Bewertungsportale

Urteil: Keine versteckte Arztwerbung

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Berlin -

Die besten Apotheker, Hausärzte, Internisten – Ranglisten sind nur für diejenigen nützlich, die ganz oben stehen. Bei Jameda kann der Platz an der Sonne gekauft werden. Die Wettbewerbszentrale hatte das allerdings als irreführende Werbung kritisiert, und vom Landgericht München I (LG) recht bekommen. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Derzeit können sich Ärzte daher unverändert als Premium-Partner von Jameda an die Spitze der Liste setzen lassen.

Bei Jameda können Nutzer nach Apotheken und Ärzten verschiedener Fachrichtungen suchen und die Ergebnisse in einem zweiten Schritt nach Relevanz, Entfernung, Note, Anzahl der Bewertung oder einer Kombination dieser Kriterien sortieren. Zunächst wird die Liste aber anhand einer Kombination der Kriterien Note und Bewertung zusammengestellt.

Ganz oben stehen dann in manchen Fällen aber nicht die am besten bewerteten Ärzte, sondern „Premium-Partner“. Ärzte können Premium-Pakete erwerben und dabei beispielsweise die Zusatzoption „Top-Platzierung Fachgebiete“ buchen. Diese Anzeige steht dann an jeweils oberster Stelle der Ergebnisliste. Auf den anschließenden Plätzen werden die Profile derjenigen Ärzte angezeigt, die keine Zusatzoption erworben haben.

Die Anzeige der Premium-Partner ist zwar grafisch von der Ergebnisliste abgesetzt, doch der Wettbewerbszentrale ging das nicht weit genug. Aus ihrer Sicht handelt es sich bei den Einträgen um Werbung, die entsprechend als Anzeige kenntlich zu machen ist. Das sah das LG genauso.

Das Gericht entschied, dass die Platzierung der Premium-Partner irreführend und damit unzulässig sei. Beim Betrachten der Ergebnislisten werde die Vorstellung geweckt, dass der jeweils an oberster Stelle aufgeführte Arzt derjenige sei, der auch in der Patientenbewertung am besten abgeschnitten habe.

Aus Sicht der Richter liegt das vor allem an dem Prinzip Bewertungsportal: Bei reinen Suchmaschinen werde ein Nutzer durch eine schlechtere Platzierung nicht vom Angebot dahinter platzierter Wettbewerber abgelenkt. Bei Bewertungsportalen sei der Fall aber anders, da der Nutzer der Reihenfolge der Trefferliste eine große oder sogar entscheidende Bedeutung beimesse.

Laut Urteil wird bei Jameda nicht deutlich, dass für die Platzierung bezahlt wurde. Entscheidend sei der Gesamteindruck: Der werbende Charakter müsse bereits auf den ersten Blick erkennbar sein, und nicht erst nach der „analysierenden Lektüre“. Das Fazit lautete: „Selbst bei einer großzügigen Betrachtungsweise der Werbung im Internet genügt die Gestaltung der Ergebnisliste diesen Anforderungen nicht.“

Das beginnt aus Sicht der Richter damit, dass die Top-Platzierung räumlich nicht von den übrigen Treffern getrennt ist. Jameda hatte vergeblich argumentiert, die Einblendung erfolge nicht in, sondern über der Ergebnisliste. Auch die vorgebrachte Abhebung durch die grafische Gestaltung ließen die Richter nicht gelten. Die Anzeige habe das gleiche Format und den gleichen gestalterischen Aufbau wie die Profile der darunter gelisteten Ärzte – ein Foto links, eine blaue Blase daneben, Schrift rechts davon. Der Gesamteindruck sei der gleiche.

Auch die Tatsache, dass bei den platzierten Ärzten keine Bewertung steht und sie auch nicht bewertet werden können, lassen aus Sicht der Richter nicht auf einen werbenden Charakter schließen. Es könne der Eindruck entstehen, dass die Gestaltung ein Charakteristikum der Einblendung an erster Stelle sei. Das gleiche gelte auch für Fußnoten, die Farbunterlegung und den Hinweis „Premium-Partner“. Dieser könne als eine Bezeichnung für einen besonders guten Arzt aufgefasst werden.

Die Erklärung des Begriffs „Premium-Partner“ über einen Mouseover-Effekt ist aus Sicht der Richter ebenfalls nicht geeignet und „von vornherein unzureichend“. Denn die Wahrnehmung hänge davon ab, ob sich der Cursor des Nutzers über den Bereich der Webseite bewege – also vom Zufall.

Insgesamt sei somit nicht hinreichend ersichtlich, dass es sich um eine gekaufte Anzeige handele, so das Fazit der Richter. Sollte dem verständigen Verbraucher der werbende Charakter auffallen, dann allenfalls nach einer eingehenden Lektüre. Diese sei jedoch gerade nicht gefordert, um eine Irreführung auszuschließen.

Aus Sicht von Jameda ist die derzeitige Kennzeichnung der Anzeigen bereits eindeutig. Dies hätten auch verschiedene Nutzertests bestätigt. „Selbstverständlich ist das Ranking in keiner Weise käuflich“, betont der Anbieter. Jameda prüft derzeit, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt werden soll.

Apothekern und Ärzten bietet Jameda verschiedene Premium-Pakete an: Silber, Gold und Platin. Die Kosten reichen für Ärzte von 55 bis 135 Euro im Monat. Für Apotheker gibt es das Gold-Paket für 396 Euro im Jahr. Wer das Gold- oder Platin-Paket gebucht hat, kann zusätzlich die Option wählen, an Position 1 zu erscheinen – also „in der Ergebnisliste zusätzlich ganz oben“ angezeigt zu werden. Die Kosten hängen einer Jameda-Sprecherin vom Fachbereich und der Stadt ab.

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