Rx-Boni

Rabatt bringt keine Treue

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Berlin -

Zuzahlungen haben keinen Einfluss auf die Therapietreue von Patienten. Das haben Wissenschaftler in einer „Zuzahlungsstudie“ mit der Versandapotheke Sanicare herausgefunden. Demnach führt die Halbierung der Eigenbeteiligung nicht zu einer erhöhten Adhärenz von Patienten.

Wie viele andere Versandapotheken hatte Sanicare immer wieder versucht, Kunden beim Kauf von Rx-Arzneimitteln Rabatte zu gewähren. Zunächst erhielten die Kunden sogenannte Zuzahlungsgutscheine, die bei der nächsten Rx-Bestellung verrechnet wurden. Die Kunden leisteten also faktisch keine Eigenbeteiligung.

Nachdem die Apothekerkammer Niedersachsen erfolgreich dagegen vorgegangen war, wurde die Zuzahlung von Sanicare gestundet. Auch dies wurde schließlich untersagt.Die Boni wurden 2011 mit Verweis auf die Arzneimittelpreisbindung erneut verboten.

Der inzwischen verstorbene Sanicare-Chef Johannes Mönter ging das Thema wissenschaftlich an: Die 2009 gestartete Studie sollte zeigen, ob die finanzielle Beteiligung der Patienten tatsächlich als Steuerungsinstrument taugt oder sogar die Compliance negativ beeinflusst. Während der Untersuchung wurde teilnehmenden Sanicare-Kunden die Zuzahlung zur Hälfte erlassen. Dazu mussten sie im Zeitraum von drei Jahren drei Fragebögen ausfüllen.

Die verantwortlichen Leiter der Studie waren Dr. Bernard Braun und Dr. Gerd Merstedt vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen sowie Dr. Jens Holst, ein Kooperationspartner des Wissenschaftszentrums Berlin. Von den Ergebnissen der Studie zeigen sich die Wissenschaftler überrascht: „Ich fand es erstaunlich, dass wir nach der Halbierung der Zuzahlungen keinen Effekt auf die Therapietreue, die Adhärenz, feststellen konnten“, so Holst. „Selbst wenn es Unterschiede gibt, ist keiner auch nur entfernt statistisch signifikant“, heißt es in der Studie.

Marstedt schränkt ein: „Möglicherweise kann eine Senkung der Zuzahlungen die Adhärenz erst in Verbindung mit einem weiteren Einflussfaktor, den wir hier nicht überprüft haben, positiv beeinflussen.“ Umgekehrt finde sich aber auch kein Anzeichen dafür, dass es durch den Wegfall der halben Zuzahlung zu einer schlechteren Adhärenz komme, heißt es in der Studie.

Zwischen 2009 und 2011 hatte das Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG) für die Studie mehr als 2000 Patienten befragt. Rund die Hälfte von ihnen nahm an allen drei Befragungen, also vor, während und gegen Ende des Interventionszeitraumes teil. Rund ein Drittel waren Polypharmazie-Patienten. Die Hälfte der bezahlten Zuzahlungen wurde den Teilnehmern nach Erhalt der Medikamente während des Zeitraums zurückerstattet.

Die Adhärenz ist der Studie zufolge das Ergebnis vieler Einflussfaktoren – die Halbierung der Zuzahlung zählt nicht dazu. Laut Holst widerspricht dies internationalen Untersuchungen, die ein umgekehrt proportionales Verhältnis zwischen Zuzahlungshöhe und Therapietreue aufzeigten.

Studien etwa in den USA, Italien und Kanada hätten eine eindeutig positive Auswirkung gemessen, so Holst. Interventionsstudien in den USA hätten unter den Bedingungen des US-amerikanischen Gesundheitswesens nachgewiesen, dass die vollständige Streichung oder die teilweise Reduktion der Zuzahlungen die Adhärenz verbessere.

In der Studie sollten die Teilnehmer außerdem eine Einschätzung über Zuzahlungen abgeben. 70 Prozent glauben demnach nicht, dass Zuzahlungen dabei helfen, den Therapieerfolg zu verbessern. Ebenso viele finden die Zuzahlungen für viele Betroffene unzumutbar. Knapp die Hälfte glaubt nicht, dass die Eigenbeteiligung zu einer genaueren Beachtung der Einnahmevorschriften beitragen.

Die Studie „Medikamenten-Zuzahlungen, Adhärenz und Krankheitsverlauf“ wurde nach Mönters Tod im September 2011 von der „Gesundheitszentrum Bad Laer Stiftung zur Förderung des Gesundheitswesen“ gefördert und herausgegeben. Mönters Sohn Johannes führt die Stiftung weiter. Die Versandapotheke Sanicare ist seit März 2013 nach einem Insovenzverfahren unter neuer Führung.

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