„Im unteren Quartil fehlen etwa 30.000 Euro“

Abda-Gutachter empfiehlt gestaffeltes Apothekenhonorar

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Potsdam -

„Um die Apotheken steht es nicht zum Besten“, machte der Gießener Volkswirt Professor Dr. Georg Götz auf dem DAV-Wirtschaftsforum deutlich. Die Ausgangslage ist klar: Der negative Trend des Apothekensterbens hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt. Deshalb brauche jetzt keine Umverteilung, sondern mehr Geld.

Wenn der variable Apothekenzuschlag – wie vom Ministerium geplant – schrittweise von 3 auf 2 Prozent abgesenkt wird und im Gegenzug der fixe Zuschlag um die dadurch frei werdenden Mittel ansteigt, dürfte sich laut Götz für die Bevölkerung keinerlei Verbesserung der Arzneimittelversorgung ergeben: „Bei unveränderten Krankenkassenausgaben führt sie zu keinem nennenswerten Gewinnanstieg bei den ertragsschwachen Apotheken.“

Die geplanten Maßnahmen seien nicht ausreichend, um ein weiteres Absinken der Apothekenzahl zu verhindern. Schon jetzt gebe es in weiteren 240 Postleitzahlgebieten keine Apotheke mehr. In rund 2700 von den 8205 Postleitzahlgebieten müsse mit weiteren Schließungen gerechnet werden. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Kennzahlen der Apotheken seien „zusätzliche Mittel“ nötig, um den Negativtrend zu stoppen.

Apotheke nur Liebhaberei?

Götz hatte in seinem Gutachten die umsatzschwachen Apotheken im Fokus. Die Rohgewinne der Apotheken seien in den vergangenen zehn Jahren zwar gestiegen, aber die Kosten ebenfalls, und zwar deutlich schneller. Daher sei auch der Betriebsgewinn gesunken – in den schwachen Apotheken auf gerade einmal 44.000 Euro im Jahr 2023. Das sei wirtschaftlich nicht tragbar. Und: 24 Prozent des Gewinns kommen aus dem Nacht- und Notdienst. Kleine Filialen sind fast nur noch durch Zuschüsse durch den NNF, pDL und Botendienste tragfähig – 10.000 bis 15.000 Euro.

Damit verdienen Inhaber:innen weniger als angestellte Apotheker:innen. Bei mindestens 25 Prozent der deutschen Apotheken lohnt der Betrieb der Apotheke nicht. „Ist das Liebhaberei“, fragt Götz. Aus ökonomischer Sicht mache der Betrieb keinen Sinn. Die derzeitigen Honorare reichten nicht aus, um das Apothekensterben aufzuhalten. Hinzu komme das Skonto-Verbot, dessen Auswirkungen auf die Betriebsergebnisse noch nicht absehbar seien.

Es fehlen rund 30.000 Euro

„Im unteren Quartil fehlen etwa 30.000 Euro“, so Götz, der ein Mindesteinkommen/Betriebsgewinn von 99.000 Euro ausgerechnet aus 2hm-Gutachten aus 2017 ins Spiel brachte.

Der Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sieht vor, den Kassenabschlag zum 1. Februar 2025 wieder auf 1,75 Euro zurückzunehmen und die prozentuale Spanne schrittweise von 3 auf 2 Prozent zu senken. „Diese Ersparnisse sollen ausgabenneutral umgeschichtet werden.“ Der Gedanke dahinter: Ertragsstarke Apotheken geben viele teure Arzneimittel ab, kleine Apotheken geben viele aber billige Arzneimittel ab.

Hilft diese Umverteilung gegen das Apothekensterben? Nein. Götz hat für das Gutachten Zahlen der Treuhand Hannover für das Jahr 2019 ausgewertet. Warum 2019? Weil es da noch keine Pandemie gab und für 2023 noch keine Daten vorlagen. „Es geht um das Prinzip.“ Die starke Inflation konnte daher noch nicht einmal berücksichtigt werden.

Umverteilung rettet keine Apotheken

Bei einer aufkommensneutralen Umverteilung im Jahr 2019 wird bei einer Umverteilung ein Fixhonorar von 8,77 Euro erreicht. Mit der Umverteilung würden Apotheken mit niedrigem Einkommen einen zusätzlichen Gewinn in Höhe von drei Nachdiensten gewinnen – das löse das Problem in keiner Weise. Zudem würden große Apotheken rund 2200 Euro verlieren.

Bliebe man bei der Idee, die Spanne von 3 auf 2 Prozent zu senken, müsste man mehr tun – und zwar dezidiert für die schwachen Apotheken. Wichtig dabei: Das untere Fixum darf nicht zu niedrig sein – umsatzstarke Apotheken sollen nicht sagen, samstags öffne ich nicht mehr, der Betrieb muss sich auch für das obere Viertel lohnen. Es brauche ein nebenwirkungsfreies Szenarium, in dem ertragsstarke Apotheken nichts verlieren.

Ein Honorarsystem, das gezielt umsatzschwache Apotheken stärkt, muss laut Götz sicherstellen, dass Honorare mit steigendem Umsatz sinken. Grundprinzip: Mengenstaffelung.

  • Ein oberes Fixum in Höhe von 10,92 Euro bis zu einer Packungsschwelle von 15.006 Packungen.
  • Das untere Fixum müsste bei 7,49 Euro (6 Euro nach Abschlag) liegen – hier würden gerade so alle Kosten gedeckt werden. Das wäre die drastischste Umverteilung ohne Mehrkosten, dabei würde sich für die großen Apotheken ein Minus von etwa 29.900 Euro ergeben.

Bei einem unteren Fixum von 8,14 Euro (6,65 Euro nach Abschlag) und einem angenommenen variablen Zuschlag von 2 Prozent würden die großen Apotheken nichts verlieren, umsatzschwache Apotheken kämen aber auf einen zusätzlichen Gewinn in Höhe von 26.000 und 33.000 Euro. Mehrkosten für den Staat gebe es trotzdem, für 2019 würden diese bei 310 Millionen Euro liegen.

Die Situation sei eigentlich dramatisch, setze sich fort, wenn nichts passiere, so Götz. Das Eckpunktepapier könne das Apothekensterben nicht entschleunigen und habe – wenn überhaupt – nur homöopathischen Einfluss.

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