Arbeitsrecht

Kündigungsgrund darf Selbstzweck sein

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Berlin -

Wem als Arbeitnehmer in einem Kleinbetrieb betriebsbedingt gekündigt wird, der hat wenig Chancen auf Wiedergutmachung. Das gilt selbst dann, wenn der Kündigungsgrund sich im Nachhinein als falsch herausstellt. Eine PTA aus Nordrhein-Westfalen hatte auf Wiedereinstellung geklagt, weil ihre Apotheke nicht wie angekündigt geschlossen, sondern verkauft wurde. Doch laut Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) spielten die Motive der Inhaberin gar keine Rolle.

Laut Kündigungsschutzgesetz (KSchG) dürfen betriebsbedingte Kündigungen nur ausgesprochen werden, wenn der bisherige Aufgabenbereich des Arbeitnehmers weggefallen ist und auch eine Weiterbeschäftigung mit anderem Zuschnitt nicht möglich ist. Allerdings greift der gesetzliche Kündigungsschutz in der Regel nur in Betrieben mit mehr als zehn Arbeitnehmern.

Die PTA hatte dennoch auf Wiedereinstellung geklagt. Sie hatte seit 1997 in einer Apotheke gearbeitet und zuletzt 1800 Euro für 21 Wochenstunden erhalten. Im November 2013 kündigte ihre Chefin allen vier Mitarbeitern – zwei PTA, einer PKA und einer Reinigungskraft. Dabei verwies sie auf gesundheitliche Gründe, die sie zur Schließung der Apotheke zum 30. Juni 2014 zwängen.

Überraschend wurde der Betrieb dann aber weitergeführt und Mitte Juli verkauft. Weil ihre drei ehemaligen Kollegen ihre Arbeitsplätze behalten konnten, verklagte die PTA sowohl die alte als auch die neue Inhaberin auf Wiedereinstellung. Sie argumentierte im Prozess, ihre alte Chefin habe schon vor Ablauf der Kündigungsfrist vorgehabt, ihre Apotheke zu verkaufen. Deren Sohn sei nämlich ebenfalls Apotheker und mit der neuen Inhaberin befreundet. Bereits im Juni 2014 hätten die wesentlichen Konditionen der Übernahme festgestanden.

Die Apothekerin verteidigte sich, ihr Gesundheitszustand habe sich Anfang 2014 so verschlechtert, dass eine stationäre Behandlung erforderlich geworden sei. Alle Verkaufsversuche seien gescheitert. Zur Abschlussbesprechung mit der Amtsapothekerin sei Ende Juni die Kreisvertrauensapothekerin erschienen, die überraschend Interesse an der Übernahme der Apotheke gezeigt habe. Die Verhandlungen seien dann Mitte Juli mit dem Kaufvertrag sowie der Übernahme der drei übrigen Beschäftigten abgeschlossen worden. Weitere Arbeitnehmer würden nicht fortbeschäftigt.

Das Arbeitsgericht Duisburg wies die Klage der PTA im November 2014 ab. Der gesetzliche Kündigungsschutz greife nicht, da es sich bei der Apotheke um einen Kleinbetrieb gehandelt habe. Unabhängig davon gebe es auch keinen Anspruch auf Wiedereinstellung, weil der Betriebsübergang erst nach Ablauf der Kündigungsfrist stattgefunden habe.

Das LAG wies jetzt mit ausführlicher Begründung auch die Berufung zurück. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung komme zwar grundsätzlich in Betracht, wenn „sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nachträglich als unzutreffend herausstellt“. Insofern sei dies ein Korrektiv in den Fällen, in denen sich die maßgeblichen Umstände entgegen der ursprünglichen Prognose nachträglich änderten.

Allerdings scheide in Kleinbetrieben ein Wiedereinstellungsanspruch nach ordentlicher Kündigung grundsätzlich aus. „Denn es bedarf hier keines Kündigungsgrundes und damit keiner Prognose“, heißt es im Urteil. „Soweit für Kündigungen auch in Kleinbetrieben 'sachliche Gründe' gefordert werden, geht es allein um die Abgrenzung zu Willkür und Diskriminierung, nicht um einen tatsächlich bei Ablauf der Kündigungsfrist objektiv bestehenden, irgendwie ausreichenden Kündigungsgrund. Es genügt, dass er bei Ausspruch der Kündigung vermeintlich besteht und so als ernstliches Motiv der Kündigung in Betracht kommt, um rechtlich verpönte Motive auszuschließen.“

Hätte die Apothekerin die Übergabe der Apotheke als Grund genannt, wäre die Kündigung tatsächlich unwirksam. Denn laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) dürfen auch Kleinbetriebe keine Mitarbeiter wegen eines anstehenden Verkaufs entlassen. Doch in diesem Fall hätte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung alleine der Betriebsübergang das tragende Motiv sein dürfen.

„Auch wenn sich dies mitunter erst feststellen lässt, wenn alternative Kündigungsgründe vorgebracht werden, kommt es doch auf deren objektives Bestehen nicht an. Die Kündigung ist nicht deshalb wirksam, weil der alternative Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sondern weil sie durch sein (auch nur vermeintliches) Bestehen subjektiv ernstlich motiviert sein und dies gegen eine Kündigung 'wegen' des Betriebsübergangs sprechen kann“, heißt es im Urteil.

Zu guter Letzt scheitere die Klage auf Wiedereinstellung auch daran, dass der Arbeitsplatz der PTA tatsächlich weggefallen war. Auch die fehlende soziale Ausgewogenheit sah das LAG nicht. Die PTA hatte argumentiert, sie sei schutzbedürftiger als die kinderlosen Kollegen.

Doch die anderen Mitarbeiter seien länger im Unternehmen gewesen und außerdem mit der früheren Inhaberin verwandt, befanden die Richter. Für eine soziale Rücksichtnahme bei Wiedereinstellungen geben es ohnehin keine rechtliche Grundlage.

Die Richter räumen ein, dass die Frage höchstrichterlich noch nicht entschieden ist. Literatur und Rechtsprechung der Instanzgerichte stünden einem Wiedereinstellungsanspruch in Kleinbetrieben eher ablehnend gegenüber. Gegen das Urteil kann Revision beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt eingelegt werden.

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