Hilfsmittelversorgung

Gerangel um Inkontinenz-Vertrag

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Berlin -

Wenn mit den Krankenkassen über Hilfsmittel verhandelt wird, hat der Deutsche Apothekerverband (DAV) oft die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder werden ungünstige Passagen in den Lieferverträgen akzeptiert, oder das Marktsegment wird Anderen überlassen. Bei den Verhandlungen mit der DAK über aufsaugende Inkontinenzprodukte und Stomaartikel wurde dem DAV die Entscheidung nun abgenommen: Der Bundesverband Deutscher Apotheker (BVDA) hat den Liefervertrag mit der DAK geschlossen. Beim DAV stößt dieser Alleingang auf Protest.

 

Seit Sommer hatten DAV und DAK verhandelt. Am Ende scheiterten die Gespräche, weil die DAK partout die Gebühren für die elektronischen Kostenvoranschläge auf die Apotheker abwälzen wollte. Anders als beim Hilfsmittelliefervertrag mit Barmer und TK pochte die DAK auch bei preiswertesten Produkten auf einen Kostenvoranschlag. Die Apothekerverbände hatten diese Forderung als inakzeptabel angesehen. Gegen die sture Haltung der DAK prüft der DAV zurzeit rechtliche Schritte.

Während man in der Jägerstraße noch zögerte, ergriff der BVDA vor einigen Wochen die Chance: Der Verband, der nach eigenen Angaben 2000 Apotheken vertritt, kam der Kasse mit großzügigen Zugeständnissen entgegen und schloss einen eigenen Rahmenvertrag. Demnach muss jeder Kostenvoranschlag über die Internetplattform des Dienstleister medicomp eingereicht werden – monatlich kostet das 10,20 Euro, hinzu kommen 50 Cent für jeden genehmigten Antrag. Wer dem Liefervertrag beitreten will, muss außerdem an den BVDA zahlen: Pflicht für jeden Apotheker ist die Teilnahme an einem Seminar über Miktionsprotokolle und Beratungsgespräche. Dafür werden 195 Euro fällig.

 

 

Solche Seminare seien in den Verhandlungen zwischen DAV und DAK nie ein Thema gewesen und von der Kasse auch nicht gefordert worden, kritisiert der Vorsitzende des Berliner Apotheker-Vereins (BAV), Dr. Rainer Bienfait, der an den DAV-Verhandlungen beteiligt war. Er vermutet hinter dem Vertragsabschluss des BVDA reinweg politische Gründe. Denn für Apotheken, die nur wenige DAK-Versicherte belieferten, lohne sich dieser Liefervertrag nicht.

So erging es auch einer Apothekerin in Niedersachsen: Bisher habe sie die Inkontinenz-Versorgung immer übernommen, erzählt sie, aber der neue Vertrag lohne sich überhaupt nicht. Eine einizge DAK-Versicherte habe sie, die sie nun eben nicht mehr versorgen könne. Die Apothekerin hat der Patientin zum Wechsel der Krankenkasse geraten.

Beim BVDA kritisiert man, dass die Apothekerverbände ihre Mitglieder mit „Halbwahrheiten“ über den Liefervertrag verunsicherten. Helga Fritsch, Geschäftsführerin des BVDA, ist überzeugt, die bessere Alternative gewählt zu haben: Der elektronische Kostenvoranschlag sei das Verfahren der Zukunft – wenn Apotheker diese Methode verweigerten, gäben sie ein Marktsegment auf. Auch das eintägige Seminar sei das kleinere Übel, denn bei neuen Versorgungsverträgen seien sogar mehrtägige Seminare vorgegeben, so Fritsch.

Dem Liefervertrag sind nach Angaben des BVDA etwa 600 Apotheken beigetreten, darunter sowohl Verbandsangehörige als auch Nicht-Mitglieder.

 

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