ja, wenn sie solche Produkte als aktive Kategorie begreifen. Leider wird die Freiwahl in vielen Apotheken sträflich vernachlässigt. Da werden Gummibärchen auf den besten Plätzen angeboten. Dabei gibt es viele Produkte, die viel besser zur Apotheke passen und obendrein einen besseren Deckungsbeitrag liefern. Das können Marken wie Cetebe sein oder eben auch Kosmetika und Zahnpflegeprodukte.

ADHOC: Wechselt Glaxo jetzt auf die andere Seite des HV-Tischs?
HINNENBERG: Wir machen derzeit 80 Prozent unseres Geschäfts in den Apotheken mit Produkten in der Sichtwahl. Aber wir wären auch in der Freiwahl gerne stärker, als wir es heute sind. Da haben Mitbewerber die Nase vorne, deren Marken schon sehr lange im Apothekenregal präsent sind. Das wollen wir jetzt aufholen.

ADHOC: Und wie?
HINNENBERG: Nachdem wir den Auftritt von Physiogel Ende 2013 komplett überarbeitet haben, planen wir jetzt eine ganze Reihe von Produkt-Launches. Parallel feilen wir an POS-Konzepten für die Apotheken. In Hamburg testen wir bereits spezielle Umbauten.

ADHOC: Glauben Sie, dass Apotheken sich darauf einlassen?
HINNENBERG: Wenn Sie Begehrlichkeit beim Endverbraucher wecken, führt das zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten. Die Apotheken erwarten nicht nur, dass wir als Hersteller Marke und Ertrag liefern, sondern auch, dass wir für Leben am HV-Tisch sorgen. Der Wettbewerb ist aggressiver geworden. Einfach ein paar Prozent mehr zu geben, reicht nicht. Sie müssen mit ihren Produkten aus der grauen Masse herausstechen. Der Außendienst sollte immer etwas Neues präsentieren können, etwa ein Training oder eine interessante Promotion.

ADHOC: Wie die DVD bei Cetebe im vergangenen Jahr?
HINNENBERG: Warum nicht, solange die Zugabe zum Produkt passt. Wenn Sie erkältet zu Hause liegen, sind Sie dankbar für etwas Unterhaltung. Die Apotheker fanden die Aktion witzig, wir hätten die zehnfache Menge absetzen können. Bei einem Marktanteil von etwa 1 Prozent hatten wir eine Platzierungsrate von knapp 40 Prozent.

ADHOC: Aber passen solche Aktionen zu Arzneimitteln und zur Apotheke?
HINNENBERG: Grundsätzlich sind alle Aktionen mit der Rechtsabteilung abgestimmt. Wir prüfen die Wertigkeit, aber auch, ob wir uns innerhalb der ethischen Grenzen bewegen – gerade wenn es einen Leidensdruck gibt. Bei Formigran haben wir beispielsweise lange diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass Kühlbrillen, Schlafmasken und Migränetagebücher beim Bewältigen der Erkrankung helfen können. Das ist dann aus unserer Sicht okay. Natürlich darf die Zugabe aber das Produkt nie überstrahlen. Auch ein Launch sollte nie verwässert werden.

ADHOC: Würden Sie gerne öfter neue Produkte ausprobieren?
HINNENBERG: Neueinführungen wollen gut überlegt sein, denn sie können auch nach hinten losgehen. Jeder Launch ist ein Versprechen an ihre Kunden und Geschäftspartner: Wenn Sie ein Produkt wieder vom Markt nehmen müssen, sorgt das für Enttäuschung und Misstrauen. Das Beste wäre also ein guter Switch, doch die sind selten. Auch über eine längere Exklusivität sollte man nachdenken. Auf die H2-Antihistaminika beispielsweise war der Markt nicht vorbereitet – am Ende hatten alle Anbieter mehr Werbeausgaben als Umsatz. Sie sollten vorher wissen, welche Umsätze Sie mit welchem Investment erreichen wollen. Spätestens nach zwei Jahren sollte eine Marke ihre Werbung selbst finanzieren, alles andere ist Harakiri.

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