Mit einer Reform des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) wollte der Gesetzgeber dem Abmahn-Missbrauch einen Riegel vorschieben. Dabei ist er aber über das Ziel hinausgeschossen, findet Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann von der Kanzlei Terhaag und Partner. Apotheken profitieren von einigen Neuerungen, bei anderen nur der Onlinehandel.
Das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ ist im Dezember in Kraft getreten und stellt laut Herrmann die umfangreichste Reform des UWG seit Jahrzehnten dar. Eine auch für Apotheken wissenswerte Erleichterung: „Bei der Abmahnung eines Wettbewerbers wegen Verstößen im elektronischen Geschäftsverkehr oder gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet dürfen keine Abmahnkosten mehr geltend gemacht werden“, fasst Herrmann zusammen. Das betrifft zum Beispiel Fehler im Impressum, bei der Widerrufsbelehrung oder der Preisangabenverordnung.
Bei einer erstmaligen Abmahnung durch einen Konkurrenten wegen solchen Verstößen sowie gegen die DSGVO darf keine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe verlangt werden, wenn der Abgemahnte weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. „Die erste Abmahnung ist also in vielen Fällen „umsonst“ und es kann auch keine Unterlassungserklärung verlangt werden“, so Herrmann.
Die Sache hat aber einen Haken: „Dies gilt nur, wenn ein Online-Händler abgemahnt wird. Für den stationären Handel beziehungsweise die Apotheke vor Ort gilt diese Privilegierung nicht“, kritisiert der Rechtsanwalt.
Doch Herrmann ist noch aus einem anderen Grund skeptisch: „Der Gedanke der Bekämpfung des Abmahnmissbrauchs hört sich gut an. Allerdings könnte das Gesetz zu vermehrten Verstößen gegen das UWG führen. Die erste Abmahnung tut nicht mehr weh und das verführt dazu, es einfach drauf ankommen zu lassen.“ Und Abmahnvereine dürften weiterhin die Kosten der Abmahnung geltend machen. „Warum eigentlich? Gerade so mancher Abmahnverein ist in der Vergangenheit negativ aufgefallen“, findet Herrmann.
Auch der Apothekenmarkt hat schon schlechte Erfahrungen mit Firmen gemacht, die irgendwelche Fake-Produkte auf den Markt gebracht haben, um ein Wettbewerbsverhältnis zu konstruieren und Massen-Abmahnungen aussprechen zu können. Laut Herrmann ist damit nun ebenfalls Schluss: „Wettbewerber mit unerheblicher Geschäftstätigkeit dürfen nicht mehr abmahnen“, erklärt er. Allerdings gibt es dabei den Wermutstropfen, dass auch normale kleine Wettbewerber ausgeschlossen werden, die sich etwa am Anfang ihrer Geschäftstätigkeit befinden.
Wer heute abmahnt, muss sich zumindest Mühe geben. Denn Abmahnungen müssen nun diverse formale Kriterien erfüllen. Außerdem sollen missbräuchliche Abmahnungen leichter verhindert werden. „Wer eine missbräuchliche Abmahnung erhält, hat jetzt Anspruch auf Schadensersatz“, erklärt Herrmann. Und das Abmahngeschäft soll weniger lukrativ sein: Bei unerheblichen Verstößen werden Vertragsstrafen auf 1000 Euro gedeckelt.
Früher konnten Wettbewerbsverstöße vor jedem Gericht geltend gemacht werden. Damit konnte sich der Angreifer beispielsweise ein Gericht in seiner Nähe suchen oder zu einer Kammer gehen, die in bestimmten Rechtsfragen als besonders streng gilt. Auch das hat sich im Dezember geändert: „Der fliegende Gerichtsstand wurde für die oben genannten Verstöße abgeschafft. Es muss dann am Sitz des Abgemahnten geklagt werden“, so Herrmann.
Das erleichtert dem Abgemahnten zwar womöglich die Anreise zum Gerichtstermin, könnte aber in der Praxis erheblichen Folgen haben. „Es werden nun nicht mehr die erfahrenen Wettbewerbskammern wie Köln, Düsseldorf, München, Hamburg oder Frankfurt angerufen, sondern viele UWG-unerfahrene kleinere Landgerichte“, warnt Herrmann, der auch diese Regelung etwas praxisfern findet.
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