Kommentar

Definitionsmanagement

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Berlin -

Die ABDA definiert: wie die Apotheke 2030 aussieht, wie Apotheker Leistungen abrechnen und was Medikationsmanagement ist. Jetzt wurde ein Grundsatzpapier präsentiert – ein wichtiger Schritt, der vergleichsweise spät kommt. Denn andere Anbieter sind längst viel weiter. Dazu kommt, dass die ABDA Leistungen verspricht, die womöglich nicht alle Apotheker erbringen können oder wollen.

Die Konkurrenz für die Apotheker ist groß: Marktteilnehmer wie DocMorris und Ordermed haben Medikationschecks bereits im Programm – und sorgen selbst für die Finanzierung. Die Ärzte halten Arzneimitteltherapiesicherheit ohnehin für ihre Aufgabe. Und die Kassen sehen zwar Bedarf für ein Medikationsmanagement, aber nicht zwangsläufig in der Apotheke.

Auch viele Apotheker sehen sich längst als Medikationsmanager – mit Brown-Bag-Check, Apotheken-Sprechstunde oder einem Arzneimittel-Zertifikat. Die Vielfalt der Angebote ist groß, auch die Motive sind höchst unterschiedlich. Während die ABDA glaubt, die neue Leistung aus den Einsparungen finanzieren zu können, verspricht Ordermed den Herstellern Mehrabsatz. Bei DocMorris geht es um Kundenbindung, bei den Kassen um Macht.

Jetzt will die ABDA bestimmen, was wichtig und richtig ist. Nur mit einer definierten Leistung dürfte eine derart heterogene Berufsgruppe eine realistische Chance haben, dafür auch Geld zu sehen. Allerdings birgt diese Forderung auch eine Gefahr: Sie impliziert, dass Apotheker derzeit nicht so gut beraten, wie sie könnten, weil es sich für sie nicht lohnt. Die Krankenkassen könnten fragen, welche Leistung sie eigentlich heute bezahlen.

Von der generellen Beratungspflicht könnte sich ein umfassendes Medikationsmanagement, wie es die ABDA plant, zwar durchaus abheben. Allerdings schüttelt man ein solche Medikationsmanagement nicht eben aus dem Ärmel. Dazu braucht es qualifiziertes Personal – ohnehin Mangelware – und Zeit. Beides kostet. Für Schrittinnovation öffnen die Kassen aber nur ungern ihr Portemonnaie. Die Hersteller können ein Lied davon singen.

Man muss das Medikationsmanagement also als Investition in die Zukunft der Apotheke verstehen: Ein geschützter Beruf muss sich weiterentwickeln, und die Fokussierung auf die Beratung könnte ein Mittel sein, sich von Versandapotheken und Drogerien abzuheben. In diesem Sinne haben die Apotheker keine andere Wahl, als sich das Medikationsmanagement vorzunehmen.

Doch es gibt Risiken: Der Gesetzgeber könnte zu dem Schluss kommen, das Fixhonorar zu kürzen, wenn die Beratungspauschale kommt. Ohne ein besseres Honorar hätten sich die Apotheker aber ein Eigentor geschossen: Sie hätten eine neue Leistung versprochen, die sie (sich) nicht leisten können. Selbst Idealisten im Berufsstand brauchen ein Auskommen, müssen Miete und Mitarbeiter bezahlen.

Die Honorarverteilung muss auch nicht zwangsläufig gerechter werden: Dass eine Beratungsleistung abgerechnet wird, heißt nicht, dass oder wie gut sie erbracht wurde – das sieht man bei den Ärzten. Es sei denn, die Kassen stehen mit neuen Folterinstrumenten – Präqualifizierung und Beratungsretax – bereit.

Ob diese Risiken allen Apothekern bewusst sind? Im Leitbild ist das Medikationsmanagement jedenfalls schon verankert. Niemand wusste bei der Abstimmung, was es ist – aber alle wollten es. Zum Glück ist das Papier an den entscheidenden Stellen so vage, dass man praktisch alles einsetzen kann.

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