Krankengeld

UPD: Kassen drängen Kranke zur Arbeit

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Berlin -

Krankenkassen drängen Versicherte immer wieder, trotz Krankschreibung zu arbeiten. Das zeigen viele Beschwerden von Patienten. Die Zahl der Ansprüche gegen die Krankenkassen stieg auf fast 28.000. Was die Versicherten derzeit am meisten bewegt, erläutert die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) bei der Vorlage ihres Jahresberichts an diesem Dienstag.

Dargestellt werden Auffälligkeiten, häufige Probleme und besonders relevante Themen in der Patientenberatung. Für den aktuellen „Monitor Patientenberatung 2014“ wurden rund 80.000 Beratungsgespräche anonym ausgewertet.

UPD-Geschäftsführer Sebastian Schmidt-Kaehler hatte bereits im Mai gesagt, Beschwerden zum Thema Krankengeld hätten nicht nachgelassen. Bei dem Thema hätten Patienten oft Angst vor der Kasse, heißt es bei der UPD. „Viele wissen zum Beispiel gar nicht, dass der MDK prüfen und die Arbeitsfähigkeit feststellen kann.“ Die Entscheidung liegt dann bei der Kasse. Oft gehe es um die wirtschaftliche Existenz der Betroffenen.

Doch schalten die einzelnen Kassen nach den Erfahrungen der Berater gar nicht immer den MDK ein – ihre Mitarbeiter greifen auch selbst zum Telefon und erkundigen sich mit offenbar teils bohrenden Fragen nach dem Gesundheitszustand. Dabei gehe die Kassen das gar nichts an, schimpft der Patientenbeauftragte Karl-Josef Laumann (CDU).

Allerdings: Wenn Patienten vorher ihr Einverständnis erklären, haben die Kassen das Recht auf solche Anrufe. Dabei wüssten die Versicherten bei der Einwilligung oft gar nicht, dass sie das besser nicht tun sollten, meinen die Berater.

Das Problem, dass krankgeschriebene Versicherte zum Arbeiten gedrängt würden, tauche in der Beratung häufig bei psychischen Erkrankungen auf. Deutschlands Psychotherapeuten sind alarmiert. „Krankenkassen lassen nichts unversucht, die Kosten für Krankengeld zu senken“, kritisiert der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Rainer Richter.

Der GKV-Spitzenverband betonte, in den allermeisten Fällen verhielten sich die Kassen beim Krankengeld korrekt. Der Verband verweist darauf, dass knapp 1400 Hinweise zu Problemen aus dem UPD-Bericht angesichts von rund 1,8 Millionen Krankengeldfällen nicht viel ist. Doch weiß niemand, wie klein oder groß die Probleme wirklich sind.

Eine andere Zahl deutet darauf hin, dass es zumindest viel öfter nicht nach Wunsch der Versicherten läuft: Bei rund 230.000 Patienten kamen MDK-Gutachter 2012 zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht kein Grund für die weitere Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Der MDK versichert, die Gutachter ließen es an Sorgfalt nicht mangeln – und wer psychische Leiden hat, dem könne es auch helfen, wieder zur Arbeit zu gehen.

Bereits im vergangenen Sommer hatte die Patientenberatung auf tausende Fälle aufmerksam gemacht. Im Bundestagswahlkampf fühlte sich sogar die Bundeskanzlerin bemüßigt, Abhilfe wegen verweigerter Kassenleistungen zu versprechen. „Wir gehen solchen Vorwürfen nach“, sagte Angela Merkel im Herbst.

Auch dem Sozialverband VdK sind viele solcher Fälle bekannt. Bei der Bundesdatenschutzbeauftragten gibt es ebenfalls entsprechende Beschwerden. Kassen versuchten auch, Versicherte zu Reha-Leistungen auf Kosten der Rentenkasse zu bewegen, hieß es dort.

Die Grünen warnten, die schwarz-rote Reform der Krankenkassen-Finanzen drohe restriktives Verhalten der Kassen noch zu verschärfen. Die Kassen würden immer stärker zum Sparen gezwungen.

Auch andere Sorgen lassen die Telefone der UPD heiß laufen. Der Verdacht auf Behandlungsfehler zählt dazu, nicht bewilligte Reha-Maßnahmen oder schlechte Infos in Praxen oder Kliniken. Mehr als die Hälfte der Anrufer pro Stunde erreichten wegen des Andrangs gar keinen Berater, räumt UPD-Geschäftsführer Sebastian Schmidt-Kaehler ein. Die Koalition erhöht die Förderung durch die Kassen nun von 5,6 auf 9 Millionen Euro pro Jahr. Telefon- und Onlineberatung im immer verschachtelter werdenden Gesundheitswesen solle kräftig ausgebaut werden, verspricht Laumann.

Die UPD berät Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen. Der Bundespatientenbeauftragte Karl-Josef Laumann (CDU) will Schlussfolgerungen aus dem Bericht ziehen.

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